Was will China mit 12-Punkte-Friedensplan zum Krieg in der Ukraine?

Chinas Außenpolitiker Wang mit Wladimir Putin
Chinas Außenpolitiker Wang mit Wladimir Putin Copyright Anton Novoderezhkin/Sputnik
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Von Euronews mit AP, AFP
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China hat zum Jahrestag des Krieges in der Ukraine einen #Friedensplan in 12 Punkten vorgelegt. Doch wie neutral ist der Partner Russlands?

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China schlägt in einem 12-Punkte-Plan einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine vor - sowie die Aufnahme von Friedensgesprächen. Damit sollte der seit genau einem Jahr tobende Krieg beendet werden. Peking will mit dem Vorschlag seinen Anspruch auf Neutralität in dem Konflikt unterstreichen.

Direkter Dialog und Abkehr vom Kalten Krieg

Chinas Regierung verlangt in dem Papier einen direkten Dialog und die Abkehr vom Kalten Krieg und lehnt den Einsatz von Atomwaffen ab.

"Alle Parteien sollten Russland und die Ukraine darin unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten und den direkten Dialog so schnell wie möglich wieder aufzunehmen", um eine "friedliche Lösung" zu erreichen, so das chinesische Außenministerium.

Das Dokument mit dem Titel "Chinas Position zu einer politischen Lösung der Ukraine-Krise" ist am Freitagmorgen auch auf Englisch auf der Website des Ministeriums veröffentlicht worden - am ersten Jahrestag des russischen Einmarsches in der Ukraine am 24. Februar 2022.

Der Vorschlag im Wortlaut: Das ist Chinas 12-Punkte-Plan

Chinas Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise

2023-02-24 09:00

1. Respektierung der Souveränität aller Länder. Das allgemein anerkannte Völkerrecht, einschließlich der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, muss strikt eingehalten werden. Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit aller Länder muss wirksam gewahrt werden. Alle Länder, ob groß oder klein, stark oder schwach, reich oder arm, sind gleichberechtigte Mitglieder der internationalen Gemeinschaft. Alle Parteien sollten gemeinsam die grundlegenden Normen für die internationalen Beziehungen aufrechterhalten und für internationale Fairness und Gerechtigkeit eintreten. Die gleichmäßige und einheitliche Anwendung des Völkerrechts ist zu fördern, während doppelte Standards abgelehnt werden müssen. _

2. Abkehr von der Mentalität des Kalten Krieges. Die Sicherheit eines Landes sollte nicht auf Kosten anderer Länder angestrebt werden. Die Sicherheit einer Region sollte nicht durch die Stärkung oder Ausweitung von Militärblöcken erreicht werden. Die legitimen Sicherheitsinteressen und -belange aller Länder müssen ernst genommen und angemessen berücksichtigt werden. Es gibt keine einfache Lösung für ein komplexes Problem. Alle Parteien sollten gemäß der Vision einer gemeinsamen, umfassenden, kooperativen und nachhaltigen Sicherheit und mit Blick auf den langfristigen Frieden und die Stabilität in der Welt dazu beitragen, eine ausgewogene, effektive und nachhaltige europäische Sicherheitsarchitektur zu schaffen. Alle Parteien sollten sich dem Streben nach eigener Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer widersetzen, eine Blockkonfrontation verhindern und sich gemeinsam für Frieden und Stabilität auf dem eurasischen Kontinent einsetzen.

3. Beendigung der Feindseligkeiten. Konflikte und Kriege sind für niemanden von Vorteil. Alle Parteien müssen rational bleiben und Zurückhaltung üben, es vermeiden, die Flammen zu schüren und die Spannungen zu verschärfen, und verhindern, dass sich die Krise weiter verschlechtert oder gar außer Kontrolle gerät. Alle Parteien sollten Russland und die Ukraine dabei unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten und den direkten Dialog so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, um die Situation schrittweise zu deeskalieren und schließlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen. _

4. Wiederaufnahme der Friedensgespräche. Dialog und Verhandlungen sind die einzige praktikable Lösung für die Ukraine-Krise. Alle Bemühungen, die zu einer friedlichen Beilegung der Krise beitragen, müssen gefördert und unterstützt werden. Die internationale Gemeinschaft sollte sich weiterhin für den richtigen Ansatz zur Förderung von Friedensgesprächen einsetzen, den Konfliktparteien dabei helfen, so bald wie möglich die Tür zu einer politischen Lösung zu öffnen, und Bedingungen und Plattformen für die Wiederaufnahme von Verhandlungen schaffen. China wird in dieser Hinsicht weiterhin eine konstruktive Rolle spielen. _

