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Von Euronews
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Jedes Unternehmen hofft auf Wachstum und Vertrauen. Aber in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist es nicht leicht, diese Hoffnung aufrechtzuerhalten. Und viele Unternehmer laufen Gefahr, zu scheitern. Ihr Unternehmen könnte zusammenbrechen. Es droht die Insolvenz. Sabine Reineke hat das Desaster gerade erlebt:

“Die Enttäuschung ist sicherlich sehr groß, denn nach so vielen Jahren ein Unternehmen schließen zu müssen, wo man selbst nicht Schuld dran hat, ist für mich im Prinzip eigentlich das Schlimmste, was man sich vorstellen kann.”

Ganze Staaten haben dieses Problem: Wie sollte man mit einer Insolvenz umgehen? Welches ist das beste Verfahren, die Interessen aller Betroffenen zu schützen?

In diesem Zeitalter der freien Marktwirtschaft sagen manche, die Schließung von Unternehmen sei unvermeidlich.

Nicht einmal die größten und stärksten Volkswirtschaften sind immun: Seit dem Beginn der globalen Finanzkrise haben in Deutschland jedes Jahr rund 30.000 Unternehmen Insolvenz angemeldet.

Sabine Reinecke hatte ein Bauunternehmen. Im vergangenen Oktober wurde es zahlungsunfähig. Bauprojekte wie diese Sporteinrichtung blieben unvollendet.

Aber der Grund der Insolvenz war nicht ein Mangel an Aufträgen. Alle Auftraggeber waren Behörden, und einige bezahlten ihre Rechnungen nicht rechtzeitig.

Nun sind auch einige Subunternehmen in Schwierigkeiten. Sabine Reinecke sagt:

“Es kann sich sicher manch anderer nicht vorstellen, wenn man hört: insolvent. Was heisst insolvent? Es ist für uns jetzt als Firma … war es ein unwahrscheinlicher Tiefschlag, da das Unternehmen bereits seit neun Jahren besteht, und an vielen Objekten auch zu sehen ist, dass wir dort vernünftige Leistungen erbracht haben. Ich kann es eigentlich auch bis heute nicht verstehen, dass man nach neun Jahren die Firma anmelden musste aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten.”

Sie fügt hinzu, die Gründe der Insolvenz würden ihr noch lange zu schaffen machen. Dabei gehe es nicht nur um sie persönlich; sie denke auch an die Mitarbeiter.

“Für die Arbeitnehmer, die bei uns beschäftigt waren, beziehungsweise bei mir, es handelt sich um zehn Arbeitnehmer, für die war es sicherlich auch ein unwahrscheinlicher Eingriff in ihr eigenes Leben und für ihre Familien, weil sie von heute auf morgen arbeitslos geworden sind. Und für mich persönlich war es sehr hart, denn wir haben drei Kinder.”

Jedes Land hat eigene Insolvenzgesetze. Viele werden derzeit überprüft. Auch die europäischen Regeln aus dem Jahr 2000 stehen auf dem Prüfstand. Sie betreffen insolvente Unternehmen mit Eigentum oder Gläubigern in mehr als einem EU-Land. Das Regelwerk gilt auch für private Insolvenzen. Es sollte die Koordination verbessern.

Doch die Prioritäten in diesem Bereich haben sich offenbar geändert. Manche sagen, die gegenwärtigen Regeln gäben der Liquidierung den Vorzug, doch sollten andere Optionen in Betracht gezogen werden. Das geschehe in zunehmendem Maße, sagte uns Insolvenzverwalter Christian Köhler-Ma in Berlin:

“Manche Länder gehen stärker in die Richtung, die Fortführung von Betrieben zu unterstützen und die Restrukturierung und Rettung von Unternehmen in den Vordergrund zu stellen. Das konnte man zum Beispiel in England in den letzten Jahren beobachten, auch Deutschland macht das in einem hohen Maß. Auch Frankreich hat verschiedene Insolvenzformen eingeführt, die das fördern sollen. Bei anderen Ländern ist das bei weitem noch nicht so weit, und selbst wenn das Gesetz geändert wird, zum Beispiel in Spanien, dann hinkt die Umsetzung manchmal noch lange hinterher.”

Fachleute sagen, diese Neuausrichtung sei in der Writschaftskrise noch wichtiger, da Sparmaßnahmen Unternehmen in Mitleidenschaft zögen. Und die betroffenen Menschen würden oft vergessen.

Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: Jedes Jahr gehen in der EU 220.000 Unternehmen in die Insolvenz, und schätzungsweise anderthalb Millionen Arbeitsplätze gehen durch Insolvenzen verloren.

Luxemburg ist eines der vielen Länder, in denen Unternehmen über die Landesgrenzen hinweg tätig sind. Veränderungen des EU-Regelwerks würden sich hier stark auswirken. Es ist ein reiches Land, aber 2010 gingen 500 Unternehmen mit Angestellen (keine Briefkastenfirmen) pleite.

Manche Gewerkschafter sagen, wenn die Geschäftswelt Europas globalisiert wird, sollten auch die Vorschriften zum Schutz entlassener Mitarbeiter harmonisiert werden. Dazu Viviane Jeblick vom größten Gewerkschaftsbund Luxemburgs (OGBL):

“Wir müssen diesen Menschen viel mehr helfen, sie mehr begleiten und unterstützen bei ihren weiteren Schritten. Unternehmen dürfen sie nicht alleine lassen und sagen: Wir haben ein reines Gewissen, denn die Entlassenen erhalten ja Arbeitslosengeld. Das ist nicht genug. Der menschliche Aspekt wird dabei oft vergessen. Wir brauchen Systeme, die Schwierigkeiten voraussehen, damit wir handeln können, bevor es zur Insolvenz kommt.”

Das versuchen verschiedene Programme und Projekte in Europa.

Die gegenwärtigen europäischen Regeln sind auf die Koordinierung, nicht die Harmonisierung der nationalen Gesetze ausgerichtet. Ist ein gemeinsamer Ansatz möglich? Gilles Cuniberti, Professor für internationales Privatrecht an der Universität von Luxemburg, äußert Zweifel:

“Die Harmonisierung der Verfahren zur Rettung gefährdeter Unternehmen ist sehr komplex. Viele Gebiete der Gesetzgebung sind betroffen. Deshalb ist damit frühestens in zwanzig Jahren zu rechnen, nicht kurzfristig, das wäre unrealistisch. In bestimmten Teilgebieten wäre eine weitere Harmonisierung denkbar, vielleicht beim Schutz der Arbeiter. Doch andererseits … die Funktionsweise der Verfahren und der Umgang mit Gläubigern, das sind wohl nicht die Bereiche, die harmonisiert werden können, nicht einmal mittelfristig.”

Derzeit besteht kein Zweifel, dass sich die Einstellung gegenüber Unternehmenspleiten ändert. Politiker bemühen sich, die Gesetze entsprechend zu ändern. Doch das ist ein schwieriger Balanceakt – zwischen der Förderung von Unternehmergeist und Risikofreude einerseits, und dem Schutz der Mitarbeiter, Gläubiger und Kunden auf der anderen Seite.

Experten sagen, gefährdete Unternehmen sollten schnellstens Hilfe suchen, um jede Chance zu nutzen, wieder in die schwarzen Zahlen zu gelangen.

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