Piloten in der Covid-19-Krise: Vom Klimakiller zum Umweltaktivisten

Vom Piloten zum Umweltaktivisten: Todd Smith
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Von Lorelei Mihala
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Piloten in der Covid-19-Krise: Vom Klimakiller zum Umweltaktivisten

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Beim Protest gegen den Klimawandel in London im März 2020 war ein junger Mann in Pilotenuniform dabei: Todd Smith. Inzwischen ist der Ex-Pilot Sprecher bei den Umweltaktivist:innen von "Extinction Rebellion" (auch: XR).

Für Todd Smith sind die Protestaktionen wichtige Orte, um seine Ansichten als ehemaliger Pilot unter die Menschen zu bringen.

"Für Piloten ist die Sicherheit oberste Priorität. Wir wollen unsere Passagiere immer zum geplanten Ziel fliegen, aber wenn wir unterwegs auf Unwetter oder irgendetwas stoßen, das die Sicherheit des Fluges gefährden könnte, würden wir ohne zu zögern umkehren und den Kurs ändern, um einen sicheren Flug zu gewährleisten", sagt der 32-Jährige aus Reading in Großbritannien.

"DER STERN DES FLUGZEUGS GEHT UNTER, DESHALB IST ES ABSOLUT NOTWENDIG, DASS WIR UNS VON DER WISSENSCHAFT LEITEN LASSEN."

Todd Smith, der erzählt, dass er in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen ist, wollte schon im Alter von fünf Jahren Pilot werden, nachdem ihn sein Vater zu einer Flugshow mitgenommen hatte.

Er brauchte etwa sieben Jahre und mehr als 162.000 Euro, um die Ausbildung zu absolvieren, die er kurz nach der Finanzkrise im Jahr 2008 begann. Nach zwei Jahren als Fluglehrer arbeitete er sich hoch. Der Brite war zunächst für eine bulgarische Fluggesellschaft und später als Senior First Officer für Thomas Cook als Pilot im Einsatz.

Todd Smith war bei der britischen Ferienfluggesellschaft beschäftigt, bis diese im September 2019 Pleite ging. Im selben Jahr wurde bei ihm Borreliose diagnostiziert, was zur Aussetzung seines ärztlichen Attests für Piloten führte.

"Ich erlebte den Klimawandel am eigenen Körper", erklärt der Pilot. "Ich habe die Auswirkungen des Massentourismus gesehen. Als die Pandemie ausbrach, war das der Moment, in dem ich sagte: Ich muss ein Teil der Lösung sein, und ich wurde zum Klimaaktivisten."

"Die große Mehrheit der Bevölkerung hat keine Ahnung, wie schlimm die Dinge sind", meint der Brite.

Kürzlich wurde bei Todd Smith Umwelt-Angst diagnostiziert. Dies ist ein Zustand, der 2017 erstmals von der American Psychological Association als "chronische Angst vor dem ökologischen Untergang" beschrieben wurde.

DER EINFLUSS VON FLÜGEN AUF DAS KLIMA

Die Klimakrise ist in vollem Gange, aber vielen ist nicht bewusst, wie unmittelbar sie unser tägliches Leben beeinflussen könnte. Viele im Süden der Erdhalbkugel leiden bereits an vorderster Front unter dem Klimawandel. Mehr als 1 Milliarde Menschen könnten innerhalb von 30 Jahren zu Klimaflüchtlingen werden, so das Institute for Economics and Peace (IEP).

Wenn es ums Fliegen geht, muss sich wirklich etwas ändern. Flüge produzieren durch die Verbrennung von Kerosin Treibhausgase, vor allem Kohlendioxid (CO2), was zur globalen Erwärmung beiträgt. 

Nach Angaben der International Air Transport Association ist der Flugverkehr für etwa 2 Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich.

Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), die Zivilluftfahrtbehörde der UN, hat errechnet, dass ein Hin- und Rückflug in der Economy-Klasse von London nach New York schätzungsweise 0,67 Tonnen CO2 pro Passagier ausstößt. Das entspricht 11 Prozent des durchschnittlichen Jahresausstoßes einer Person in Großbritannien oder etwa dem einer Person während eines Jahres in Ghana.

Vor der Corona-Pandemie wurde geschätzt, dass sich die Branche zwischen 2020 und 2050 verdreifachen wird.

