Belgien diskutiert über Altersgrenze für Sterbehilfe

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Von Euronews
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Gerlant van Berlaer ist Kinderonkologe im Universitätskrankenhaus in Brüssel. Er gehört zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes an das belgische Parlament, in dem er mit 15 andern Kollegen die Legalisierung von Sterbehilfe für Patienten unter 18 Jahren fordern. Die derzeit diskutierte Neuregelung des Euthanasierechts sieht keine explizite Altersbegrenzung vor. Ärzte, die täglich mit dem Leiden ihrer jungen Patienten konfrontiert sind meinen, diese Kinder seien ihrem Alter weit voraus und könnten daher selbstständig über das Ende ihres Lebens entscheiden. Gegner der aktuellen Debatte um eine Legalisierung der Sterbehilfe bei Minderjährigen bezweifeln dies jedoch vehement.

Wie van Berlaer sagt, hätten noch immer viele Menschen Angst vor Sterbehilfe. Das vorherrschende Bild sei, Ärzte gingen wahllos durch die Krankenhäuser und brächten Kinder um. Allerdings würde selbstverständlich alles getan, um diesen Kindern zu helfen. Wenn es allerdings dazu kommt, dass von medizinischer Seite nichts mehr zu tun sei, müsse es seiner Meinung nach eine legale Möglichkeit geben, diesen Patienten in einer humanen Art und Weise zu helfen.

Für René Stockman, den höchsten General der katholischen Ordensgemeinschaft Brothers of Charity, geht es jedoch darum, den Sterbenden einen Sinn für ihr Leben zurück zu geben. Palliativpflege gehört neben allgemeiner Krankenpflege sowie Schulunterricht, zu den Hauptaufgaben dieses Ordens, der 1807 in Belgien gegründet wurde.

Menschen die in ein Hospiz kämen, hätte oft nur den Wunsch, von ihren Leiden befreit zu werden. Stockman zufolge zeige sich jedoch, dass sich nach wenigen Tagen die Frage des Sterbens nicht mehr stelle, weil die Menschen wieder einen Sinn in ihrem Leben gefunden hätten.

Für Befürworter von Sterbehilfe ist das Ziel eine würdevolle und humane Art, seinem eigenen Leben in legaler und sicherer Form ein Ende zu setzen. Und obgleich die aktuelle Debatte sich eigentlich der Altersfrage zuwendet, entzündet sie an ihr zugleich eine ältere Auseinandersetzung: Wie können Mediziner entscheiden, ab wann das Leiden zu groß wird?

Zu einem kontroversen Fall kam es im letzten Jahr, als den gehörlos geborenen eineiigen Zwillingen Marc und Eddy im Alter von 45 Jahren Sterbehilfe geleistet wurde. Zum damaligen Zeitpunkt drohten sie zu erblinden, todkrank waren sie jedoch nicht.

Wim Distelmans, der die beiden damals begleitete sagt, dass für ihn psychische Leiden ebenso schwer wiegen könnten, wie unheilbare Krankheiten. Für die beiden Zwillinge sei damals, als sie zu erblinden drohten, ihre individuelle Schmerzgrenze erreicht gewesen. Allein der Patient könne entscheiden, wann dieser Zeitpunkt erreicht ist.

Der Arzt und Präsident der Vereinigung “Right to Die Flanders”, Mark Van Hoey, unterstützt den Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe für Minderjährige. Dieser geht ihm jedoch längst nicht weit genug. In der Debatte um Sterbehilfe müssten auch Patienten berücksichtigt werden, die an einem frühen Stadium von Demenz oder Alzheimer litten. Diesen sollte ebenso das Recht auf Sterbehilfe eingeräumt werden, indem zum Beispiel eine Verfügung unterzeichnet würde, in der der Wunsch zu sterben geäußert werden könne, bevor das Endstadium der Krankheit erreicht ist.

Für ihn hat Sterbehilfe nichts damit zu tun, sich an die Stelle von Gott zu setzen, wie dies Kritiker möglicherweise ausdrücken könnten. Es ginge einzig und allein darum, dem Wunsch der Patienten auf humane Sterbehilfe nachzukommen.

In Belgien zeigen Meinungsumfragen, dass 80 Prozent der Bevölkerung Euthanasie befürwortet, selbst für Minderjährige. Für andere wieder hat dieses Gesetz eine ethisch-moralische Grenze überschritten. Wie sich die Debatte um eine Neuregelung der Altersgrenze für Euthanasie entwickeln wird, darauf ist man auch in den europäischen Nachbarländern gespannt, wo die Auseinandersetzung aufmerksam verfolgt wird.

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