In Europa tickt die demografische Zeitbombe

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Von Euronews
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Ein Interview mit Monika Queisser, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik bei der OECD in Paris.

Um mehr über Europas “demografische Zeitbombe” zu erfahren, hat euronews-Reporterin Sophie Claudet mit Monika Queisser, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik bei der OECD in Paris, gesprochen.

Sophie Claudet: Was kann man gegen den Alterungsprozess in Europa tun? Wir sehen, dass Deutschland mehr Migranten aufnimmt, man beobachtet, dass viele Menschen an eine Verlängerung des Arbeitslebens denken. Was gibt es noch für Möglichkeiten?

Monika Queisser: Die Lösung der Alterungsproblematik in Europa liegt in einem Mix aus verschiedenen Maßnahmen. Zuallererst müssen die Menschen länger arbeiten. In vielen Ländern hören die Menschen in relativ jungen Jahren auf zu arbeiten und, da sie länger und gesünder leben, müssen sie länger arbeiten, um in die Rentenkasse zu zahlen. Das ist eine der Lösungen für das Problem.

Ein anderer Lösungsansatz ist, alle verfügbaren Talente zu mobilisieren, sie werden heute noch nicht vollständig in den europäischen Arbeitsmärkten genutzt. Einer der wichtigsten Bereiche ist dabei eine bessere Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt viele Frauen in vielen Ländern, die nicht Voll- sondern nur Teilzeit arbeiten, weil es an Kinderbetreuung fehlt oder weil es nicht genügend Vollzeit-Arbeitsmöglichkeiten für sie gibt. Die Mobilisierung weiblicher Talente ist also eine andere wichtige Antwort auf die Alterungsproblematik.

Migration und der Zustrom von Migranten ist natürlich eine weitere Möglichkeit, der Alterungsproblematik zu begegnen. Es gibt eine Menge Menschen, die mit einer guten Ausbildung nach Europa kommen, die in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

Sophie Claudet: Was sagen Sie zu dem Argument, dass wenn Menschen länger arbeiten, weniger Arbeitsmöglichkeiten für die Jüngeren auf dem Arbeitsmarkt geschaffen werden?

Monika Queisser: Seit vielen Jahren hört man, dass Menschen, die bis ins höhere Alter arbeiten, den jungen Leuten die Arbeitsplätze wegnehmen. Das wird aber nicht durch die Realität bestätigt, die wir beobachten. Es gibt einige Länder, zum Beispiel Frankreich, wo die Menschen in recht jungen Jahren – im internationalen Vergleich – den Arbeitsmarkt verlassen. Und doch gibt es in Frankreich seit vielen Jahren eine hohe Arbeitslosigkeit unter den jungen Arbeitnehmern.

Länder, die gut in ihren Arbeitsmärkten und der Wirtschaft aufgestellt sind, schaffen Jobs für junge und für ältere Menschen. Dabei geht es nicht um den einfachen Wechsel von Arbeitsplätzen zwischen Jungen und Alten. Stellen, die angeboten werden, haben nicht immer die gleichen Anforderungen, man kann also nicht einfach jemanden in Rente schicken und dann erwarten, dass eine jüngere Person die gleiche Arbeit macht. Unser Ziel sollte also sein, alle Menschen zu mobilisieren, alte und junge Menschen, Frauen, Menschen, die aus anderen Ländern kommen, Migranten, um eine integrative Gesellschaft zu schaffen und integratives Wachstum. Es geht nicht darum, Stellen von alt auf jung weiterzugeben.

Sophie Claudet: Vielen Dank für ihre Einschätzung.

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