5. Beilegung der humanitären Krise. Alle Maßnahmen, die dazu beitragen, die humanitäre Krise zu lindern, müssen gefördert und unterstützt werden. Humanitäre Maßnahmen sollten den Prinzipien der Neutralität und Unparteilichkeit folgen, und humanitäre Fragen sollten nicht politisiert werden. Die Sicherheit der Zivilbevölkerung muss wirksam geschützt werden, und es sollten humanitäre Korridore für die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus den Konfliktgebieten eingerichtet werden. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um die humanitäre Hilfe in den betroffenen Gebieten zu verstärken, die humanitären Bedingungen zu verbessern und einen schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe zu gewährleisten, um eine humanitäre Krise größeren Ausmaßes zu verhindern. Die Vereinten Nationen sollten bei der Koordinierung der humanitären Hilfe für die Konfliktgebiete unterstützt werden.

6. Schutz von Zivilisten und Kriegsgefangenen (POWs). Die Konfliktparteien sollten sich strikt an das humanitäre Völkerrecht halten, Angriffe auf Zivilisten oder zivile Einrichtungen vermeiden, Frauen, Kinder und andere Opfer des Konflikts schützen und die Grundrechte der Kriegsgefangenen respektieren. China unterstützt den Austausch von Kriegsgefangenen zwischen Russland und der Ukraine und fordert alle Parteien auf, günstigere Bedingungen für diesen Zweck zu schaffen.

7. Sicherheit von Kernkraftwerken. China lehnt bewaffnete Angriffe auf Kernkraftwerke oder andere friedliche kerntechnische Anlagen ab und fordert alle Parteien auf, das Völkerrecht, einschließlich des Übereinkommens über nukleare Sicherheit, einzuhalten und von Menschen verursachte nukleare Unfälle entschlossen zu vermeiden. China unterstützt die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) dabei, eine konstruktive Rolle bei der Förderung der Sicherheit friedlicher Nuklearanlagen zu spielen.

8. Verringerung der strategischen Risiken. Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt und Atomkriege dürfen nicht geführt werden. Die Androhung oder der Einsatz von Atomwaffen sollte abgelehnt werden. Die Weiterverbreitung von Kernwaffen muss verhindert und eine nukleare Krise vermieden werden. China lehnt die Erforschung, Entwicklung und den Einsatz von chemischen und biologischen Waffen durch jedes Land unter allen Umständen ab.

9. Erleichterung der Getreideexporte. Alle Parteien müssen die von Russland, der Türkei, der Ukraine und den Vereinten Nationen unterzeichnete Schwarzmeer-Getreide-Initiative in ausgewogener Weise vollständig und wirksam umsetzen und die Vereinten Nationen dabei unterstützen, eine wichtige Rolle in dieser Hinsicht zu spielen. Die von China vorgeschlagene Kooperationsinitiative zur globalen Ernährungssicherheit bietet eine praktikable Lösung für die globale Nahrungsmittelkrise.

10. Beendigung einseitiger Sanktionen. Einseitige Sanktionen und maximaler Druck können das Problem nicht lösen; sie schaffen nur neue Probleme. China lehnt einseitige, vom UN-Sicherheitsrat nicht genehmigte Sanktionen ab. Die betroffenen Länder sollten aufhören, einseitige Sanktionen und die "weitreichende Gerichtsbarkeit" gegen andere Länder zu missbrauchen, um ihren Teil zur Deeskalation der Ukraine-Krise beizutragen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Entwicklungsländer ihre Wirtschaft ausbauen und die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung verbessern können.

11. Aufrechterhaltung der Industrie- und Lieferketten. Alle Parteien sollten sich ernsthaft für den Erhalt des bestehenden Weltwirtschaftssystems einsetzen und sich dagegen wehren, die Weltwirtschaft als Werkzeug oder Waffe für politische Zwecke zu benutzen. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um die Auswirkungen der Krise abzumildern und zu verhindern, dass sie die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Finanzen, Lebensmittelhandel und Verkehr stört und die weltweite wirtschaftliche Erholung untergräbt.

12. Förderung des Wiederaufbaus nach Konflikten. Die internationale Gemeinschaft muss Maßnahmen ergreifen, um den Wiederaufbau nach Konflikten in Konfliktgebieten zu unterstützen. China ist bereit, dabei Hilfe zu leisten und eine konstruktive Rolle zu spielen.

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Was will China erreichen?

China versucht seit einigen Wochen, eine Vermittlerrolle im Ukraine-Konflikt zu spielen, und versprach seit Tagen, seine Position im Hinblick auf eine politische Lösung zu veröffentlichen.

