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Von Euronews
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Was ist aus dem Projekt “europäische Datenschutzgesetze” geworden? Das versuchten wir unter anderem in Kopenhagen herauszufinden.

Vor einem Jahr ging der Plan in die Öffentlichkeit. Die liefert sich immer noch intensive Debatten.

Mit Beiträgen von Experten in Zypern, Insidern der laufenden Verhandlungen.

Seamus Kearney, euronews:
“Ein Jahr ist es her, dass die EU-Kommission einen Plan zur Reform der europäischen Datenschutzgesetze veröffentlicht hat – und die Debatte ist immer noch heiß. Eine Einigung wird nicht leicht sein. Eines der wichtigsten Ziele: Die Menschen sollen ihre privaten Daten im Web besser kontrollieren können. Auch will man andere wachsende Probleme angehen, etwa den Identitätsdiebstahl.”

Mancher Internetnutzer kennt die Gefahren wohl – hält das Netz aber für alternativlos.

“Klar ist es möglich, dass jemand Ihr Konto hackt, oder Ihre Informationen nach draußen gelangen. Aber die Möglichkeiten sind auch nicht zu verachten. Vieles wird leichter, zum Beispiel Internet-Banking und all das, das ist einfach fantastisch.”

Und das scheint das wichtigste Dilemma: Wie kann man die Daten der Privatshäre schützen, ohne neue Technologien und Dienstleistungen zu bremsen, die sehr nützlich sein können.

Die unterschiedlichen Meinungen von Passanten in Kopenhagen sind typisch für die aktuelle Debatte überall in Europa.

Kein Wunder – der datenschutzrechtliche Reformplan gilt als eines der schwierigsten Projekte, die europäische Politiker jemals angepackt haben.

Junger Mann: “… das kommt vielleicht schon zu spät. Von mir sind schon so viele Informationen da draußen, über Bankkonto und Kreditkarte. Und was ich bei Google anklicke.”

euronews: “Und Sie fürchten, dass jemand die nutzen könnte, oder gegen Sie verwenden?”

Junger Mann: “Da mach ich mir keinen Kopf.”

Junge Frau: “Das gehört zum Internet, und wer Angst um sein Informationen habt, der meldet sich einfach nicht an bei Facebook. Jeder hat die Wahl.”

Junger Mann: “Übel ist ja nur, wenn man sich vornimmt, diesmal lese die Geschäftsbedingungen durch. Und dann geht das über 100 Seiten. Das kann doch keiner alles lesen. Also: Ok, Kreuz in das Kästchen. Wissen Sie, die Regeln könnten wirklich klarer sein.”

Darauf zielt die Reform auch: Die Betreiber der Websites sollen den Menschen fundiertere Entscheidungen über ihre Privatsphäre ermöglichen, unter Androhung hoher Geldstrafen bei Verstößen. Und um das Recht auf Vergessenwerden, Daten zu löschen.

Bis es so weit ist, nehmen einige ihren Schutz selbst in die Hand. Wir haben eine Interessengruppe für Nutzerrechte getroffen, die kostenlose Privatsphären-Software tausendfach verteilt hat. Sie macht sich nicht nur Gedanken, wie Unternehmen unsere Daten ausforschen, sondern auch der Staat.

Niels Elgaard Larsen, IT-Political Association of Denmark:

“Dies ist ein Beispiel für unsere politischen Projekte. Sie sollen den anonymen Zugriff auf das Internet sichern. Zum Beispiel durch Lösungen wie Plugins für Browser, Anwendungen für Mobiltelefone und so weiter, wodurch Menschen ihre Privatsphäre aktiv sichern können. Wir haben den Eindruck, es ist besser, die Bürger übernehmen selbst die Kontrolle, anstatt das anderen zu überlassen.”

Dänemark habe bereits gute Datenschutz-Gesetze, sagt der Verein. Die Anwendung sei eine ganz andere Sache. Entscheidend sei die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Gefahren und Schlupflöcher.

Selbst in den Familien gehen die Meinungen auseinander. “Ist das etwas, was Sie als Familie umtreibt?” fragte euronews eine Mutter mit zwei Teenagern.

Die Tochter: “Nööööö.”

Die Mutter: “Ich habe manchmal Angst, weil ich nicht immer alles weiß, was sie schreibt auf Facebook. Sie hat einen Facebook-Account.”

euronews zum Mädchen: “Du machst dir keine Sorgen, aber deine Mutter?”

Das Mädchen: “Ja.”

