Kann der Vulkan auf La Palma das globale Klima beeinflussen?

Die Schwefelwolke des Cumbre Vieja mit Kurs auf Zentraleuropa.
Die Schwefelwolke des Cumbre Vieja mit Kurs auf Zentraleuropa. Copyright Windy
Von Rafael Cereceda
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Der Vulkan auf La Palma stößt Schwefeldioxid (SO2) aus. Das wiederum hat einen kühlenden Effekt auf die Atmosphäre. Reicht der Ausstoß, um unseren Winter kühler zu machen?

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Seit dem Ausbruch des Vulkans auf der Kanaren-Insel La Palma ist viel über Schwefeldioxidemissionen geschrieben und gesprochen worden. Vielleicht zu viel. Das Gas, das in eine Höhe von etwa 5.000 Metern aufgestiegen ist, stellt trotz einiger alarmierender Schlagzeilen keine gesundheitliche Gefahr dar. Es sei denn, man befindet sich in der Nähe des Vulkankraters. Auch saurer Regen sei selten und unwahrscheinlich - und in jedem Fall ungefährlich, so die Experten der staatlichen spanischen meteorologischen Agentur.

Gesundheitsgefährdend ist die verdampfende Salzsäure, die beim Kontakt der Lava mit dem Meer entsteht. Doch auch diese Dämpfe sind nur in der Nähe des Ortes schädlich, an dem die Lava die Verdampfung von Wasser und die chemische Reaktion auslöst.

Allerdings hat Schwefeldioxid (SO2) hat eine etwas weniger bekannte Wirkung: Es kühlt die Atmosphäre ab. Und in sozialen Medien kann man lesen, wenn der Vulkan weiterhin SO2 ausstößt, wird der Winter "kalt". Ist das wahr?

Wenn Vulkane große Mengen an Schwefeldioxid freisetzen, kann ein Teil des Gases in die Stratosphäre gelangen. Wenn es sich dort mit Wasser vermischt, oxidiert es und erzeugt Schwefelsäureaerosole, Wolken aus kleinen Partikeln, die das Sonnenlicht reflektieren und die Atmosphäre abkühlen. Darüber hinaus können diese Aerosole jahrelang in der Stratosphäre verbleiben und in verschiedenen Teilen der Erde diese kühlende Wirkung hervorrufen.

Dominio Público / USGS
Bei Vulkanausbrüchen gibt es unterschiedliche Wechselwirkungen von Gasemissionen.Dominio Público / USGS

Schwefeldioxid - Ein Verbündeter im Kampf gegen globale Erwärmung?

Wenn es so einfach wäre... Einige Wissenschaftler haben ausgeklügelte Vorschläge ausgearbeitet, um Gase in die Atmosphäre zu leiten, und diese so abzukühlen. Der Großteil der Forscher ist aber eher skeptisch, was den Einsatz chemischer Mittel zur Veränderung der Zusammensetzung unserer empfindlichen Atmosphäre angeht.

Die kühlende Wirkung von Schwefeldioxid ist erwiesen.

Der am besten dokumentierte Fall ist der Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991, denn die Wissenschaft verfügte bereits über Satelliten und hoch entwickelte Messinstrumente. Es wird geschätzt, dass der Vulkan zwischen 15 und 20 Millionen Tonnen SO2 ausstieß und die Durchschnittstemperatur der Erde für etwa 15 Monate um 0,6°C abkühlte.

Allerdings trägt SO2 in der Stratosphäre auch zur Zerstörung der Ozonschicht bei, und Vulkane stoßen auch Kohlendioxid, das gefährlichste Treibhausgas, sowie Wasserdampf aus, der ebenfalls für einen Großteil der globalen Erwärmung verantwortlich ist.

Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass die durch Vulkane verursachte Abkühlung durch all diese anderen Auswirkungen der globalen Erwärmung ausgeglichen wird.

Wird der Vulkan auf La Palma das Erdklima abkühlen?

Die Chancen sind gering. Das kanarische vulkanologische Institut Involcán ist sich sicher, dass die Fälle "nicht vergleichbar" sind. Nach ihren Einschätzung setzt der Vulkan Cumbre Vieja etwa 20.000 Tonnen SO2 pro Tag in die Atmosphäre frei (sehr ungefähre Zahlen). Unter dieser Annahme wären in einer Woche Ausbruch insgesamt 160.000 Tonnen ausgestoßen worden- weit entfernt von den 15 bis 20 Millionen Tonnen SO2, die der Vulkan Pinatubo in die Stratosphäre freisetzte.

