Der erste Ökozid-Prozess in der EU: Giftige Stoffe in französischen Häusern

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Von Monica PinnaSabine Sans
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Ein ehemaliges Industriegelände in Frankreich wird zum Wohngebiet, ohne dass es saniert wird. Daraus wird der erste Ökozid-Prozess in Frankreich. Worum geht es dabei?

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Grézieu-La-Varenne, eine Kleinstadt in Ostfrankreich, ist unerwartet Teil einer internationalen Umweltdebatte geworden. Nachdem gefährliche Kontaminationen in Häusern auf einem ehemaligen Großwäscherei-Gelände aufgedeckt wurden, ist eine strafrechtliche "Ökozid"-Ermittlung im Gange, die erste ihrer Art in der EU.

"Ökozid" beschreibt rechtswidrige oder rücksichtslose Handlungen, die in dem Wissen begangen werden, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit schwerwiegender und weit verbreiteter oder langfristiger Umweltschäden durch diese Handlungen besteht.

2021 war Frankreich das erste EU-Land, das diese Handlungen nach jahrelangen Kampagnen von Aktivisten unter Strafe stellte. Jetzt wird dieses neue Gesetz auf den Prüfstand gestellt.

Audrey Marcodini zog vor drei Jahren in ihr Traumhaus ein, ein Haus im Industrie-Stil am Fuße der Lyoner Berge. Sie und ihre Tochter im Teenageralter verbrachten hier fast zwei glückliche Jahre, bis eine unerwartete Entdeckung ihr Leben auf den Kopf stellte.

2019 wurde in Grézieu-La-Varenne Trichlorethylen nachgewiesen, ein industrielles Lösungsmittel, das häufig von chemischen Reinigungen verwendet wird. Obwohl diese Chemikalie weit verbreitet ist, ist sie ein bekanntes Karzinogen, eine hohe Exposition kann tödlich sein. Entdeckt wurde der Stoff, nachdem einer von Audreys Nachbarn eine zähe, übel riechende Flüssigkeit in ihrem Hinterhof gefunden hatte.

Foto: Le Progrès, 1984, Blanchisserie Mercier
Die alte Industrie-Wäscherei MercierFoto: Le Progrès, 1984, Blanchisserie Mercier

Als die Suche auf Audreys Haus ausgeweitet wurde, das sich auf dem Gelände einer alten Industriewäscherei befindet, zeigten Tests, dass die Trichlorethylen-Konzentration über dem 800-fachen des gesetzlich zulässigen Grenzwerts lag.

Audrey Marcodini und ihre Tochter mussten ihr Heim von jetzt auf plötzlich verlassen, mögliche langfristige Gesundheitsschäden sind nicht auszuschließen: 

"Wir können keine spezifischen Gesundheits-Untersuchungen durchführen lassen, weil Trichlorethylen nicht im Körper verbleibt. Das Einzige, was wir tun müssen und können, ist wachsam zu bleiben", so Audrey Marcodini.

Foto: Monica Pinna
Die Marcodinis mussten ihr Haus Knall auf Fall verlassenFoto: Monica Pinna

Klagen häufen sich

Neben dem Strafprozess wegen "Ökozid" wurden auch sechs Zivilklagen von Anwohnern eingereicht. Bisher wurde nur ein Urteil gesprochen, das zwei Anwälte und eine Immobiliengesellschaft für schuldig befand. Die Verurteilten müssen demnach eine Million Euro zahlen, weil sie Einzelheiten zur Kontamination nicht preisgegeben haben.

Audrey Marcodini sagt: "Mir ist wichtig, dass […] die Menschen, die wissentlich unseren Planeten verschmutzt haben und bisher damit durchgekommen sind, zur Kasse gebeten werden."

Laut Aktivisten ist das nationale Gesetz Frankreichs ein Schritt in die richtige Richtung, sie fordern aber auch die Anerkennung des "Ökozids" durch den Internationalen Strafgerichtshof.

Das bedeutet, dass Verbrechen schwerer Umweltzerstörung Kriegsverbrechen und Völkermord gleichgestellt würden.

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