Sinkende Geburtenrate: Warum kommen in Polen immer weniger Kinder zur Welt?

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Von Julian GOMEZ
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euronews-Mitarbeiter Julian Lopez hat sich auf die Suche nach Ursachen begeben, befragte polnische Frauen und schaute sich nahe Warschau in einer Entbindungsstation um.

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Ewa Dadalska, Leiterin der Entbindungsstation in der polnischen Stadt Wolomin, hat wieder einmal einen ruhigen Arbeitstag hinter sich. Um rund 40 Prozent ist die Geburtenrate in Polen in den vergangenen 30 Jahren gesunken. Wendet man das statistische Mittel an, gebärt jede Polin im Durchschnitt 1,4 Kinder. Dadalska zeigt euronews-Mitarbeiter Julian Lopez die leerstehenden Wöchnerinnenzimmer. „Vor fünf Jahren wären leerstehende Räume noch undenkbar gewesen", sagt sie.

Die Hintergründe der sinkenden Geburtenrate sind vielschichtig. Wirtschaftliche Unsicherheit kommt zum Tragen, auch berufliche Ungewissheit und sich verändernde gesellschaftliche Verhältnisse wirken sich aus.

Frauen haben Todesangst, sich in meiner Lage zu befinden
Agnieszka Szpila
Schriftstellerin und Mutter von zwei behinderten Kindern

Oft werden auch die strengen gesetzlichen Regelungen in Bezug auf die Abtreibung genannt. Seit 2021 sind Schwangerschaftsabbrüche in Polen nur im Fall von Vergewaltigung, Inzest oder bei Lebensgefahr der Mutter gestattet.

Agnieszka Szpila ist Schriftstellerin, sie hat zwei behinderte Kinder. „Frauen haben Todesangst, sich in meiner Lage zu befinden", sagt sie und betont, dass die Mutter der einzige Mensch sei, auf den sich ein behindertes Kind verlassen könne. „Nicht die Gesellschaft, nicht der Staat, nicht das System", betont sie. „Bis sie 18 sind, können meine Kinder zur Schule gehen. Danach haben sie keine Schule mehr. Sie werden bis zum Ende ihres Lebens bei mir sein. Ich kann nicht das Leben leben, das ich mir vorgestellt habe", sagt Szpila.

Welche Rolle spielt Einwanderung?

Die polnische Regierung hat Maßnahmen ergriffen, um die Geburtenrate zu erhöhen, darunter das Programm „Familie 500+", doch große Auswirkungen sind bisher nicht festzustellen.

Auch das strenge polnische Einwanderungsgesetz ist zu nennen. Anders etwas als in Portugal und Spanien, wo die Geburtenraten ebenfalls niedrig sind, aber teils von der Einwanderung aufgefangen werden.

Bei der Erwähnung von Erklärungen anzuführen ist ebenso die Ansicht, eine niedrige Geburtenrate sei als ein fortschrittliches gesellschaftliches Zeichen einzuordnen, da es die Selbstbestimmung von Frauen zeige, sich entgegen mancherorts herrschenden gesellschaftlichen Drucks gegen Nachwuchs zu entscheiden. Oftmals geht eine niedrige Geburtenrate mit einem hohen Bruttoinlandsprodukt und einem hohen Bildungsstand einher. Festzuhalten ist: Die Bevölkerung in Polen altert, viele befürchten, dass die tatsächlichen Auswirkungen erst noch eintreffen werden.

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