Blutkapital? Darum ist Bachmut so wichtig

Zerbombtes Bachmut - die Stadt soll zu 60% zerstört sein
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Von Euronews
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Nach Ansicht westlicher Expert:innen ist Bachmut selbst gar nicht von so großem militärischen und strategischen Wert. Der Grund, warum die blutigen Kämpfe nicht aufhören, liege auf einer anderen Ebene.

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Der Kampf um Bachmut dauert nun schon seit sieben Monaten an und ist für beide Seiten zu einem Symbol geworden. In den Medien wird oft behauptet, die Kämpfe um die Stadt seien von großer Bedeutung. Stimmt das?

Nach Ansicht westlicher Expert:innen ist Bachmut selbst gar nicht von so großem militärischen und strategischen Wert. Der Grund, warum die blutigen Kämpfe nicht aufhören, liege auf einer anderen Ebene. 

Wie bei der Schlacht von Verdun

Die Schlacht hat sowohl Moskau als auch Kiew bereits zu viel gekostet. Beide Seiten hätten schon zu viel investiert, meint Professor Patrick Bury von der Universität von Bath. "Leider ist es wie im Fall Verdun: Wenn viele Menschen für einen Ort sterben, spielt das keine Rolle mehr. Das Blutkapital ist bereits aufgebraucht. Und dann wird es politisch bedeutsam, weil man es ausgegeben hat."

Wenn die Leute anfangen würden, Politik und Entscheidungen anzugreifen, und einen Sieg bräuchten, würde sich eine ganz eigene Dynamik entwickeln.  

Nach Überzeugung vieler westlicher Expert:innen ist es für das russische Militär wichtig, nach einer Reihe schwerer Niederlagen Ende vergangenen Jahres einen durchschlagenden Sieg in Bachmut zu erringen. 

Den Gegner in Schach halten

Kiew sagt, dass sie in der Region Bachmut die russischen Streitkräfte auf Distanz hält und den Kreml so daran hindert, Operationen in anderen Gebieten durchzuführen.

"Die Ukrainer nutzen es als eine Verteidigungsschlacht, als eine Schlacht in einem bestimmten Stadium, um den russischen Angreifern die größtmöglichen Verluste zuzufügen, und zwar zum geringsten Preis für sie selbst", so Professor Bury. So könnten sie Gegenschläge gegen Russland zu einem anderen Zeitpunkt und Ort ihrer Wahl ausführen. 

Bachmut als Tür zur Region Donezk

Der Kreml sagt, dass die Einnahme von Bachmut "die Tür" zur Region Donezk weiter öffnen soll. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu bezeichnete Bachmut als den Schlüssel für eine weitere Offensive im Donbass. Westliche Experten bezweifeln jedoch, dass die Russen in der Lage sind, das auch auszunutzen und auf dem Erfolg aufzubauen. 

Westliche Experten bezweifeln jedoch, dass Russland in der Lage sein wird, auf seinem Erfolg aufzubauen, wenn die Stadt dennoch eingenommen wird.

"Die Russen haben noch nicht bewiesen, dass sie wirklich gut darin sind, Durchbrüche zu erzielen, wie es die Ukraine getan hat", sagt Professor Bury. "Die russische Logistik ist ziemlich schlecht. Wenn sie also einen Durchbruch schaffen, werden sie ohnehin durch ihre logistischen Probleme gebremst, die schon vorher bestanden."

Auf jeden getöteten Ukrainer kommt ein Russe

Für die Ukraine ist Bachmut zu einem Symbol des heldenhaften Widerstands geworden. Kiew weist darauf hin, dass die anhaltenden Kämpfe in der Nähe der Stadt viele russische Truppen in die Enge getrieben und Moskau daran gehindert haben, andernorts offensive Operationen durchzuführen, und dass die Verteidiger der Stadt den russischen Streitkräften kolossale Verluste an Personal und Ausrüstung zugefügt haben. 

Die NATO schätzt das Verhältnis der Verluste auf 1:5, was bedeutet, dass auf jeden getöteten Ukrainer fünf Russen kommen.

Wagner-Chef Prigoschins Wettstreit mit dem russischen Militär

Für Russland haben die Ereignisse um Bachmut auch eine andere, nicht ganz militärische Dimension. Jewgeni Prigoschins Wagner PMC-Söldner spielen bei den Kämpfen um die Stadt eine sehr wichtige Rolle. Der Geschäftsmann befindet sich in einem offenen Konflikt mit der Führung der russischen Streitkräfte, der so weit geht, dass er sich mit Generalstabschef Waleri Gerassimow beschimpft.

Er hat mehrmals gesagt, der russischen Armee auf dem Schlachtfeld voraus zu sein und dem Militär vorgeworfen, die Munition nicht mit seinen Truppen zu teilen.

Westlichen Expert:innen zufolge wird die Erstürmung von Bachmut nicht zuletzt wegen der Ambitionen Prigoschins fortgesetzt. Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums ist die Einnahme von Bachmut für die Söldnertruppe Wagner so etwas wie eine Bewährungsprobe.

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