Aleksandar Vučić: "Man sollte nicht zu oft über rote Linien sprechen"

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Von Sergio Cantone
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Zu Gast in The Global Conversation ist der serbische Präsident - kurz vor einem erneuten Treffen der beiden Konfliktparteien, um über das von der EU vermittelte Abkommen zu diskutieren.

Serbien und der Kosovo werden sich Ende dieser Woche erneut treffen, um über das von der Europäischen Union vermittelte Abkommen zu diskutieren. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić ist zu Gast in The Global Conversation.

Euronews-Reporter Sergio Cantone: Herr Präsident, vielen Dank, dass Sie unser Gast sind. Erste Frage: Sie stehen kurz vor einer neuen Gesprächsrunde mit Ihrem kosovarischen Amtskollegen. Was ist Ihre rote Linie? 

Aleksandar Vučić, Präsident von Serbien: Ich spreche nicht oft über rote Linien, denn wenn man zu viel über rote Linien spricht, gibt es keine wirklichen Verhandlungen, und die andere Seite wird auf den roten Linien beharren. Es ist wichtiger, das Thema richtig zu diskutieren, d.h. zu versuchen, Kompromisslösungen zu finden. 

Euronews: In einer dieser früheren Vereinbarungen geht es um die Gemeinschaft serbischer Gemeinden im Kosovo...

Aleksandar Vučić: Ja, genau. 

Euronews: …die Sie fordern. Aber anscheinend ist die kosovarische Regierung nicht dazu bereit, oder zumindest gibt es Meinungsverschiedenheiten über den Weg oder die Methode? 

Aleksandar Vučić: Fakt ist, dass wir das 2013 und 2015 unterzeichnet haben, Umsetzungspläne, Grundsätze und Managementteams und natürlich das erste Abkommen. Diese vier Vereinbarungen. Das alles wurde bereits unterschrieben, auch von Vertretern der Europäischen Union, das muss eingehalten werden. Das ist nicht das Endziel. Das endgültige Ziel ist, Albaner und Serben aus dem Kosovo, aber auch Albaner und Serben in der gesamten Region dazu zu bringen, zusammenzuleben und sich gegenseitig zu respektieren. 

Euronews: Der Kosovo befürchtet, dass damit Bedingungen für eine Art Republika Srpska im Kosovo geschaffen werden. Als Erinnerung für unsere Zuschauer - das ist die serbische Republik in Bosnien.

Aleksandar Vučić: Das stimmt nicht. Es ist eine serbische Republik, sie ist nicht serbisch. Aber trotzdem haben Sie recht, denn diese Art von Plattitüde hören wir täglich. Es gab etwas, das ausgehandelt und unterschrieben wurde, und das muss umgesetzt werden. Ansonsten gilt kein internationales öffentliches Recht. 

Euronews: Offenbar möchte die derzeitige kosovarische Regierung mehr Souveränität auf ihrem eigenen Territorium haben, das sie als ihr eigenes Territorium betrachtet. Das wurde von vielen Ländern anerkannt. 

Aleksandar Vučić: Von vielen Ländern, aber nicht durch ein internationales öffentliches Recht. Aber mir ist eine echte Versöhnung wichtig: nicht immer versuchen, die andere Seite zu demütigen, sondern eine Kompromisslösung für beide zu finden. 

Versöhnung aufgrund gegenseitiger Zugeständnisse

Euronews: Die Versöhnung erfolgt nicht durch eine gegenseitige Anerkennung, sondern durch eine Reihe gegenseitiger Zugeständnisse?

Aleksandar Vučić: Ja.

Euronews: Die Gemeinschaft serbischer Gemeinden, sollte zugunsten Serbiens umgesetzt werden, aber es wurde bereits vereinbart.

Aleksandar Vučić: Es gibt auch viele Zugeständnisse von serbischer Seite: Vereinbarungen über Zollstempel, Zollsiegel, Vertretungen, Diplome, Dokumente, berufliche Themen und Autokennzeichen. 

