Sie kletterte ohne Kopftuch in Südkorea: Wo ist die iranische Sportlerin Elnaz Rekabi?

Aufnahmen von Elnaz Rekabi bei einem Wettkampf am Sonntag, bei dem für Aufsehen sorgte weil sie ohne Kopftuch antrat. 18. Oktober 2022
Aufnahmen von Elnaz Rekabi bei einem Wettkampf am Sonntag, bei dem für Aufsehen sorgte weil sie ohne Kopftuch antrat. 18. Oktober 2022 Copyright AFP
Von Alexandra Leistner
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Sie ist in ihrer Heimat für ihr Talent bekannt und gilt als Vorbild für Frauen: Die Boulderin Elnaz Rekabi ist nach ihrem letzten Wettkampf in Südkorea offenbar verschwunden.

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Die iranische Kletterin Elnaz Rekabi ist offenbar verschwunden. Das melden Menschenrechtsaktivisten sowie unabhängige persische Medien unter Berufung auf Angehörige der 33-Jährigen. 

Rekabi gilt in ihrer Heimat als Ikone. Die Ausnahmesportlerin war am Sonntag beim Finale der Asienmeisterschaft im Bouldern in Seoul, Südkorea, ohne Kopftuch geklettert und hatte damit Aufsehen erregt. Das Verhalten ist ein deutlicher Verstoß gegen die Regeln der Islamischen Republik für Sportlerinnen. 

Auf einem Instagram-Post, der Rekabi zugeschrieben wird, soll sie später das Nichttragen des Hidschabs als "unbeabsichtigt" bezeichnet haben. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass sie den Beitrag eigenmächtig geschrieben hat bzw. es ist unklar in welchem Zustand sie sich zum Zeitpunkt des Verfassens befand. 

Die iranische Regierung übt routinemäßig Druck auf Aktivisten im In- und Ausland aus und sendet sie im staatlichen Fernsehen, was von Menschenrechtsgruppen und Journalist:innen als erzwungene Geständnisse eingestuft wird. "Solche Statements haben Methode", schrieb die Journalistin und ARD-Korrespondentin Türkei, Iran, Zypern Katharina Willinger auf Twitter.

Solidaritätsgeste mit Demonstranten in Iran

Die Geste war als Solidaritätsbekundung gegenüber den Protesten für Frauenrechte im Iran gewertet worden. Seit dem 16. September gehen in Städten im ganzen Iran Menschen gegen das islamische System, gegen die Führung des Landes und die Einschränkung der Freiheitsrechte auf die Straßen. 

Ausgelöst wurde die Protestwelle vom Tod der 22 Jahre alten Kurdin Mahsa Amini, die unter ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam ums Leben kam. Seither kamen dutzende Demonstranten ums Leben, Sicherheitskräfte wenden nach Angaben von Demonstrant:innen heftige Gewalt an. Zahlreiche auch minderjährige Menschen werden verhaftet und verschwinden.

In einem Tweet der iranischen Botschaft in Seoul heißt es, Frau Rekabi sei am Dienstagmorgen nach ihrem Kletter-Wettkampf in ein Flugzeug Richtung Iran aufgebrochen. "Die Botschaft der Islamischen Republik Iran in Südkorea weist alle Fake News, Lügen und falschen Informationen über Frau Elnaz Rekabi entschieden zurück."

Die deutsche Journalistin Nathali Amiri schrieb nach dem Finale Rekabis am Wochenende: "Das ist eine Revolution im iranischen Profisport: Elnaz Rekabi tritt beim Finale der Asienmeisterschaften im Bouldern als Nationalsportlerin der Islamischen Republik OHNE Kopftuch an. Frage ist, ob sie jetzt wieder zurückkehren kann oder wird."

"Elnaz Rekabis Leben und Freiheit ist in Gefahr"

Iranische Medien mit Sitz außerhalb des Landes befürchteten, Rekabi könne zur Ausreise gezwungen worden sein. Der persische Dienst der BBC, der über umfangreiche Kontakte im Iran verfügt - obwohl er dort verboten ist - zitierte eine ungenannte "informierte Quelle", der zufolge iranische Beamte sowohl Rekabis Mobiltelefon als auch ihren Reisepass beschlagnahmt haben.

Zudem war eigentlich geplant gewesen, dass Elnaz am Mittwoch zurückfliegt. Der Heimflug sei überraschend vorgezogen worden. Das Kletter- Fachmagazin Lacrux berichtete zudem, Rekabi sei unter einem Vorwand in die iranische Botschaft in Seoul gebracht worden.

Der Menschenrechtler Ali Khademolhosseini sagte, nach seinen Informationen wurde Rekabi vom Auslandssicherheitsdienst des Regimes in Seoul verhaftet. "Elnaz Rekabi's Leben und Freiheit ist im Gefahr."

Einige Menschenrechtler:innen befürchten zudem, dass die Kletterin in das berüchtigte Evin (auch: Ewin)-Gefängnis gebracht wird, so das Regime in Teheran Gegner:innen einsperrt. In der Einrichtung war am Wochenende ein Brand ausgebrochen - die Umstände sind unklar. Einen Zusammenhang zu den Protesten bestritten die Autoritäten.

Interview mit Euronews im Jahr 2016

In einem Interview im Jahr 2016 sagte Rekabi gegenüber Euronews, sie bedauere, ein Kopftuch tragen zu müssen: ''Am Anfang war es für die anderen Athleten etwas seltsam. Sie waren neugierig auf ein Mädchen, das ein Kopftuch und ein Kleidungsstück trug, das Arme und Beine bedeckte, während ich in der Halle bei so heißen Temperaturen antrat. Wenn es heiß ist, wird der Hidschab natürlich zum Problem. Während des Wettkampfs muss der Körper die Hitze abführen. Aber wir haben selbst versucht, ein Outfit zu entwerfen, das den Hidschab respektiert und mit der Ausübung des Klettersports vereinbar ist.''

Christophe Billon vom Dachverband IFSC war der Meinung, dass ein Verbot des Hidschabs im Wettkampf kontraproduktiv für den Sport wäre. ''Wir wissen, dass iranische Frauen den Hidschab tragen müssen. Wir akzeptieren dies, weil es auch wichtig ist, dass iranische Frauen an unseren Wettkämpfen teilnehmen. Wenn wir sagen würden: 'Nein, du kannst nicht an unseren Wettkämpfen teilnehmen, weil du einen Schleier trägst', wäre das schädlich für unseren Sport.

Elnaz Rekabi beim Wettkampf am Sonntag, 17. Oktober 2022

Das Video von Elnaz Rekabi ohne Kopftuch bei dem Final-Wettkampf in Südkorea hatte sich in sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer verbreitet. Den Ausschnitt können sie hier nachfolgend im Player ansehen.

Nach Angaben des Kletterverbands IFSC trug Rekabi bei anderen Auftritten ein Kopftuch. Beim Wettkampf am Sonntag trug sie nur ein schwarzes Stirnband, ihr dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz hochgesteckt, und ein weißes Trikot mit der iranischen Flagge als Logo.

Elnaz Rekabi klettert in Südkorea ohne Kopftuch - ein Verstoß der Regeln des Iran für Sportlerinnen.
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