Freizeitfischerei in Europa: ein unterschätztes Hobby

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Von Denis LoctierSabine Sans
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8,9 Millionen Angler, 10 Milliarden Euro Umsatz, 100.000 Arbeitsplätze: DIe EU strebt eine nachhaltige Regulierung des Sektors an.

Der Einfluss und die enorme Bedeutung der Freizeitfischerei wurde lange nicht wahrgenommen, In der Öffentlichkeit werden die sozioökonomischen Auswirkungen der Sportfischerei oft unterschätzt bzw. nicht wahrgenommen. Dabei geht es europaweit um rund 8,9 Millionen Angler, die 10 Milliarden Euro Umsatz bringen und 100.000 Arbeitsplätze stützen: Die EU strebt eine nachhaltige Regulierung des Sektors an und unterstützt die Freizeitfischerei als Teil der blauen Wirtschaft.Nachdem viele Corona-Beschränkungen aufgehoben wurden, können Millionen europäische Anglern endlich wieder fischen gehen. Es ist ein beliebtes Hobby, das den Küstenwirtschaften Millliarden Euro bringt - aber es gibt einen Haken. Kritikern zufolge bedroht der uneingeschränkte Fischfang gefährdete Arten und beeinträchtigt andere Meeressektoren. Kann man eine gemeinsame Basis finden? Das ist das Thema dieser Ocean-Folge.

Freizeitfischerei - ein unterschätztes Hobby

Es ist kein unbeschwerter Sommer für die europäischen Küstenregionen. Aber die zumindest teilweise Aufhebung der Covid-Beschränkungen lässt diese Freundesgruppe in Katalonien zu ihrem Lieblingshobby zurückkehren - dem Bootsfischen in den reichen Mittelmeer-Gewässern des Cap de Creus.

"Was den Fischer anzieht, ist der Kontakt mit der Natur, der Nervenkitzel, wenn ein Fisch anbeißt", meint Cinto Berta, Leiter der Sektion Freizeitfischerei, GEN Roses (Grup d'Esports Nàutics de Roses). "Man weiß nie, welchen Fisch man angeln wird, und teilt ihn dann auf Instagram, Facebook und in sozialen Netzwerken. Und oft werfen wir ihn ins Meer zurück, denn wir nehmen nicht immer alles mit, was wir fangen."

Rund 9 Millionen Menschen in Europa fischen zum Vergnügen, weiß euronews-Reporter Denis Loctier: "Viele kleine Gemeinden und ärmere Regionen sind auf dieses beliebte Hobby angewiesen, das europäischen Küstenwirtschaften rund 10,5 Milliarden Euro einbringt. Aber welchen Preis muss die Meeresumwelt dafür zahlen?"

Freizeitangler dürfen keine Berufsausrüstung verwenden, dennoch wirkt sich ihr Vergnügen auf die Fischbestände aus: In Europa fangen Hobbyangler mehr Seelachs und genauso viel Atlantischen Seebarsch wie kommerzielle Fischerboote. Die EU beschränkt die Freizeitfischerei bei erschöpften Beständen wie Dorsch in der östlichen Ostsee oder Roten Thun im Mittelmeer. Biologen fordern jedoch mehr Forschung, da die Bedrohung gefährdeter Arten mit weniger kommerziellem Wert oft übersehen wird.

"Es gibt immer weniger gewerbliche Berufsfischer und immer mehr Freizeitfischer", so Josep Lloret Romañach, Meeres- und Fischereibiologe, Institut für aquatische Ökologie, Universität Girona. "Bei einigen Arten stellten wir fest, dass die Fänge von Freizeitfischern mit den Fangmengen der Berufsfischerei vergleichbar sind. Das sind ziemlich schockierende Ergebnisse!"

EU unterstützt nachhaltige Sportfischerei

Für eine nachhaltige Freizeitfischerei befürwortet die Europäische Kommission Freizeitlizenzen, Apps zur Fangmeldung und andere Maßnahmen. Die Überfischung ist eine doppelte Bedrohung für Orte, die auf Küstentourismus angewiesen sind, denn Hobbyangler spülen beträchtliche Summen in die lokale Wirtschaft.

"Sie kommen hierher, um eine Wohnung zu mieten, vielleicht sogar zu kaufen", erzählt Vero Medina, Gemeinderätin für Sport und Jugend im Stadtrat von Roses. "Es gibt die Möglichkeit, ein Boot zu mieten, oder zu kaufen, einen Liegeplatz zu mieten. Die Läden machen Umsatz, weil man das Material zum Fischen kaufen muss. Vor diesem Hintergrund darf man aber nicht vergessen, dass das Ökosystem geschützt werden muss."

Angel-Bootsausflüge sind teuer, gelten als Luxus: Trotzdem zieht Brandungsangeln Menschen aus allen Gesellschaftsschichten an. Josep Lloret, ein Forscher, der die Sportfischerei in Europa untersucht, führt regelmäßig Interviews mit Anglern, um besser zu verstehen, warum, wie und wie viel sie fischen.

