Atomspaltung am CERN - was bedeutet das für uns?

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Selten hat die Wissenschaft viele Menschen begeistert. Aber die Atomspaltung im Teilchenbeschleuniger des CERN hat die Welt beeindruckt und es ist wahrscheinlich das erste Mal in der Geschichte, dass ein Teilchen zur globalen Berühmtheit wurde. Als Wissenschaftler im letzten Jahr die Entdeckung des Higgs-Teilchens verkündeten, löste diese Nachricht weltweit Schockwellen aus. Dies war nach einer langen Suche ein wichtiger Schritt.

Bei I Talk geht Isabelle Kumar der Frage nach, was sich seitdem bei CERN verändert und diskutiert weitere Erkenntnisse dieses wissenschaftlichen Fortschritts. Zu Gast ist Fabiola Gianotti, eine der führenden Wissenschaftlerinnen am CERN.

Isabelle Kumar, euronews:
“Fabiola Gianotti, danke für Ihren Besuch bei I Talk. Zur kurzen Erinnerung für unsere Zuschauer: Können sie uns erklären was das Higgs-Teilchen ist?”

Fabiola Gianotti:
“Das Higgs-Teilchen ist ein ganz besonderes Teilchen, weil wir so verstehen, wie andere Elementarteilchen zum Beispiel das Elektron Masse erlangen können. Es scheint eine abstrakte Frage zu sein, die für unser tägliches Leben nicht wirklich relevant ist, aber es ist anders. Wenn elementare Teilchen wie die Elektronen, die grundlegende Bestandteile der Atome sind, nicht über Masse verfügen, würden die Welt und das Universum so nicht existieren. Das Universum würde nicht existieren oder vielleicht in einer anderen Form.”

Isabelle Kumar, euronews:
“Wir kommen jetzt zu unserer ersten Frage, sie kommt aus Belgien.”

Pauline aus Belgien:
“Guten Tag, ich heiße Pauline und ich würde gerne wissen, warum die Entdeckung des Higgs-Teilchens so wichtig ist?”

Isabelle Kumar, euronews:
“Sie haben dieses Higgs-Teilchen über Jahre gesucht. Warum ist es gerade für die wissenschaftliche Welt so bedeutend?”

Fabiola Gianotti:
“Die Entdeckung ist wirklich entscheidend für unser Verständnis der Grundlagenphysik und auch für die strukturelle Entwicklung des Universums. Wir verstehen jetzt, wie es möglich ist, dass einige Teilchen Masse besitzen und warum andere ohne Masse bleiben. Und das ist sehr wichtig, um die fundamentale Form der Materie zu verstehen. Wenn die Elementarteilchen nicht diese Masse hätten, dann könnten Atome nicht existieren. Es gäbe keine chemischen Elemente, keine Chemie und das Universum wäre völlig anders oder würde vielleicht überhaupt nicht existieren.”

Isabelle Kumar, euronews:
“Unser Publikum ist zum großen Teil nicht wissenschlaftlich geschult. Können Sie uns ein Beispiel geben, wie das Higgs-Teilchen unser tägliches Leben verändert?”

Fabiola Gianotti:
“Wir wissen, dass das Universum, dieser Raum hier und alles um uns herum mit dem Higgs-Teilchen-Feld durchdrungen ist. Wenn dies nicht der Fall wäre, dann würden wir nicht existieren, weil die Elektronen und die Quarks, die die Bestandteile des Atoms sind, aus dem wir bestehen, nicht zusammenhalten würden.”

Isabelle Kumar, euronews:
“…weshalb man es auch das “Gott” Teilchen nennt?”

Fabiola Gianotti:
“Das ist wirklich keine Definition, die wir Wissenschaftler mögen, aber es ist eindeutig ein wichtiges Teilchen. Es ist ein entscheidendes Teilchen um unsere eigene Existenz, die Enstehung des Universums und vielleicht die Zukunft zu verstehen.”

Isabelle Kumar, euronews:
“Noch einmal in einfachen Worten: der Teilchenbeschleuniger wird überarbeitet. Was ist da los?”

Fabiola Gianotti:
“Nach drei Jahren erfolgreichem Betrieb, wird der Teilchenbeschleuniger für zwei Jahre abgeschaltet. Wir starten ihn wieder im Jahr 2015 mit mehr Energie und einer höheren Intensität der kollidierenden Strahlen. Dies sollte es uns ermöglichen, weitere sehr revolutionäre Entdeckungen zu machen und andere wichtige Messungen durchzuführen.”

