Juncker vor Europawahl: "EU soll nicht rumnerven"

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Von Euronews
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Er beschreibt sich selbst als Veteran der europäischen Politik. Jean-Claude Juncker ist das Aushängeschild der Europäischen Volkspartei bei der Europa-Wahl. Kaum jemand engagiert sich schon so lange für die Partei wie der 59-Jährige. Mit nur zwanzig Jahren trat er der luxemburgischen Christlich Sozialen Partei bei. Er startete seine politische Karriere unmittelbar nachdem er sein Jurastudium abgeschlossen hatte. Minister mit neunundzwanzig, mit vierzig Jahren Regierungschef. Achtzehn Jahre und zehn Monate später stolperte er über einen Spionageskandal.

Juncker ist auch einer der Architekten des Maastricht-Vertrags, der u.a. die Euro-Einführung regelte. Passend dazu wurde Juncker dann 2005 Mr. Euro, als Chef der Eurogruppe. Juncker hängte dann im vergangenen Jahr den Job des Krisenmanagers auf den Gipfeltreffen an den Nagel. Aber er ist Europäer von grund auf.

Das hänge mit seiner Kindheit zusammen, erklärt Henri Grethen, der ihn seit den 70er Jahren kennt: “Die Erfahrung seines Vaters, der gezwungen wurde, in einer Nazi-Uniform zu kämpfen, das Leiden der Väter-Generation, all das hatte einen starken Einfluss. Sein Vater sprach über seine Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs und seinen Wunsch, dass sich diese Geschichte auf dem Kontinent nicht wiederholen möge.”

Ein friedliches Europa allein reicht allerdings nicht, um die Wähler zu überzeugen. Juncker wirbt bei den Wählern für seine Idee von einer integrativeren EU, die weniger bürokratisch ist.

“Europa muss die großen Dinge angehen, sich für die großen Themen stark machen”, so Juncker. “Aber es muss mit dieser Pedanterie aufhören, es soll nicht rumnerven.
Entschuldigen sie mein antiquiertes Französisch, aber das kann jeder verstehen.Also: Man sollte nicht rumnerven mit pingeligen Regulierungen, die Europa nichts bringen.”

Juncker ist zudem Verfechter einer sozialen Marktwirtschaft, er setzt sich für einen Mindestlohn in allen EU-Ländern ein.

Er war Chef der Euro-Gruppe als die Euro-Krise losbrach. Und er war an vielen Maßnahmen beteiligt, die damals getroffen wurden. Lob kommt dafür vom früheren Mentor Jacques Santer: “Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, wo wir damals herkamen. Das war die erste, ernsthaft Krise. Die ernsthafteste seit der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre. Und wir verfügen immer noch nicht über die Instrumente, um so eine Krise wirksam zu bekämpfen. Wir hatten damals keine Wirtschaftsregierung, und in diesem Kontext musste er nach neuen Wegen suchen, all die verschiedenen Richtungen zusammenzubringen. Und am Ende hatte er Erfolg.”

Jean-Claude Juncker besuchte während des Wahlkampfs auch Zypern, ein Land im Süden Europas, das finanzielle Unterstützung erhielt. Doch Europa ist dort momentan nicht so populär, angesichts des Sparkurses und der zunehmenden Arbeitslosigkeit. Juncker war nicht mehr Euro-Gruppen-Chef, als die Bedingungen ausgehandelt wurden, unter denen das Land Unterstützung erhielt. Aber er war an früheren Rettungspaketen beteiligt.

“Wir haben es mit der Genauigkeit vielleicht etwas übertrieben”, so Juncker. “Aber die Ergebnisse zeigen, dass die Programme am Ende erfolgreich waren, in Griechenland, Portugal, Irland und Spanien, was den Bankensektor betrifft. Wenn wir nicht so gehandelt hätten, wäre es heute schlimmer.”

Für den Pragmatiker Juncker, der nicht an den Föderalismus glaubt, geht es bei Europa am Ende vor allem um gemeinsame Werte.

“Ich komme langsam in das Alter, in dem man mit etwas mehr Reife auf Dinge schaut”, so Juncker. “Ich denke die wichtigsten Tugenden, die wichtigsten Eigenschaften Europas, sind Toleranz und das gegenseitige Interesse. Europa, das heißt auch, dass man anderen seine Liebe zeigt.”

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