Moscovici räumt Fehler bei Griechenland-Rettung ein - auf beiden Seiten

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Von Stefan Grobe
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EU-Finanzkommissar: Griechenland war kein wirklich funktionierender Staat

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The Brief from Brussels:

Die Spitzen der Europäischen Union haben Griechenland zum Ende des Rettungsprogramms gratuliert.

Das Land habe mit gewaltigen Anstrengungen und europäischer Solidarität die Krise gemeistert, hiess es in Brüssel.

EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici sprach von einer guten Nachricht für Griechenland und für die Eurozone.

In einem Interview mit Euronews äusserte er sich aber auch selbstkritisch zu den Hilfen für Athen.

"Es wurden von Anfang an Fehler gemacht. Wir dachten, die Lage in Griechenland sei robuster und die wirtschaftlichen Fundamente seien stabiler als sie es waren.

Auch brauchten wir zu lange, um die notwendigen Solidaritätsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. 2014 waren wir dann ganz nahe an einer Vereinbarung.

Wenn dieser Dialog weitergegangen wäre, etwa mit einer neuen Umsatzsteuer auf den Inseln, dann hätten wir nicht bis heute vier Jahre leiden müssen.

Es gab auch Fehler auf Seiten der Griechen, etwa beim damaligen Finanzminister Varoufakis. Dessen Plan B war nicht nur falsch, sondern er kostete Griechenland viel Geld."

Dagegen verteidigte Moscovici die von der EU durchgesetzten harten Sparmaßnahmen.

Diese seien nötig gewesen, um nicht funtktionierende griechische Wirtschaft und Staatsapparat zu reformieren.

"Griechenland erlebte, was es heisst, wenn einen zu hohe Schulden strangulieren. Der Wirtschaft fehlt Luft zum Atmen, nichts funktioniert. Deswegen müssen Schulden und das Haushaltsdefizit reduziert werden, um die eigene volle Souveränität wiederzuerlangen.

Aber eines ist klar: Nicht die Sparpolitik war die Wurzel allen Übels, sondern die vorhergehende schwere Schuldenkrise.

Wir dürfen nicht vergessen, dass Griechenland als Staat nicht wirklich funktionierte; dass wirtschaftliche Strukturen eher künstlich waren; dass wir es mit einem Kartenhaus zu tun hatten. Und all das mussten wir ändern."

Trotz der Folgen der harten Sparmaßnahmen sehen Analysten einen Erfolg im verbesserten EU-Krisenmanagement.

"Der institutionelle Rahmen und die Eurozone insgesamt können heute sehr viel mehr tun als zuvor", meint Zsolt Darvas vom Brüsseler Think Tank Bruegel.

"Es gibt Rettungsmechanismen, und die Europäische Zentralbank kann die Banken überwachen, was eine wichtige Neuerung war."

Dennoch sieht Darvas schon bald ein neues Rettungspaket am Horizont aufziehen - wegen der hohen griechischen Schulden.

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"In drei bis fünf Jahren gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die griechische Regierung erhebliche Finanzierungsschwierigkeiten bekommt - dann wäre ein viertes Rettungsprogramm unerlässlich."

Doch die wahre Gefahr für die Eurozone liege in Liquiditätsproblemen Italiens. Und diese könnten immer dramatischer werden.

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