Russischer Regisseur Kirill Serebrennikow flieht nach Berlin

Kirill Serebrennikow
Kirill Serebrennikow Copyright Sturm, Katharina/
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Von Katharina Sturm
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Nach mehreren Jahren Bewährungshaft und Hausarrest konnte der russische Regisseur Kirill Serebrennikow vor einem Monat nach Berlin fliehen. Für den Regisseur sind die Russen sowohl Opfer, als auch Akteure von Putins Propaganda.

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Der russische Theater-, Opern- und Filmregisseur Kirill Serebrennikow konnte vor einem Monat aus Moskau nach Berlin fliehen. Zuvor war er in Russland zu drei Jahren Bewährungshaft verurteilt worden und ein Reiseverbot wurde verhängt. Nach zwei Jahren wurde seine Haftstrafe und das Ausreisebverbot aufgehoben.

Es ist eine Art Privileg, die Möglichkeit zu haben, zu gehen.
Kirill Serebrennikow
Regisseur

Der 52-jährige Serebrennikow wurde 2020 der Veruntreuung von Geldern für das Moskauer Gogol-Theater für schuldig befunden. Seine Unterstützer sagen, die Verurteilung sei Rache für seine Kritik an dem authoritären System und Homophobie. Ihm wurde mitgeteilt, dass er nach Verbüßung der Hälfte seiner Strafe ausreisen könne.

Für Serebrennikow, den russischen Sohn eines jüdischen Vaters und einer ukrainischen Mutter, sind die Russen sowohl Opfer als auch Akteure von Putins Propaganda. Russen seien wirklich friedlich; sie würden keinen Krieg beginnen wollen, sagt Serebrennikow. Gleichzeitig schockt es ihn, dass er immer häufiger liest, dass es viele Russinnen und Russen gibt, die "diese schreckliche Spaltung und dieses schreckliche Töten" unterstützen, so der Regisseur.

Ich fürchte, es ist das Ergebnis von vielen Jahren schrecklicher Propaganda.
Kirill Serebrennikow
Regisseur

Wegen des Reiseverbots konnte er die Filmfestspiele von Cannes 2017 und 2021, als er nominiert war, nicht besuchen. Er weiß, dass nicht jeder in Russland das Glück hat zu fliehen. Serebrennikow sagt, dass es für die meisten Künstler "natürlich nicht einfach" sei, Russland zu verlassen, "weil sie kein Geld, kein Visum und keine Papiere haben." Es sei eine Art Privileg, die Möglichkeit zu haben zu gehen und in ganz Europa arbeiten zu können.

"Stellen Sie sich vor, wenn Sie morgen oder übermorgen etwas sagen, kommt sofort die Polizei und verhaftet Sie, und was machen Sie dann?", fragte er. "Die Leute haben ihre Familien, die Leute haben ihr Geschäft, ihre Arbeit, sie müssen Geld für ihren Lebensunterhalt verdienen." Es gebe "sehr mutige Leute, sehr mutige Künstler, die trotz der Angst, trotz all dieser Fälle und Einschränkungen und trotz des kriminellen Drucks versuchen, sich zu wehren", sagte er. Serebrennikow sagte, dass er Gewalt verabscheue, es aber problematisch sei, Druck auf russische Künstler auszuüben, damit sie den Krieg anprangern oder von internationalen Auftritten ausgeschlossen werden.

Der Regisseur verstehe die Forderungen ukrainischer Filmemacher, russische Filme von internationalen Festivals zu verbannen, aber ein "Kulturboykott" sei keine Lösung.

In den vergangenen fünf Jahren sind seine Filme ohne ihn auf Reisen gegangen. Da er unter Hausarrest stand und des Betrugs beschuldigt wurde, konnte er weder 2017 mit seinem Film "Leto" noch letztes Jahr mit "Petrov's Flu" an den Filmfestspielen von Cannes teilnehmen.

Vianney Le Caer/2018 Invision
Die Schauspielerin Irina Starshenbaum (Mitte) hält ein Schild mit dem Namen des gebannten Regisseurs Kirill SerebrennikovVianney Le Caer/2018 Invision

Mit seinem neuen Film "Tchaikovsky's Wife" über die stürmische Beziehung zwischen dem Komponisten des 19. Jahrhunderts und seiner Gattin wird er dieses Jahr im Mai erneut um die begehrte Goldene Palme konkurrieren - dieses Mal vor Ort. Außerdem arbeitet er an einer Opernproduktion in Amsterdam und wird auf dem renommierten Theaterfestival von Avignon in Südfrankreich ein Stück präsentieren.

Serebrennikow sagte, er wisse nicht, wann er sein Heimatland oder seinen fast 90-jährigen Vater, der in Rostow am Don nahe der ukrainischen Grenze lebt, wiedersehen werde.

Er sagte, er fühle sich nicht im Exil, sondern habe ein neues Kapitel in seinem Leben begonnen.

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