Andrzej Duda: "Russiche Kriegsverbrecher müssen hart bestraft werden"

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Von Oleksandra Vakulina
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Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos spricht der polnische Präsident mit euronews über ein Jahr Krieg auf europäischem Boden.

Euronews-Reporterin Sasha Vakulina hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Andrzej Duda interviewt und ihn unter anderem gefragt, wie sich die Europäische Union und Polen im vergangenen Jahr verändert haben.

Euronews-Reporterin Sasha Vakulina: Bald ist der 24. Februar, der Tag, an dem Russland vor einem Jahr in die Ukraine einmarschiert ist. Polen hat in diesem Jahr in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterrolle eingenommen. Wie hat sich Polen in diesem Jahr verändert? 

Andrzej Duda, polnischer Präsident: Polen hat sich sehr verändert. Polen sind spontan an die Grenze gefahren, haben ihre Türen geöffnet, sind mit ihren Autos gekommen, haben Flüchtlinge aufgenommen, - diejenigen, die vor dem Krieg geflohen sind, diejenigen, die in Polen Zuflucht gefunden haben. Jedes Mal, wenn ich in der Ukraine bin, so oft ich Verteidiger der Ukraine treffe, Soldaten, Kommandeure, sage ich: Hört zu, kämpft ruhig, verteidigt den Staat, kämpft gegen die russische Aggression. Eure Frauen, eure Kinder, eure Mütter, eure Schwestern, die zu uns nach Polen gekommen sind, sind in Sicherheit. Derzeit hört man die ukrainische Sprache überall in Polen, in jeder öffentlichen Einrichtung, in jedem Geschäft, in der Straßenbahn, im Bus, auf der Straße, überall. Das ist unsere aktuelle Situation. Wir leben zusammen, wir kommen miteinander aus. Wir sind zwei befreundete oder sogar verbrüderte Nationen. Und im Hinblick auf die militärische Sicherheit ist es für uns eine wichtige Botschaft, nicht nur für uns als Gesellschaft, sondern auch für die ganze Welt, dass die Unabhängigkeit, die Freiheit, nicht ein für alle Mal gegeben ist, dass die Unabhängigkeit durch eine Aggression verloren gehen kann. Ein freies, souveränes, unabhängiges Land ist brutal angegriffen worden; der brutale russische Angreifer zerstört Häuser, feuert Raketen auf zivile Siedlungen, tötet Menschen. Das ist ein großer Schock für die Welt. Für uns bedeutet das eine umso größere Mobilisierung, um unsere Sicherheit zu stärken. 

Euronews: Werden diese Forderungen nach mehr Sicherheit verstärkt werden, nachdem Sie in Davos gesprochen haben und nachdem diese Botschaft hier auf dem Weltwirtschaftsforum so laut geworden ist? 

Sicherheitsfragen dominieren in Davos

Andrzej Duda: Das Weltwirtschaftsforum, das schon immer einen sehr wirtschaftlichen Fokus hatte, wird stark von Sicherheitsfragen dominiert. Natürlich wird dieses Thema nicht nur aus militärischer Sicht erörtert. Es geht natürlich auch darum, dass die Ukraine unterstützt werden muss, dass es unerlässlich ist, der Ukraine ständig Waffenhilfe zukommen zu lassen, damit sie sich verteidigen und die russische Aggression abwehren kann. Deshalb haben wir so viel über die polnische Initiative gesprochen, Leopard-Panzer in die Ukraine zu schicken: Damit wir im Rahmen der gemeinsamen Unterstützung verschiedener Länder Leopard-Panzer sammeln und zumindest eine Panzerbrigade für die Ukraine schaffen können. Wir sprechen auch über Energiesicherheit, über die Energieunabhängigkeit Europas, und wir sprechen über die Tatsache, dass die russische Politik, wie wir jetzt alle sehen, brutal angelegt war und auf die Vorherrschaft über Europa abzielte, - daher Nord Stream 1 und Nord Stream 2. Das ist auch der Grund für die polnischen Proteste gegen Nord Stream. Wir sehen darin einen Weg zur russischen Hegemonie auf dem europäischen Energiemarkt, was das Gas betrifft. Wir haben die Gaslieferungen nach Polen seit Jahren diversifiziert, weil wir die Gefahr erkannt haben. Leider wurden unsere Warnungen ignoriert. Wir sprechen in Davos selbstbewusst über den Aufbau von Energiesicherheit, weil wir das schon seit langem tun. 