Todd Smith
Todd Smith bei einem ganz besonderen FlugTodd Smith

"Die Realität ist, dass es kurz- bis mittelfristig keine grünen Alternativen für die Luftfahrt gibt", sagt Todd Smith. Für die Branche sind Elektroflugzeuge vielleicht irgendwann realisierbar, aber nicht in naher Zukunft, und die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen ist fraglich.

Der Ex-Pilot plädiert für eine Änderung der Reisegewohnheiten, mit möglichen Erweiterungen bereits bestehender Initiativen von Unternehmen, die zusätzliche Urlaubstage für diejenigen anbieten, die mit dem Zug reisen.

Während über 80 Prozent der Weltbevölkerung noch nie mit einem Flugzeug unterwegs waren, ist die Luftfahrt eine der energieintensivsten Formen des Konsums.

Schockierenderweise verursacht 1 Prozent der Menschen 50 Prozent der Emissionen im Flugverkehr, so eine Studie, die von Global Environmental Change im Jahr 2020 veröffentlicht wurde.

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WIR MÜSSEN AUFHÖREN, VIELFLIEGER ZU BELOHNEN

"Wir müssen wirklich das Narrativ rund um die Luftfahrt ändern: Vielflieger werden für häufiges Fliegen belohnt, stattdessen sollten wir eine Vielfliegersteuer einführen", meint Todd Smith.

"Es gibt keine Steuer auf Kerosin und Flugtickets, in Großbritannien gibt es keine Mehrwertsteuer, also subventionieren wir diese enorm zerstörerische Industrie. Und wenn jeder andere Sektor auf der Welt dekarbonisieren muss, warum sollte die Luftfahrt davon ausgenommen sein?", fügt Smith hinzu.

Der Umweltaktivist unterstützt einen gerechten Übergang für stark verschmutzende Industrien, der von Stay Grounded vorgeschlagen wird. Dies würde es den Beschäftigten in diesen Sektoren ermöglichen, für andere kohlenstoffarme Arbeitsplätze ausgebildet zu werden.

Der Ex-Pilot ist auch Mitbegründer von Safe Landing, einer Organisation, die umweltbewusste Mitarbeiter von Fluggesellschaften versammelt, die versuchen, die Regierung im Sinne der Just Transition-Prinzipien zu beeinflussen und "das Greenwashing der Konzerne zu stoppen."

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VON BRITISH AIRWAYS ZU TOPFPFLANZEN

Der Verlust seines Jobs als Pilot bei British Airways aufgrund der Corona-Pandemie war auch der Auslöser für Nathan Raab, 24, aus Chichester in Großbritannien, sich voll und ganz auf sein grünes Geschäft einzulassen.

Pointless Plants, das Unternehmen, das er 2019 gegründet hat, arbeitet mit dem Verein Ecologi zusammen, der ein Plug-in auf seiner Website hat und bei jeder Bestellung automatisch 10 Bäume in Madagaskar pflanzt.

Anfang März 2021 hatte das Unternehmen 32.732 Bäume gepflanzt.

"Nachdem ich tonnenweise Kerosin versprüht und für Unternehmen gearbeitet habe, die eine Profit-über-alles-Mentalität haben, wollte ich wirklich Gutes für die Menschen und den Planeten tun", sagt Nathan Raab.

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"Ich glaube, es ist meine Verantwortung als Mensch und Unternehmen, mich um den Planeten zu kümmern. Es ist unser Zuhause und bald wird es ein ganz anderer Ort sein. Es ist einfach, nichts dagegen zu tun, aber wir müssen uns daran erinnern: 'Es ist nur ein Plastikstrohhalm', sagen 7 Milliarden Menschen", erklärt Nathan Raab.

Pointless Plants beschäftigt mittlerweile vier Mitarbeiter, die während der aktuellen Krise ihren Job verloren haben, darunter sind ein ehemaliger Theaterangestellter und eine Fau, die als Tänzerin auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet hatte. Jane Fear, eine ehemalige Flugbegleiterin bei Virgin Atlantic, die während der Pandemie freiwillig gekündigt hat, ist Nathan Raabs Geschäftspartnerin.

"Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, aus der Luftfahrt auszusteigen, ich wusste einfach nicht, was ich sonst tun sollte, da ich 22 Jahre lang als Flugbegleiterin gearbeitet hatte", erklärt Jane Fear.

"Ich wusste, dass die Luftfahrt nach Covid-19 eine ganz andere Branche sein würde, und ich hatte meine Jahre dort genossen und wollte mit einem guten Gefühl gehen."