Auch die Stärke der Eruption ist nicht vergleichbar. Der Pinatubo war so stark, dass er buchstäblich Schwefeldioxid in die Stratosphäre "injizierte".

Tom Guevarra/AP
Der Ausbruch des Pinatubo auf der philippinischen Insel Luzon im Jahr 1991 war so heftig, dass er das globale Klima veränderte.Tom Guevarra/AP

Das SO2 des Vulkans von La Palma "wandert" in den mittleren Schichten der Atmosphäre, in einer Höhe von 5.000 bis 10.000 Metern, und ist nicht in die Stratosphäre gelangt, wo es die Sonneneinstrahlung blockieren und das Klima verändern könnte, weder auf globaler noch auf regionaler Ebene.

Aus demselben Grund stellt SO2 aus dem Vulkan auf La Palma nur für die Menschen in der Nähe des Kraters ein Gesundheitsrisiko dar, so Mark Parrington vom europäischen Copernicus Atmospheric Monitoring Service. "Die Anhäufungen, die wir gesehen haben, sind nicht genug. Außerdem muss sich das S02 in der Stratosphäre befinden, damit dieser Kühlungseffekt eintritt, und in diesem Fall ist er niedriger. Parrington geht davon aus, dass der Kühleffekt in diesem Fall gering ist.

"Es wird eine gewisse Aerosolbelastung in der Atmosphäre geben, aber nicht viel mehr als die natürliche Aerosolbelastung. Denken Sie daran, dass die Bilder der Schwefeldioxidmessungen die gesamte Gasfahne darstellen, und obwohl sie sehr beeindruckend aussehen, haben sie keine besonderen Auswirkungen auf die Gesundheit oder die Natur.

Mar Gomez, promovierter Physiker und Meteorologe bei ElTiempo.es, war überrascht, dass einige diese Möglichkeit erwähnt haben. "Es gibt keinen Kühleffekt, die Gase erreichen nicht die Stratosphäre. Die Säule reicht laut IGN bis zu 7.000 Meter hoch, und es wäre eine enorme Menge nötig, um die globale Temperatur zu beeinflussen".

Alle befragten Wissenschaftler sind sich einig, dass das von La Palma ausgehende SO2 keine Auswirkungen auf die Meteorologie haben wird und weder zu mehr Niederschlägen noch zu Trockenheit führen wird.

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"Schwefeldioxid-Aerosole kühlen tendenziell etwas ab, aber man darf nicht vergessen, dass die Nettostrahlung von Vulkanen positiv ist", erklärt David Suárez von der staatlichen spanischen Wetterbehörde AEMET. "Der Vulkan von La Palma erzeugt nicht genug Emissionen, um das globale Klima abzukühlen, nicht einmal das lokale Klima. Er wird auch keinen sauren Regen verursachen, der sich auf die Umwelt auswirkt, denn saurer Regen ist ein langwieriger Prozess, bis er schädlich wird; er wird im Allgemeinen in Jahresdurchschnitten gemessen", sagt er. "Er tritt zum Beispiel typischerweise in der Nähe von Ölraffinerien auf.

Suárez erklärte, dass SO2 unter bestimmten Bedingungen die Wolkenbildung begünstigen kann, aber in diesem Fall befinden sich die Emissionen nicht in einer ausreichenden Höhe.

Die Chemie der Atmosphäre ist komplex, was nicht bedeutet, dass sie keine Auswirkungen hat, von denen einige relativ schädlich sind, aber es ist weit davon entfernt zu sagen, dass Schwefeldioxid das Wetter in diesem Winter beeinflussen wird, indem es kälter wird.

So spektakulär die Emissionen des Vulkans für uns auch sind, so sollte man doch bedenken, dass durch menschliche Aktivitäten und die Verbrennung fossiler Brennstoffe ständig viel mehr SO2 in die Atmosphäre gelangt. Ähnlich verhält es sich mit den CO2-Emissionen von Vulkanen: Experten des US Geological Survey USGS schätzen, dass es 700 Ausbrüche des Pinatubo gebraucht hätte, um die Emissionen durch menschliche Aktivitäten im Jahr 2010 zu erreichen.

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