Euronews: Gerungen wird vor allem um den Umfang der Autonomie der serbischen Gemeinschaft im Kosovo, die Bildung … 

Aleksandar Vučić: Bildung, Gesundheitssystem, Gesundheitswesen, Raumplanung, ländliche und städtische Planung, wirtschaftliche Entwicklung, alles, was in den bereits vereinbarten Grundsätzen umrissen und aufgeführt ist. 

Euronews: Könnten Sie eine klare Trennlinie zwischen dem Konzept der Autonomie und der Selbstbestimmung ziehen?

Aleksandar Vučić: Warum haben einige Menschen das Recht auf Selbstbestimmung für einige Völker und Nationen gebilligt bzw. akzeptiert? Warum tun sie es bei anderen nicht? Wir werden daran festhalten. Serbien hat, um nur ein Beispiel zu nennen, in den vergangenen drei Jahren 62 % der gesamten ausländischen Direktinvestitionen im Westbalkan angezogen.

Wirtschaftswunderland Serbien

Euronews: Herr Präsident, aber dieses Wirtschaftswunder Serbiens basiert auch auf einem moderaten Preis für das Gas, das aus Russland kommt.

Aleksandar Vučić: Nur teilweise, ja.

Euronews: Die Europäische Union fordert Serbien auf, sich den Sanktionen (gegen Russland) anzuschließen...

Aleksandar Vučić: Was den Gaspreis anbelangt, so glaube ich, dass wir einen guten Preis haben und eine boomende Wirtschaft. Letztes Jahr, in den vergangenen drei Jahren waren wir eine der fünf am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in ganz Europa. 

Euronews: Weil, wie Sie sagten, ihre Energiepreise niedriger sind als in anderen Ländern. Das könnte ein Problem für Sie werden, wenn Sie sich den Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland anschließen müssten.

Aleksandar Vučić: Aber das ist nicht das einzige Thema. Ich las und hörte von Tausenden falscher Anschuldigungen gegen Serbien, dass es den regionalen Frieden und die Stabilität zerstören und dass Serbien Bosnien angreifen würde, dass Serbien Pristina angreifen würde, dass Serbien dies und jenes beeinflussen würde. Ist das passiert? Nein, das ist nicht passiert. Es gab Spannungen im Nordkosovo, und was ich unseren Leuten schon oft gesagt habe, ich wiederhole es hier: Wir haben eine sehr professionelle und eine sehr gute, verantwortungsvolle und ernsthafte Beziehung zur NATO, wir werden damit weitermachen. Und damit bin ich sehr zufrieden.

Auswirkungen des Ukrainekriegs

Euronews: Präsident Putin hat die Kosovo-Frage mit anderen Themen verwoben, zuerst auf der Krim und dann auch im Donbass. 

Aleksandar Vučić: Ist das eine Frage für mich oder für westliche Staatschefs? Denn er hat einen Präzedenzfall geschaffen. Aber unsere Reaktion war sehr explizit, nur damit sie es wissen, wir haben gesagt, wir unterstützen die UN-Charta, und deshalb gehören die Krim und alle anderen Teile der Ukraine zur Ukraine. Das war unsere Antwort. Nur um Ihren Zuschauern gegenüber fair zu sein.

Euronews: Wären Sie bereit, dem kosovarischen Amtskollegen entgegenzukommen, wenn es um die Mitgliedschaft im Europarat geht? 

Aleksandar Vučić: Sie haben das Verfahren für die Mitgliedschaft im Europarat bereits eingeleitet, ohne Serbien zu fragen. , und sie brauchen Serbien dafür nicht. Aber es gibt eine Verordnung... und diesen von Deutschen und Franzosen vorgeschlagenen Plan für internationale Organisationen. Sie haben meine Antwort bekommen. Die habe ich Macron und Scholz persönlich gesagt. 

Euronews: Für ein Votum der Vereinten Nationen ist es zu früh, weil China und Russland ein Wörtchen mitzureden haben.

Aleksandar Vučić: Es geht nicht um China oder Russland. Es geht vielmehr um Serbien als um China und Russland. Ich habe mit Macron und Scholz darüber gesprochen.

Euronews: Und?

Aleksandar Vučić:Und mit allen anderen. 

Euronews: Und was war der... 

Aleksandar Vučić: Wir haben zu Beginn unseres Gesprächs über rote Linien gesprochen.

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