Machtkampf im US-Kongress: Repräsentantenhaus verschiebt weitere Abstimmung über Chefposten

Republikanischer Kandidat Kevin McCarthy
Republikanischer Kandidat Kevin McCarthy Copyright Jacquelyn Martin/ AP
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Von Julika Herzog mit dpa, AFP, AP
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Auch nach sechs Wahlgängen in zwei Tagen hat das US-Repräsentantenhaus keinen neuen Vorsitzenden.

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Weiter Chaos im US-Kongress: auch nach sechs Wahlgängen in zwei Tagen hat der Republikaner Kevin McCarthy die erforderliche Mehrheit für den Vorsitz des Repräsentantenhauses verfehlt.

Siebte Abstimmung verschoben - weiter keine Mehrheit für McCarthy

Wohl um eine neuerliche Blamage bei einer siebten Abstimmung zu vermeiden und Zeit zu gewinnen, beantragte ein McCarthy-Vertrauter, die abendliche Sitzung zu vertagen. Allerdings stemmten sich die Demokraten gegen das Vorhaben. Erst im letzten Moment wurde der Antrag mit einer hauchdünnen Mehrheit der Republikaner angenommen und die Sitzung auf den Donnerstagmittag Ortszeit verschoben.

Für McCarthy sind die Niederlagen in Serie eine historische Schlappe und eine öffentliche Bloßstellung. Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl mehr als ein Anlauf nötig ist und eine Fraktion ihren Kandidaten nicht im ersten Durchgang ins Amt wählt. Doch der 57-jährige gibt nicht auf.

Rechte Hardliner blockieren - trotz Trumps Schützenhilfe

20 Hardliner des rechten Flügels in den eigenen Reihen blockieren den republikanischen Kandidaten - auch ein Appel des Ex-Präsidenten Donald Trump, der dazu aufgerufen hatte, McCarthy auf den Chefposten zu wählen, konnte die parteiinternen Rebellen nicht überzeugen. Da die Republikaner in der Parlamentskammer nur eine knappe Mehrheit haben, ist McCarthy fast auf jede Stimme in seiner Partei angewiesen, um zum Vorsitzenden gewählt zu werden.

Hinter den Kulissen wurde verhandelt, doch die Verschiebung der Abstimmung deutet darauf hin, dass McCarthy weiterhin keine Mehrheit hinter sich versammeln kann.

Verschwörungstheoretiker und Big-Lie-Anhänger

Zu den Gegnern McCarthys zählen vor allem Abgeordnete, die fest hinter Trump stehen und in der Vergangenheit mit extremem Verhalten aufgefallen sind sowie Verschwörungstheorien und Lügen über die Präsidentenwahl 2020 verbreitet haben. 19 der 20, die gegen Kevin McCarthy gestimmt haben, gehören der kompromisslosen Freiheitsfraktion Freedom Caucus an, einem Zusammenschluss der rechtskonservativsten Abgeordneten innerhalb der Republikaner.

Eine von ihnen ist die 36-jährige Lauren Boebert, eine Waffennärrin, die bei den Zwischenwahlen ihren Sitz im Parlament für den Bundesstaat Colorado nur ganz knapp verteidigen konnte. Weitere Gegner sind Paul Gosar und Matt Gaetz. Gosar verteidigte den Mob, der am 6. Januar 2021 das Kapitol stürmte. Gaetz machte sich immer wieder über Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus lustig.

Eigentlich gehört zu dieser Truppe auch die für Verschwörungstheorien bekannte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene. Sie hatte McCarthy in der Vergangenheit immer wieder offen kritisiert, steht nun aber bisher fest hinter ihm. Grund dürfte sein, dass dieser ihr wichtige Posten und mehr Macht in der Fraktion versprochen haben dürfte.

Was nun: Neuer Kandidat oder Deal mit Demokraten?

McCarthy könnte nun womöglich versuchen, mit den Demokraten Verhandlungen aufzunehmen. Diese könnten ihm etwa durch Enthaltungen in ihren Reihen zu einem Wahlsieg verhelfen, weil das die Zahl der nötigen Stimmen senken würde. Möglich wäre ebenso, dass ein neuer Kandidat aufgestellt wird, auf den sich die Republikaner verständigen könnten. Denkbar wären aber auch Gespräche mit den Demokraten über einen Konsenskandidaten, den auch sie mittragen würden. Ein Ausweg war zunächst aber völlig unklar.

Derrick Van Ory, Republikanischer Abgeordneter aus Wisconsin sagt: "Wir werden Kompromisse eingehen, aber wir werden nicht kapitulieren - da gibt es einen gravierenden Unterschied. Es gibt 222 Republikaner auf unserer Konferenz. Wenn also 20 Leute diesen Zug fahren können, wie sie wollen, können 202 von uns genauso gut nach Hause gehen."

Sicher ist: es wird weitergewählt. Denn bis der Vorsitz geklärt ist, geht gar nichts. Die Kongresskammer kann nicht ihre Arbeit aufnehmen, keine Ausschüsse bilden und keine Gesetze verabschieden und nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden.

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