Koskys "Orphée aux enfers": stimmliches und visuelles Feuerwerk in Salzburg

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Koskys "Orphée aux enfers": stimmliches und visuelles Feuerwerk in Salzburg
Von Andrea BüringSabine Sans
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Die Wiener Philharmoniker unter dem Taktstock von Enrique Mazzola sorgen für Tempo bei der Neuinszenierung des "Operettenkönigs".

Zum 200. Geburtstag von Jacques Offenbach bringen die Salzburger Festspiele die populärste Operette des Komponisten auf die Bühne: "Orphée aux enfers" (Orpheus in der Unterwelt). Die Parodie auf den Orpheus-Mythos in einer Neuinszenierung von Barry Kosky stellt Gattin Eurydike in den Mittelpunkt.

Der deutsch-australische Regisseur ist seit 2012 Intendant der Komischen Oper Berlin. Aufgrund seiner erfolgreichen Produktionen hat er sich dort den Spitznamen "Operettenkönig" verdient.

Offenbach, der Begründer der modernen Operette, wurde 1819 als Jakob Offenbach in Köln geboren. Um den Kindern eine bessere Musikausbildung zu bieten, zog die Familie 1833 nach Paris - dort wurde aus Jakob Jacques Offenbach. Er lernte Cello und Kompositionslehre und wurde musikalischer Leiter des Théâtre Français. Erst mit der Eröffnung seiner eigenen kleinen Bühne, dem "Théâtre des Bouffes-Parisiens", wurde er zum Star. "Orphée aux enfers" feierte dort am 21. Oktober 1858 Premiere. Die zweiaktige Operette war so erfolgreich, dass das Ensemble nach 228 Vorstellungen erschöpft pausieren musste.

Freche und gewagte Neuinszenierung

Griechische Mythologie trifft auf Cancan: Das ist Jacques Offenbachs "Orphée aux enfers", eine perfekte Parodie der klassischen Antike. Barrie Kosky zeigt eine freche und gewagte Neuinszenierung der berühmten Operette, die für Furore sorgt - genau wie damals bei der Erstaufführung in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Tolldreiste Mythenparodie

Offenbach erzählt die Geschichte einer frei denkenden und emanzipierten Frau.

Der spanische Tenor Joel Prieto und die Koloratursopranistin Kathryn Lewek aus den USA haben beide ihr Rollendebüt als Orphée (Orpheus) und Eurydice (Eurydike). Beide sind Operalia-Preisträger:

"Diese Operette ist ihrer Zeit weit voraus: Es geht um sexuelle Befreiung, die Heiligkeit der Ehe", erklärt Joel Prieto. "Es ist fast so, als würde man sich darüber lustig machen: Das Ehepaar Eurydike und Orpheus hat sich auseinandergelebt. Sie hassen sich."

Eurydike hat Orpheus, einen Musiklehrer aus Theben gründlich satt. Beide Eheleute pflegen heimliche Liebschaften. Der Liebhaber von Eurydike ist Pluto, der Herr der Unterwelt, der die Geliebte mit einem Todeskuss in sein Reich nehmen will. Anstatt einfach zu sterben, will Eurydike über ihr Schicksal selbst bestimmen - und über ihre Liebhaber:

"Sie verspürt dieses überwältigende Gefühl, befreit zu sein", beschreibt Kathryn Lewek ihre Rolle. "Und gerade wenn man an den Feminismus im Jahr 2019 denkt: Es ist immer noch ein ständiger Kampf, aber 1858 war das natürlich ein völlig neues Konzept."

Schillernde Gesellschaftssatire

Am Pult der Wiener Philharmoniker sorgt Enrique Mazzola für Tempo und Verve bei den Aufführungen. Schauspiel und Musik sind in dieser Produktion eng miteinander verbunden, alles ist sehr temporeich. Selbstbewusst spielt Kathryn Lewek mit perfekt sitzenden Tönen die Diva, die die Männer nach ihrer Pfeife tanzen lässt:

"Die größte Herausforderung war die Raserei auf der Bühne und dabei zu singen, meistens gehe ich keuchend von der Bühne, trinke Wasser und schwitze. Und dann wieder herauszugehen und diese Energie während der gesamten Aufführung aufrechtzuerhalten, ist die größte Herausforderung."

Während auf Französisch gesungen wird, werden die Dialoge auf Deutsch von einem Erzähler gesprochen.

"Musikalisch mag ich das Ende am meisten: Eurydike hat diesen befreienden Moment, in dem sie mit den Tänzern spielt, ein stimmliches und visuelles Feuerwerk", schwärmt Kathryn Lewek. "Und dann kommt noch der Cancan, dieser legendäre Gassenhauer. Es ist einfach großartig, ihn auf der Bühne zu hören in dem Stück aus dem er tatsächlich stammt."

Der "Höllen-Cancan" im zweiten Akt ist das bekannteste Musikstück der Operette. Er wird häufig auch separat aufgeführt.

Göttlicher Klamauk: Lachen ist vorprogrammiert

Mit der schillernden Gesellschaftssatire macht sich Offenbach über die Pariser Gesellschaft lustig, in der die öffentliche Meinung immer den bürgerlichen Schein wahren will. Die feine Gesellschaft wird mittels Göttinnen und Götter dargestellt - aber diese Götter verbringen ihre Zeit damit, zu lügen, zu betrügen, zu jammern und sich auch sonst danebenzubenehmen.

Orpheus frohlockt, als er mitbekommt, dass Eurydikes Liebhaber niemand Geringerer ist als Pluto – und sie mit ihm in die Unterwelt ziehen müsse. Doch seine Hoffnung endlich frei zu sein, dauert nicht lange, denn die personifizierte öffentliche Meinung zwingt ihn, Eurydike in der Unterwelt zu suchen.

"Manchmal denkt man: "Man sollte nicht lachen, aber man lacht doch darüber", meint Joel Prieto. "Es ist diese Art von Komödie, die ein wenig unbequem und dann wieder sehr zärtlich ist. Es ist eine Inszenierung, die einen von Anfang bis zum Ende in den Bann zieht. Das müssen Sie gesehen haben!"

​_"Orphée aux enfers" steht bis zum 30. August auf dem Programm der Salzburger Festspiele._

Mit der freundlichen Unterstützung des Salzburger Arcotel Castellani.

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