Isabelle Kumar, euronews:
“Wir kommen zu unserer nächsten Frage aus Portugal.”

Mafalda aus Portugal:
“Mein Name ist Mafalda und ich komme aus Lissabon. Welche wissenschaftliche Entdeckung wird ihrer Meinung nach die nächste sein?”

Fabiola Gianotti:
“Das ist schwer zu sagen. Forschung bedeutet, dass wir vorher nicht wissen, was wir finden, sonst wäre es im Sinne eines Wissenschaftlers, wie ich es bin, auch keine Forschung. Etwas völlig unerwartet zu entdecken, ist die beste Belohnung für unsere harte Arbeit. In Zukunft wäre der spannendste Erfolg aus dem Teilchenbeschleuniger die Entdeckung des Teilchens, das der dunklen Materie zugrunde liegt, welche für etwa 20 Prozent der Energie, und Materie im Universum verantwortlich ist. Das wäre eine revolutionäre Entdeckung.”

Isabelle Kumar, euronews:
“Warum wäre das revolutionär?”

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Fabiola Gianotti
“Wir wissen heute nur 5 Prozent über die Beschaffenheit des Universums, was bedeutet, dass nur 5 Prozent des Universums aus gewöhnlicher Materie bestehen – die Materie aus der wir gemacht sind – Atome. Die restlichen 95 Prozent besteht aus einer Menge aus Energie und Materie, die wir nicht kennen. Aus diesem Grund nennen wir sie dunkle Energie oder dunkle Materie. 20 Prozent bestehen aus dunkler Materie, also ist es klar, dass die Entdeckung der Teilchen, die uns erlauben, 20 Prozent des Universums zu entschlüsseln unser Wissen von 5 Prozent auf 25 Prozent vergrößert. Das ist offensichtlich revolutionär.”

Isabelle Kumar, euronews:
“Die Arbeit am CERN ist sehr wissenschaftlich. Wie wichtig sind Kreativität und Phantasie für Ihre Arbeit?”

Fabiola Gianotti
“Kreativität und Fantasie sind sehr wichtig in der Wissenschaft. Entwicklungen in Wissenschaft und Forschung können uns dank revolutionärer Ideen wichtige Schritte nach vorne bringen. Wie in allen Berufen gibt es eine Menge Technik- und Routineaufgaben. In der Forschung sind aber vor allem Ideen, Innovation und Intuition wichtig.”

Isabelle Kumar, euronews:
“Wir kommen jetzt zu unserer letzten Frage, dieses Mal aus Frankreich.”

Julie aus Frankreich:
“Hallo mein Name ist Julie. Ich komme aus Frankreich. Es scheint als sei Wissenschaft im Moment sehr in Mode. Ändert das ihre Arbeitsweise am CERN?”

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Isabelle Kumar, euronews:
“Also denken sie, Wissenschaft ist trendy geworden?”

Fabiola Gianotti:
“Ich denke schon und ich bin sehr froh darüber, denn Wissen ist Reichtum der Menschheit – Wissen gehört allen. Es ist die Pflicht und das Recht der Menschen, so kluge Wesen zu werden, um unser Wissen über das Universum und die Materie weiter zu entwickeln.”

Isabelle Kumar, euronews:
“Als die Arbeit von CERN in der Öffentlichkeit besser bekannt wurde, hatte das eine Kehrseite. CERN sah sich mit Gerichtsverfahren von Menschen konfrontiert, die fürchteten, dass diese Entwicklung eine Art schwarzes Loch schaffen könnte. Was sagen Sie dazu?”

Fabiola Gianotti:
“Als wir vor drei Jahren den Betrieb mit dem Teilchenbeschleuniger aufgenommen haben, gerieten die Leute in Panik und behaupteten, dass es die Welt zerstören wird, was nicht geschehen ist. Der Grund ist sehr einfach: Kein Beschleuniger auf dieser Erde kann jemals die gleiche Energie und Intensität der Kollisionen der kosmischen Strahlung im Weltraum die uns umgeben erreichen. Diese kosmischen Strahlen haben die Erde nicht zerstört, also gibt es überhaupt nichts zu befürchten.”

Isabelle Kumar, euronews:
“Fabiola Gianotti vielen Dank für ihren Besuch bei ITalk. Das war es für heute. Schicken Sie uns ihre Fragen und Kommentare entweder über unsere Website oder benützen sie unsere Social Media Seiten.
Ich bin Isabelle Kumar und verabschiede mich aus dem Studio im Europäischen Parlament in Brüssel. Vielen Dank für Ihr Interesse.”

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