In dem am Freitag enthüllten Dokument bezieht Peking klar Stellung gegen jeglichen Einsatz von Atomwaffen, während der russische Präsident Wladimir Putin diese Drohung erneut ausgesprochen hat.

"Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt werden und es darf kein Atomkrieg geführt werden. Der Drohung mit oder dem Einsatz von Atomwaffen muss widersprochen werden", heißt es in dem Dokument.

China fordert beide Länder zudem auf, Angriffe auf Zivilist:innen zu vermeiden.

"Die (an dem Konflikt beteiligten) Parteien müssen sich strikt an das humanitäre Völkerrecht halten und Angriffe auf Zivilisten oder zivile Gebäude vermeiden", betonte das Ministerium.

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Auf CNN reagierte der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, auf die Ankündigung und meinte, das Dokument "hätte beim ersten Punkt, der Achtung der Souveränität aller Nationen, aufhören können".

"Der Krieg könnte morgen enden, wenn Russland seine Angriffe auf die Ukraine einstellen und seine Streitkräfte abziehen würde", fügte er hinzu. "Die Ukraine hat Russland nicht angegriffen, die NATO hat Russland nicht angegriffen, die USA haben Russland nicht angegriffen".

China hatte sich am Dienstag "sehr besorgt" über den Konflikt geäußert, der "eskaliert und sogar außer Kontrolle gerät".

Das offiziell neutrale China ruft dazu auf, die Souveränität der Staaten, einschließlich der Ukraine, zu respektieren, und drängt gleichzeitig die internationale Gemeinschaft, Moskaus Sicherheitsbedenken zu berücksichtigen.

Doch der Druck des Westens auf Peking wächst, das die russische Offensive nie öffentlich befürwortet oder kritisiert hat, jedoch mehrfach seine Unterstützung für Moskau angesichts der westlichen Sanktionen zum Ausdruck brachte.

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Wie neutral ist China wirklich?

 Peking will mit dem 12-Punkte-Plan seinen Anspruch auf Neutralität in dem Konflikt unterstreichen.

China behauptet zwar, eine neutrale Haltung einzunehmen, hat aber auch erklärt, dass es eine "grenzenlose" Beziehung zu Russland unterhalte. Peking hat sich geweigert, den Krieg in der Ukraine zu kritisieren oder die Invasion als solche zu bezeichnen. 

Es hat den Westen beschuldigt, den Konflikt zu provozieren und "die Flammen zu schüren", indem es die Ukraine mit Waffen beliefert. Die USA gehen auch davon aus, dass sich China möglicherweise darauf vorbereitet, Russland militärische Hilfe zu leisten, wofür es laut Peking keine Beweise gibt.

Angesichts der Positionen Chinas bestehen Zweifel, ob der Vorschlag überhaupt eine Chance hat - und ob China als ehrlicher Vermittler angesehen werden kann.

China und Russland haben ihre Außenpolitik zunehmend gegen die von den USA geführte liberale internationale Ordnung ausgerichtet. Außenminister Wang Yi bekräftigte die Stärke Chinas.

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Der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price, hatte bereits am Donnerstag gesagt, dass die USA sich ein Urteil über den Vorschlag vorbehalten würden, dass aber Chinas Verbundenheit mit Russland bedeute, dass es kein neutraler Vermittler sei. "Wir wünschen uns nichts sehnlicher, als einen gerechten und dauerhaften Frieden ... aber wir sind skeptisch, dass Berichte über einen Vorschlag wie diesen einen konstruktiven Weg nach vorne darstellen", sagte er.

Price fügte hinzu, die USA hofften, dass "alle Länder, die eine Beziehung zu Russland haben, die mit unserer nicht vergleichbar ist, diesen Einfluss nutzen werden, um Russland sinnvoll und nützlich zu drängen, diesen brutalen Angriffskrieg zu beenden. (China) ist dazu in einer Weise in der Lage, wie wir es nicht sind."

Reaktion aus Kiew auf Chinas Friedensplan: "Wichtiger erster Schritt"

Vor der Veröffentlichung des Vorschlags hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj es als wichtigen ersten Schritt bezeichnet, China einzubeziehen.

"Ich denke, dass die Tatsache, dass China begonnen hat, über den Frieden in der Ukraine zu sprechen, im Allgemeinen nicht schlecht ist. Für uns ist es wichtig, dass alle Staaten auf unserer Seite stehen, auf der Seite der Gerechtigkeit", sagte er am Donnerstag auf einer Pressekonferenz mit dem spanischen Ministerpräsidenten.

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