Euronews: Polen hat in der Vergangenheit oft gewarnt, wenn es um Energiesicherheit, wirtschaftliche Abhängigkeit und die gesamte Sicherheitslage ging. Wie hat der Krieg in der Ukraine Ihrer Meinung nach die geopolitische Sicherheitsdynamik in Europa für Polen und die osteuropäischen Länder verändert? 

Andrzej Duda: Erstens etwas, das Putin und die russischen Aggressoren sicherlich überrascht hat: Einigkeit, die Einigkeit der Europäischen Union, die Einigkeit der NATO. Etwas, das bisher nicht so deutlich vorhanden war, denn die Russen sind weder 2008, als sie Georgien angegriffen haben, noch 2014, als sie die Ukraine zum ersten Mal angegriffen haben, auf eine solche Einheit gestoßen. Jetzt gibt es eine große Geschlossenheit von europäischer Seite und von Seiten des Nordatlantischen Bündnisses.
Zweitens hat dieser Krieg auch gezeigt, dass es heute ohne enge euro-atlantische bzw. transatlantische Beziehungen keine wirkliche Sicherheit gibt und dass die USA eine große Rolle beim Aufbau dieser europäischen Sicherheit spielen. Die USA sind der größte Unterstützer der Ukraine. Als polnischer Präsident bin ich sehr stolz darauf, dass wir bei der Militärhilfe für die Ukraine eine absolute Spitzenposition einnehmen. Für diese Militärhilfe haben wir bereits über 2,3 Milliarden Dollar ausgegeben. Für uns ist das eine enorme Ausgabe und ein großes Opfer. Aber uns ist bewusst, dass wir damit die Sicherheit in unserem Teil Europas aufbauen – und das werden wir weiterhin tun. 

Erweiterungspolitik der EU

Euronews: Die EU hat sich in den vergangenen Jahren nur zögerlich erweitert. Sollte man diese Politik überdenken in Bezug auf die Ukraine, Moldawien und andere Länder, die in Europa der EU beitreten wollen? 

Andrzej Duda: Die Polen sind für eine Politik der offenen Tür sowohl in Bezug auf die Europäische Union als auch auf die NATO. Und zwar unter anderem deshalb, weil wir selbst einmal diese Politik erlebt haben. Wenn man Demokratie im besten Sinne des Wortes befürwortet, dann haben die Nationen das Recht zu entscheiden, ob sie dazugehören. Es sind die Länder, die das Recht haben, zu entscheiden, in welche Richtung sie ihre Staaten, ihre Regierung führen wollen. Wenn die Ukrainer, unsere Nachbarn, der Europäischen Union, der NATO angehören wollen, wenn das Gleiche für die Menschen in Moldawien, in Georgien gilt, dann haben sie das Recht dazu. Das zeigt dieser Krieg, das ist das, was Putin nicht akzeptiert. Das ist es, was Putin mit seinem autoritären Charakter, mit seinem Willen, andere Nationen und seine eigene Gesellschaft zu versklaven, den Ukrainern versucht zu nehmen: diese Möglichkeit, die Freiheit, den Gemeinschaften des Westens, der NATO, der Europäischen Union anzugehören. Dem können wir niemals zustimmen. Volodymyr Zelenskyy fordert heute konkrete Schritte von der NATO.

Euronews: Nach fast achtzig Jahren Frieden ist der Krieg zurück auf europäischem Boden. Wie können heutige Generationen aus dem Blickwinkel Polens verhindern, dass sich die Tragödien der Vergangenheit wiederholen?

Andrzej Duda: Zuallererst muss Russland aufgehalten werden. Deshalb sollten wir als freie Welt die Ukraine mit all unserer Kraft unterstützen, auch militärisch. Aber auf der anderen Seite müssen die Kriegsverbrecher bestraft werden. Die ganze Welt muss sehen, dass die Russen, die in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen haben, nicht ungestraft davongekommen, dass die strafrechtliche Verantwortung gegenüber den Verursachern der Verbrechen erkannt wird. Es war Russland, das ohne jeden Grund in die Ukraine einmarschiert ist. Und dafür sollte das Land hart bestraft werden.

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