Privat
Nathan RaabPrivat

Als Mutter von fünfjährigen Zwillingen sagt Jane, dass sie der Klimakrise mehr Aufmerksamkeit schenkt, seit sie die Mädchen geboren hat. "Ich habe begonnen, meinen Einfluss auf die Rettung des Planeten zu betrachten und sicherzustellen, dass er ein gesunder, glücklicher Ort für die kommenden Generationen ist."

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Ihre Zeit in Flugbegleiterin sieht sie nun als beendet an.

"Ich vermisse immer noch bestimmte Aspekte des Jobs und des Lebensstils - das Reisen, das Einkaufen und die fantastischen Kunden und die Crew - aber ich bin so glücklich, mehr zu Hause bei meiner Familie zu sein und in Pointless Plants eingebettet zu sein", fügt sie hinzu.

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EIN BESSERES ERBE FÜR UNSERE KINDER HINTERLASSEN

Dan Tipney, 34, aus Buckinghamshire in Großbritannien, ebenfalls ehemaliger Pilot, erlebte einen echten Wendepunkt, als sein erstes Kind geboren wurde.

"Wie viele Piloten wollte ich schon seit meiner Jugend Jets fliegen und habe viel geopfert, um mein Ziel zu erreichen. Als ich mit Informationen konfrontiert wurde, die meine Liebe zum Fliegen mit meinem Wunsch, einen bewohnbaren Planeten für meine Kinder zu erhalten, in Konflikt brachten, saß ich eine Zeit lang wie erstarrt - in Angst, Verleugnung und Wut", sagt Dan Tipney.

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Sein Wechsel zu einem grüneren Leben kam schrittweise. Vor etwa vier Jahren war er Mitbegründer einer Bewegung namens "Rowers against Rubbish" (Ruderer gegen Müll) und folgte damit seiner Leidenschaft für Sport, Rudern, Flüsse und Wasserstraßen und der Sorge um die Plastikkrise.

Aus Liebe zu Tieren wurde Dan Tipeny vegan und gründete darüber hinaus ein Unternehmen mit, das Schulungen und Unterstützung für Veterinärteams anbietet. Zu den Schwerpunkten gehören Themen wie Kommunikation, Team-Wohlbefinden und Organisationskultur, bei denen Dan Tipney seine Erfahrungen als Sportler, Sporttrainer und als Ausbilder für Flugzeugbesatzungen kombiniert.

Privat
Dan Tipney - der zuvor als Pilot gearbeitet hatPrivat

"Ich bin mir nicht sicher, an welchem Punkt genau ich anfing, mich mit der Thematik der Emissionen aus dem Flugverkehr und dem Klima zu beschäftigen, aber ich weiß, dass dies größtenteils durch eine Verschiebung der metaphorischen Linse geschah, durch die ich die Welt betrachtete.

"Als die Barrieren der Dissonanz gesenkt wurden, war ich schockiert, als ich das Ausmaß untersuchte, in dem eine Minderheit von Menschen ein kostbares Kohlenstoff-'Budget', das uns zur Verfügung steht, durch den Genuss von kohlenstofflastigem Luxus wie Langstreckenreisen verbraucht."

Dan beschloss daraufhin, sich auf die Entwicklung einer Karriere zu konzentrieren, die mehr im Einklang mit seinen ethischen Grundsätzen steht, vor allem, wenn es um seine Kinder geht.

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Er hat auch an lokalen Treffen von "Extinction Rebellion" teilgenommen und ist Mitglied von Safe Landing.

Obwohl sein Traum, Pilot zu werden, einer langen Familientradition in der Luftfahrt folgte - sein Vater, sein Stiefvater und sein Großvater waren alle professionelle Piloten - war es Dan Tipneys Entscheidung, aus der Branche auszusteigen, und er hat nicht die Absicht, jemals wieder zu fliegen.

"Natürlich wird ein anderer Pilot meinen Platz am Steuerknüppel einnehmen und ich mache mir keine Illusionen darüber, dass meine Entscheidung die Emissionen der Luftfahrt direkt reduzieren wird, zumindest kurzfristig. Ich denke jedoch, dass es wichtig ist, dass wir in einer Weise handeln, die mit unseren Werten übereinstimmt", erklärt Dan Tipney.

"Ich glaube auch an das Prinzip - 'Sei die Veränderung, die du sehen willst'".

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