Feuer und Flamme: Wie bereitet sich Tenor Rolando Villazón auf sein Wagner-Debüt im "Rheingold" vor?

Mit Unterstützung von
Feuer und Flamme: Wie bereitet sich Tenor Rolando Villazón auf sein Wagner-Debüt im "Rheingold" vor?
Copyright euronews
Von Andrea BüringSabine Sans
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Eine neue Rolle, eine neue Herausforderung. Mit einer Figur verschmelzen, eine neue Partie lernen: Der französisch-mexikanische Tenor singt erstmals auf der Bühne ein Werk des deutschen Komponisten.

Wie bereiten sich Opernsängerinnen und -sänger auf ein Rollendebüt vor? Der mexikanisch-französische Tenor Rolando Villazón lässt musica hinter die Kulisse schauen: Er singt zum ersten Mal auf der Bühne Wagner als charismatischer Feuergott Loge im "Rheingold" an der Staatsoper Berlin.

Mit einer Figur verschmelzen, eine neue Partie lernen. Ein Prozess, der Hingabe und harte Arbeit bedeutet - aber auch Spaß. Rolando Villazón ist Feuer und Flamme. Erstmals wird er auf der Bühne Wagner singen: "Ich liebe Figuren, die eine Entwicklung durchmachen, die verschiedene Gesichter zeigen und verschiedene Haltungen haben. Man beginnt zu spüren, was es bedeutet, einer Rolle Leben einzuhauchen", schwärmt er, als das Euronews-Team ihn und Hund Chiquita in seiner Wohnung in Paris besucht.

Zu diesem Zeitpunkt liegen vor Villazón noch Monate der Vorbereitung vor dem Wagner-Debüt im "Rheingold". "Wenn man in eine neue Rolle schlüpft, gibt es unterschiedliche Stationen. Am Anfang ist alles neu. Deine Stimme kann die Rolle noch nicht. Du hast sie noch nicht verinnerlicht. Du entdeckst alles neu.”

Eher bekannt für das lyrische Repertoire, taucht der Tenor nun tief in die germanische Mythenwelt ein, um die Rolle des zwielichtigen "Loge" zu singen: der Gott des Feuers.

Der Ring - enormer Aufwand für ein Opernhaus

Ende August kommen der Regisseur, die Sängerinnen und Sänger in der Berliner Staatsoper zur ersten Bühnenklavierprobe zusammen - etwa sechs Wochen vor der Premiere. Eine wichtige Etappe, der Orchestergraben ist noch leer. Vorerst ersetzt ein Klavier alle Musiker.

"Es kommt nicht darauf an, alle Noten zu spielen, die hier stehen, sondern man deutet das meiste an", erklärt Pianist und Repetitor Elias Corrinth. "Den Sängern hilft es ja auch nicht, wenn man alle kleinen Noten spielt, sondern bei mir ist ja das Wichtigste, dass ich den Sängern helfe."

Rolando Villazón meint: "Wenn die Bühnenproben losgehen, sollte man sich mit seiner Rolle, der Darstellung seiner Figur und den Bühnenanweisungen langsam sicher genug fühlen, damit man sich auf die Musik konzentrieren und seiner Figur Leben einhauchen kann."

"Das Rheingold" ist der Vorabend des Opernzyklus "Der Ring des Nibelungen" - alles in allem 15 Stunden Musik, gedacht als vier Opern an aufeinanderfolgenden Abenden. Ein enormer Aufwand für ein Opernhaus.

Mit der Ring-Tetralogie hat die Staatsoper Unter den Linden die Spielzeit 2022/23 eröffnet. Alle vier Abende feierten innerhalb von nur einer Woche Premiere. Nach zwei weiteren Aufführungsserien im Herbst 2022 wird die Tetralogie dann nochmals zu den "Festtagen 2023" gezeigt. 

Der Ring des Nibelungen

Richard Wagners Ring-Zyklus ist viel mehr als der berühmte "Walkürenritt", der oft in Filmen und im Fernsehen verwendet wird. 1848 begann der deutsche Komponist, das Libretto für eine Oper zu schreiben, die später zur "Götterdämmerung" werden sollte. Dann hatte er eine noch nie dagewesene Idee: Er wollte einen Opernzyklus schreiben, der an vier aufeinanderfolgenden Abenden spielt und etwa fünfzehn Stunden dauert.

So entstand "Der Ring des Nibelungen". Er besteht aus vier Opern: "Das Rheingold", "Die Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung". Das Werk ist von germanischen Sagen und alten Traditionen inspiriert. Wagner begann 1853 mit der Komposition von "Das Rheingold", aber erst mehr als 20 Jahre später vollendete er "Die Götterdämmerung" (1874). Die erste vollständige Aufführung des Rings fand 1876 in Bayreuth statt.

Das Bayreuther Theater, das Festspielhaus auf dem "grünen Hügel", wurde auf Wagners Wunsch hin ausschließlich für die Aufführung seiner Opern gebaut. Dieses Projekt wäre ohne die Unterstützung von König Ludwig II. von Bayern, der Wagners Musik verehrte, niemals möglich gewesen.