Vielerorts bedroht die Küstenfischerei gefährdete Fischarten nicht so sehr wie die Bootsfischerei, auch wenn die Angler ihre Fänge in der Regel nicht ins Meer zurückwerfen: "Ja, ja, ja, ja, ich esse sie - es geht nicht nur darum, sie zu fischen und danach wegzuschmeißen, ich esse sie", erzählt ein französischer Fischer aus Toulon.

Angeln - oft mehr als ein Zeitvertreib

Für viele Familien, insbesondere in wirtschaftlich weniger entwickelten Gebieten, ist Angeln mehr als nur ein Zeitvertreib.

"Wir beobachten sogenannte Subsistenz-Fischerei, d.h. Menschen, die nicht mehr als Hobby angeln, sondern um mit dem gefangenen Fisch ihre Familie zu ernähren", sagt so Josep Lloret Romañach. "Das ist eine Art der Fischerei, über die wir nicht viele Daten haben, aber sie ist auch interessant. Wer weiß, wie die Zukunft nach der Covid-Krise aussieht, vielleicht sitzen wir alle am Pier, um zu angeln - auch wir Biologen!"

Führt die wachsende Zahl der Hobbyangler zu Konflikten?

Berufsfischer sind zunehmend besorgt darüber, dass sie den Meeresraum und die Ressourcen mit weniger kontrollierten und weniger erfahrenen Amateuren teilen müssen. Der euronews-Reporter trifft den Präsidenten der örtlichen Fischerzunft Jordi Fulcarà, der Touristen durch den Hafen von Llançà führt. Er sagt, die Kontrolle auf See sei unzureichend - selbst in Meeresschutzgebieten gäbe es nur wenige Kontrollen,- und Freizeitfischern fehle es oft an Grundkenntnissen oder Disziplin, was zu Konflikten führe.

"Menschen, die wissen, dass wir Profis sind, respektieren unsere Zeichen und unsere Netze auf See", erklärt Jordi Fulcarà, Präsident der Fischerzunft von Llançà. "Und dann gibt es diejenigen, die keine Ahnung haben - sie werfen einfach ihre Anker in unsere Netze. Mit denen haben wir Konflikte. Alles, was wir fordern, ist ein bisschen mehr Achtsamkeit."

Laut der Meeressozialwissenschaftlerin Sílvia Gomez von der Autonomen Universität Barcelona wurzelt der Konflikt in unterschiedlichen Fischerei-Philosophien und in der Angst der Kleinfischer, vom lukrativen Amateursektor aus ihrem angestammten Bereich verdrängt zu werden:

"Das wird von einem Kollektiv, das kulturell von dieser Aktivität abhängig ist und für das es die Lebensgrundlage darstellt, als Bedrohung angesehen. Entsprechend ihrer Wahrnehmung haben sie durch ihre historische Beziehung, die sie im Laufe der Zeit mit der Meeresumwelt geknüpft haben, Rechte erworben."

Freizeitangler müssen mit anderen Meeresnutzern auskommen - wie zum Beispiel Geräte-Tauchern. Die Familie von Boris Mörker betreibt seit mehr als 40 Jahren ein Tauchzentrum in Roses. An einigen ihrer Tauchplätze ist das Angeln eingeschränkt, an anderen hingegen erlaubt. Unter Wasser wird der Unterschied deutlich.

Freizeitfischer hinterlassen oft beschädigte Korallen und verlorene Fanggeräte. Und eine besonders umstrittene Art der Freizeitfischerei - die Unterwasser-Harpunenjagd - zielt auf größere Fische, die SCUBA-Taucher am meisten faszinieren.

"An den Stellen, an denen das Harpunen-Fischen erlaubt ist, verstecken sich die Fische, sobald sie einen sehen", sagt Tauchlehrer Boris Mörker vom Tauchcenter Poseidon. "Selbst das Fotografieren ist fast unmöglich. An solchen Standorten gibt es insgesamt weniger Arten - zum Beispiel gibt es keine Zackenbarsche, trotz all der felsigen Lebensräume, in denen sie gedeihen könnten."

Harpunen-Fischer fordern eine intelligente Regulierung anstelle von völligen Verboten. Im Gegensatz zu anderen Fischern würde man die Fische sehen, die man jagt. Das bedeute, dass man Ziele so wählen kann, dass die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich gehalten werden - solange die Regelung klar ist. Wenn professionelle und freizeitorientierte Meeresnutzer einen Weg finden, die Ressourcen nachhaltig zu teilen, würden alle gewinnen.

"Es ist eine Frage des Dialogs und des Verständnisses, dass das Meer ihre Zukunft ist - aber es ist auch unsere Zukunft, unser Hobby", meint Oscar Sagué, Harpunen-Fischer, Internationales Forum für nachhaltige Unterwasseraktivitäten (IFSUA). "Die Sportfischerei, das Harpunen-Fischen, unterstützt eine ganze Industrie, die vom Verkauf von Harpunen, Flossen und Neoprenanzügen abhängig ist. Diese Menschen haben das gleiche Recht wie alle anderen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Meiner Meinung nach können wir mit mehr Verständnis, mithilfe der Verwaltung, zu einer Einigung kommen."

Durch weitere Forschung und bessere Regulierung soll die Freizeitfischerei sicher für das Meer, gut für die Wirtschaft und offen für alle bleiben.

Journalist • Denis Loctier

Cutter • Jean-Christophe Marcaud

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