Wie schlimm ist die EU wirklich? Wo landet unser Geld?

Wie schlimm ist die EU wirklich? Wo landet unser Geld?
Von Euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Die Art und Weise, wie das Geld von Europas Steuerzahlern ausgegeben wird, sorgt immer wieder für Kritik.

Die Art und Weise, wie das Geld von Europas Steuerzahlern ausgegeben wird, sorgt immer wieder für Kritik. Ist der EU-Haushalt wirklich so kostspielig und schlecht verwaltet, wie es immer heißt?

Knapp ein Euro pro Tag für jeden Steuerzahler

Allem vorweg: Es ist ein relativ bescheidenes Budget. 2016 belief der EU-Haushalt sich auf rund 158 Milliarden Euro – das entspricht einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts der 28 Mitgliedsstaaten oder 85 Cent pro Tag pro Steuerzahler. Natürlich: Fast 310 Euro im Jahr sind auch kein Pappenstiel.

Die Verwaltungsausgaben für die Institutionen der Europäischen Union machen etwa sechs Prozent der Gesamtausgaben aus. Der Rest finanziert Programme zur Unterstützung der Mitgliedsländer oder von Drittstaaten. Die Bereiche Wachstum und Beschäftigung, Regionalpolitik und Landwirtschaft sind die größten Ausgabenposten – und hier sind auch die Fehlerquellen am größten.

Geld für Flughäfen ohne Flugzeuge und Häfen ohne Schiffe

Der Europäische Rechnungshof wacht darüber, dass die Gelder der EU korrekt verwendet werden. Rechnungshof-Sprecher Marc Rogerson: “Etwas weniger als vier Prozent des Geldes werden falsch verwendet, also nicht entsprechend den Regeln eingesetzt. Wenn zum Beispiel ein Auftrag vergeben wird, der Vorgang aber nicht korrekt verfolgt wurde, oder der Auftrag nicht angemessen ausgeschrieben wurde, dann verstößt dies gegen die Regeln. Abgesehen davon haben wir Fälle, da gibt es zum Beispiel einen Flughafen ohne Flugzeuge, einen Hafen ohne Schiffe. Da kommt dann Verschwendung ins Spiel, und wenn wir das herausfinden, dann monieren wir es auch.”

Allerdings kann der Rechnungshof eben nicht mehr als den Missstand monieren.

Bei willentlichem Betrug wird das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung eingeschaltet, kurz OLAF. Es untersteht der EU-Kommission und verfolgt Missbrauch von EU-Mitteln und Korruption. 2015 empfahl OLAF die Einziehung von fast 900 Millionen Euro. Die Jahre zuvor wurden etwa 187 Millionen Euro nach Betrugsfällen eingetrieben. Nach Angaben der Behörde machen unrechtmäßige Zahlungen auf Seiten von Mitarbeitern der EU-Institutionen weniger als ein Prozent aller Betrugsfälle aus. Das Gros betrifft Struktur- und Sozialfonds, gefolgt von Zoll, Handel und Entwicklungshilfe.

OLAF hat aber keine disziplinarischen Befugnisse. Und die Empfehlungen des Amtes werden nicht immer von den zuständigen nationalen Behörden umgesetzt. Hinzu kommt die Schwierigkeit, kriminelle Machenschaften zu verfolgen, die über die Landesgrenzen hinausgehen, hebt Generaldirektor Giovanni Kessler hervor. Er ist für die Schaffung einer europäischen Generalstaatsanwaltschaft: “Die illegalen Finanztransaktionen haben einen offenen Markt. Doch bei der Justiz haben wir keinen gemeinsamen offenen Markt. Wenn man grenzüberschreitend in einer Straftat ermitteln will, die gleichzeitig in drei oder mehr Mitgliedsstaaten verübt wurde, wird es sehr kompliziert. Hier brauchen wir mehr Europa.”

Gurken und Toiletten: Weniger Regulierung durch Brüssel

Mehr Justizzusammenarbeit – das ist einer der Grundgedanken in der Debatte über ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, wie es im Europäischen Rat erwogen wird. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unterstützt die Idee. Hingegen will er weniger Europa, was Reglementierung und Verordnungen angeht: “Wir wollen uns nicht mehr in alle Aspekte des täglichen Lebens der Europäer einmischen. Ich musste wie ein Löwe gegen einige Kommissare kämpfen, die die schräge Idee hatten, auf europäischer Ebene die Toiletten reglementieren zu wollen.”

Juncker will nicht nicht mehr die Toilettenspülungen reglementieren und zieht in den Kampf gegen die Bürokratie. Womit man Zeit und Geld für Europas Bürger sparen könnte. Aber: Der Deregulierungsansatz der Kommission könnte die Europäer auch teuer zu stehen kommen, warnt die Brüsseler Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory. Denn weniger Regeln können auch weniger Schutz für die Bürger bedeuten, so Forschungskoordinator Olivier Hoedeman: “Dieses neue Motto der besseren Regulierung schafft neue Hindernisse für Gesundheits- und Umweltverordnungen, die aber nötig sind. Und es gibt der Industrie viele wirksame Mittel an die Hand, um die Vorschläge der Kommission zu schwächen. Da haben wir in den vergangenen Jahren genug Beispiele gesehen. Um nur eines zu nennen: Die Kommission sollte eine Definition für endokrine Disruptoren – hormonaktive chemische Substanzen – ausarbeiten, wegen derer hunderttausende Menschen jedes Jahr krank werden oder vorzeitig sterben. Die Entscheidung wurde über Jahre hinausgezögert, und am Ende war die Definition der Kommission deutlich verwässert durch die Lobbyarbeit der Industrie.”

Europäischer Rat am intransparentesten

Der Schutz und die Verteidigung der Interessen der Bürger – das ist die Aufgabe des europäischen Ombudsmannes – beziehungsweise der Ombudsfrau, der Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly. Sie geht Beschwerden über Fehlverhalten der Behörden und Organe der Europäischen Union nach und Interessenkonflikten der EU-Beamten. Wie zum Beispiel bei Ex-Kommissionpräsident Barroso, der nun bei Goldman Sachs arbeitet. Ein weiteres laufendes Thema ist der Brexit – da wünscht sich die Bürgerbeauftragte mehr Transparenz: “Die Leute wollen wissen, wie die Entscheidungen getroffen werden. Das ist die Kernfrage der Transparenz, und daran arbeite ich. Wenn man genau hinsieht: Welche Institution ist nicht transparent? Die Kommission ist einigermaßen transparent. Das Parlament ist einigermaßen transparent. Am Ende ist es der Europäische Rat, der am wenigsten transparent ist. Und was ist der Rat? Der Rat, das sind die Mitgliedsstaaten! Sehr oft sind es die Mitgliedsstaaten und deren Politiker, die nicht transparent sein wollen. Denn dann kann man Brüssel die Schuld in die Schuhe schieben für Dinge, die den Bürgern missfallen!”

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Polens Presse und die Populisten

Griechenland: Keine große Hoffnung auf Europa

Hat Frankreich aus den Terroranschlägen von 2015 seine Lehren gezogen?