Eintauchen in den Mythos

"Das Rheingold" ist eine Oper über Macht und Betrug: Ein Zwerg, der Nixen verführen will, ein Helm, der unsichtbar macht, und natürlich besagter Ring, mit dem man die Welt regieren kann. 

"Richard Wagner hat gesagt, 'Das Rheingold' ist der Ursprung", erklärt die stellvertretende Direktorin des Deutschen Historischen MuseumsUlrike Kretzschmar."Es fängt ja auch mit dem 'Rheingold' an: mit dem Mythos, das Rheingold ist im Rhein versenkt. Das ist wirklich der Baustein, die Basis, um die ganzen Stücke zu verstehen, was dann zur Götterdämmerung führt, zum Untergang der Götter und dem Neuanfang mit den Menschen, mit den Bürgern."

Herausforderungen der Rolle

Zwischen all den Naturwesen und Göttern spinnt Loge ein Netz aus Intrigen. Eine Rolle, die der Tenor schon immer singen wollte. "Er ist ein Hochstapler. In uns allen schlummert ein kleiner Betrüger. Er ist eine sehr schwierige Figur und es macht Spaß, sie zu spielen, denn Loge hat so viele Facetten", meint er fasziniert.

Um sie zu bewältigen, nahm der fließend Deutsch sprechende Villazón auch zwei Wochen lang einen Aussprache-Coach. Doch selbst für Muttersprachler hat Wagner so einige Zungenbrecher zu bieten:

"Das sind diese vielen, sich wiederholenden und doch immer anders lautenden Sätze 'Weia! Waga! Woge, du Welle' mit Alliterationen oder Stabreimen und so weiter", weiß Tenor Stephan Rügamer, der den "Mime" spielt. "Man kann sich das zwar erst mal gut merken, aber wenn dann die nächste Phrase kommt und es wieder so ähnlich ist, dann ist es wieder weg. Der häufigste Fehler bei Wagner sind eigentlich Textfehler habe ich das Gefühl.

"Schluss mit dem Grübeln, dem Hinterfragen, dem Analysieren: Lass das Feuer brennen!"
Rolando Villazón

Kostüm: wie eine zweite Haut

In der Produktion der Berliner Staatsoper erstreckt sich der komplette Zyklus über die vergangenen 50 Jahre. "Das Rheingold" spielt während der 70er-Jahre. Die russische Kostümbildnerin Elena Zaytseva, die regelmäßig mit Regisseur Dmitri Tcherniakov zusammenarbeitet, erklärt, "die Kostüme sagen eine Menge aus, die Farben, die Schnitte der Kostüme, die Perücken und das Make-up. Dann mussten wir uns Gedanken über das Image der Figuren machen: Es gibt Wissenschaftler und es gibt Gauner."

Für Villazón ist das Kostüm Teil der Rolle: "Es trägt wesentlich dazu bei, dass du dich in die Person verwandelst, die du auf der Bühne sein musst. Die Schuhe zum Beispiel. In bestimmten Schuhen geht man anders."

"Bei der Premiere muss man die Nervosität und dieses Gefühl im Bauch mit einbeziehen: die Schmetterlinge, die Aufregung. Und man muss sich sagen: Jetzt ist der große Moment - was gut ist. Dieses Gefühl muss man als Instrument nutzen, das dich zu einem besseren Darsteller macht", erklärt Villazón - sein Lampenfieber treibt ihn weiter an.

Die Metapher könnte nicht treffender sein: Du musst das innere Feuer nutzen, um selbst das Feuer zu sein.
Rolando Villazón
Tenor

Ausflug ins Museum

Inspiration holt sich Villazón bei einer Ausstellung im Deutschen Historischen Museum: "Richard Wagner und das deutsche Gefühl". Bis heute polarisiert der Komponist wie kaum ein Zweiter.

"Das Universum von Wagner ist mit den germanischen Mythen auf der einen Seite sehr rückwärtsgewandt", erklärt Ulrike Kretzschmar, die stellvertetende Direktorin des Museums. "Aber auf der anderen Seite auch extrem modern. Wie geht man mit Macht um? Wie - wenn man jetzt an den Ring wieder denkt - Wotan, der Machthaber, der die Macht nicht aus der Hand geben kann, aber daran auch zerbricht und eigentlich zum Schluss nur an seinem Vertragsgedanken hängt."

Sie führt den Tenor durch die Ausstellung: "Ich bin so froh, dass ich die Möglichkeit hatte, diese Ausstellung zu sehen. All diese Traditionen und historischen Dokumente - ist das eine Voraussetzung, um in die Rolle zu schlüpfen, könnte man sich fragen. Da würde ich nein sagen. Und dennoch unterstützen alle Informationen den kreativen Prozess", sagt Villazón.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Die Magie der Tenorstimme: Könige des hohen C lüften das Geheimnis

Kühne Konzepte beim Herbert von Karajan Young Conductors Award

Auf der Suche nach dem nächsten Dirigenten-Star: Der Herbert von Karajan Young Conductors Award