Hau mich nicht übers Ohr

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Von Euronews
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Sie dachten, Ihr neuer Spiegel würde so aussehen, als sie ihn im Internet kauften? Aber Sie haben im Kaufvertrag das kleingedruckte nicht gelesen. Da wurde die wirkliche Größe angegeben.

Sie sind als “unlautere Geschäftspraktiken” bekannt. Manche sind klar erkennbar – wie die Wunderheilmittel. Andere sind verborgen – in Darlehensangeboten und in “Zu-gut-um wahr-zu-sein”-Werbung. Wir sind nach Italien gefahren, um herauszufinden, wie man die Fallen erkennen kann, und wie man sich zur Wehr setzt.

Giorgio Nobili berichtet, was ihm widerfahren ist: “Als ich den Computer gekauft habe, hat mir niemand gesagt, dass es in Europa eine zweijährige kostenlose Gewährleistung gibt. Im Laden haben sie gesagt, es gebe eine einjährige Garantie.”

900.000 Euro Geldstrafe für unfaire Geschäftspraktiken – und für keinen geringeren als Apple. Der Fall ereignete sich Ende 2011 in Italien. Doch der Streit ist nicht beigelegt, denn das Unternehmen hat im übrigen Europa seine Praktiken nicht geändert.

Apple hatte seine Kunden unzureichend informiert über seine erweiterte AppleCare-Garantie. Die gesetzlich festgelegte zweijährige Garantie wurde nicht erwähnt. Auf diese Weise wurden Kunden dazu gedrängt, den “AppleCare protection plan” zu kaufen, der sich mit der kostenlosen Garantie überschneidet, die das Verbaucherrecht vorschreibt. Giorgio Nobili ist einer der Kunden, die in die Falle gingen:

“Ich bin in einen Apple-Laden gegangen und habe mir die Produkte angesehen,” sagt Nobili. “Dann habe ich zwei gekauft: einen Laptop und einen Desktop-Computer. Der Verkäufer hat mir gesagt, für beide werde eine einjährige Garantie gewährt. Aber wenn ich den AppleCare-Plan kaufen würde, für 400 Euro, dann wäre die Garantie drei Jahre gültig.”

Er kaufte die Computer im November 2011, – einen Monat, bevor das Unternehmen zum ersten Mal bestraft wurde. Er beschloss, Apple zu verklagen, und nun wartet er auf das Urteil und hofft auf eine Rückerstattung.

“Da ich es mit einem großen Unternehmen zu tun hatte, war ich davon überzeugt, dass ich korrekt informiert wurde. Und so habe ich damals unterschrieben und viel mehr bezahlt, als nötig gewesen wäre. Aber jetzt fühle mich übers Ohr gehauen, betrogen.”

Verbraucherverbände spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen unfaire Handelspraktiken. Bei ihnen gehen die Beschwerden ein, und die leiten sie an die italienische Wettbewerbsbehörde weiter. Der Fall Apple wurde in Italien auch dank der Hartnäckigkeit von Altroconsumo gelöst, sagt Mitarbeiter Marco Pierani:

“Apple musste die Informationen auf seiner Webseite ändern. Dort war die zweijährige kostenlose Garantie nicht erwähnt worden. Und auch die Richtlinien für die Apple-Händler mussten geändert werden.”

Die Europäische Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken unterscheidet zwischen aggressiven und irreführenden Praktiken. Durch letztere wird der Kunde dazu veranlasst, Entscheidungen zu treffen, die er sonst nicht getroffen hätte, – beispielsweise durch irreführende Werbung.

Ein Werbespot zeigt, wie man Kunden in die Irre führt. Er lief auf mehreren italienischen Fernsehsendern von Februar 2010 bis Juni 2012. Die italienische Behörde verhängte gegen den Konzern Danone eine Strafe von 170.000 Euro. Den Grund nennt Roberto La Pira, Leiter des Internetmagazins zur Lebensmittelsicherheit “Il fatto alimentare”.

“Dies ist ein typischer Fall von irreführender Werbung, denn sie zeigt eine Mischung unbewiesener wissenschaftlicher Aussagen, womit der Verbraucher in die Irre geführt wird. Die Hälfte aller Frauen nehme nicht genug Kalzium zu sich, heißt es da, aber das stimmt nicht. Weiter heißt es, die Nahrungsaufnahme könne den täglichen Kalziumbedarf nicht decken, was absolut nicht stimmt. Das Problem ist, dass diese Werbung zwei Jahre lang im Fernsehen gelaufen ist, und die Menschen haben das geglaubt. Dann ist sie zensiert worden, aber niemand hat darüber berichtet, weder die Zeitungen noch das Fernsehen. Der Spot war also ein Erfolg.”

Unlautere Geschäftspraktiken gibt es in den verschiedensten Branchen. Und die Täter sind Unternehmen, von denen man es vielleicht nie erwartet hätte. FIAT sagt in diesem Werbespot, dass man mit dem Kauf seiner Autos viel Geld beim Benzin sparen würde. Aber das stimmte nicht ganz, und daher verhängte die Behörde eine Strafe von 200.000 Euro. Sogar die italienische Staatsbahn Trenitalia wurde bestraft, weil sie für 9-Euro-Tickets warb, die fast niemand finden konnte.

“Es wird wenig über irreführende Werbung gesprochen, denn sie ist ein großes Geschäft,” sagt La Pira. “90% der Großunternehmen sind mindestens einmal bestraft worden. Ein typisches Beispiel ist die Telekommunikations-Branche. Es wurden schon mindestens einhundert Strafen gegen Telefonunternehmen verhängt. Sie verhalten sich nicht korrekt und machen so weiter. Strafen sind im Budget eingeplant.”

Irreführende Werbung ist nur eine der vielen unlauteren Geschäftspraktiken. Haustürgeschäfte nehmen oft einen agressiven Verlauf. Das wird in einem Film von Altroconsumo dargestellt. Die Europäische Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken enthält eine schwarze Liste von Praktiken, die von vornherein als unlauter gelten und daher verboten sind.

Die Richtlinie wurde 2005 angenommen. Sie ersetzte die bestehenden nationalen Gesetze durch ein einziges gemeinsames Regelwerk. Der erste Bericht über die Umsetzung der Richtlinie wurde gerade angenommen. Die nächste Herausforderung ist es, ihr noch stärker Geltung zu verschaffen, sagt Pierani:

“Der Kampf gegen unlautere Geschäftspraktiken und die Umsetzung der Richtlinie obliegt in den verschiedenen Ländern jeweils anderen Behörden. Wir brauchen einen schnellen Informationsaustausch über wirksame und effiziente Vorgehensweisen zwischen allen Mitgliedsstaaten.”

Das Gesetz gibt es. Nun muss die Umsetzung harmonisiert werden, um schlimme Überraschungen zu vermeiden.

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