Die Mutter: “Ein bisschen. Ich vertraue ihr, aber ich versuche, dann und wann mit ihr darüber zu sprechen, wenn in den Nachrichten kommt, dass wieder etwas passiert ist.”

In einer Zeit, in der das Leben mehr und mehr im Web stattfindet, wachsen die Sorgen über den “Big Brother”- Effekt. Haben wir die langfristigen Folgen wirklich im Griff? Politiker sind gefordert, praktische Lösungen zu finden, die realistisch und durchsetzbar sind.

euronews: “Manche meinen, dass es Sache des Einzelnen ist, sich zu schützen. Dass wir nicht auf Vorschriften oder Gesetze der Regierungen warten sollten. Dass wir einfach vorsichtiger sein sollten, wirklich vorsichtig, wenn wir das Internet nutzen.”

Junger Mann: “Einspruch. Das ist unmöglich. Man kann sich nicht selbst schützen. Ich meine, wenn irgendwelche Leute oder Firmen Informationen missbrauchen wollen, dann kommen sie da auch ran. Es ist es unmöglich, sich komplett auf eigene Faust zu schützen.”

Seamus Kearney, euronews:

“Ein komplexes Reformpaket wurde im Januar letzten Jahres in Gang gesetzt, aber es bleibt noch einiges zu tun. Es gab öffentliche Debatten und Beratungen, und jetzt wird es von mehreren europäischen Parlaments-Ausschüssen geprüft. Dann wird abgestimmt, aber nicht nur unter den Europa-Abgeordneten, auch die Staats- und Regierungschefs müssen ihr “ok” geben. Das alles soll vor den nächsten Europawahlen im Jahr 2014 passieren.”

Zypern, bis vor kurzem mit der EU-Ratspräsidentschaft befasst, führte die Debatte. Während immer noch versucht wurde, einen Konsens in wichtigen Aspekten der Reform zu finden.

Auch ein sogenanntes “Privacy Forum” wurde organisiert, mit Hilfe der Universität von Zypern, wo die Studenten neue Smartphone- und
Positionsbestimmungs-Technologien erforschen. Sie scheinen sich der Probleme sehr bewusst.

Nikolas Loulloudes, Student, Universität von Zypern:

“Der Schutz der Privatsphäre steht für uns auch in Zukunft ganz oben – als Forscher und als Individuen, die diese Technologien weiterentwickeln.”

Georgios Larkou, Student, Universität von Zypern:

“In der Welt der Smartphones wäre die Privatsphäre sofort kein Thema mehr, wenn man Mobiltelefone und andere Geräte abschaltet. Das wünschen wir uns natürlich nicht.”

Die Studenten wollen den Schutz der Privatsphäre früh in die Entwicklung neuer Technologien integrieren. Aber diese guten Absichten auch durchzuhalten, bis die Produkte auf dem Markt sind, ist eine andere Baustelle.

Und der Gesetzgeber muss die Nuss knacken, dass seine neuen Vorschriften nicht gleich wieder von der Technik überholt werden.

Prof. Marios Dikaiakos, Leiter der IT-Wissenschaften, Universität Zypern:

“Die eine Lösung gibt es nicht, weil sich der Sektor ständig weiterentwickelt. Es ist sehr schwer vorherzusagen, was auf uns zukommt in den nächsten zwei, drei oder fünf Jahren. Sehr wichtig ist, dass die Regulierungsbehörden möglichst eng zusammenarbeiten mit Forschung und Lehre, aber auch mit Unternehmen, die diese Dienste vermarkten.”

Das neue Gesetz könnte sie eine Menge kosten, fürchten Unternehmen. Aber da hat Brüssel Flexibilität signalisiert.

Daten-Beauftragter Constantinos Georgiades, Büro des Kommissars für Datenschutz, Zypern:

“Auf europäischer und nationaler Ebene war das eines der wichtigsten Themen: die Frage der Verwaltungskosten, die kleine und mittlere Unternehmen nach dem Verordnungsvorschlag zu tragen hätten. 99 Prozent der Unternehmen in Europa und Zypern sind kleine und mittlere Unternehmen.”

Die Debatte ist nicht zuende, die großen Internet-Namen machen weiter Schlagzeilen mit dem Datenschutz. Noch ungeklärt: Was gilt, wenn der Datenverkehr über Ländergrenzen geht.

Für manche mag der Kampf schon verloren sein. Andere bleiben optimistisch, dass ein sicheres Internet immer noch möglich ist.

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