Salvini in Polen: In Warschau wird eine Anti-EU-Gruppierung geschmiedet

Salvini in Polen: In Warschau wird eine Anti-EU-Gruppierung geschmiedet
Von Euronews mit dpa
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Rechte Parteiführer aus Polen und Italien wollen gemeinsame Front für die Europawahl

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Es war ein merkwürdiges politisches Paar, das am Mittwoch in Warschau über die Zukunft Europas beriet. Doch der Chef der italienischen Lega Matteo Salvini und der Vorsitzende der polnischen Regierungspartei PiS Jaroslaw Kaczynski sind sich mindestens in einem Punkt einig: Beide liegen mit der EU-Kommission über Kreuz und beide würden Brüssel gerne politisch zurechtstutzen. Vor der Europawahl Ende Mai loteten sie aus, was zusammen gehen könnte.

Viele bezeichnen die Europawahl im Mai schon als „Schicksalswahl“ – auch weil der Zulauf zu Populisten und EU-Gegnern ungebrochen scheint. Vor allem der Italiener Salvini will deren Kräfte bündeln.

Salvini schäumte auch in Warschau vor Enthusiasmus. Ein neues Europa werde nach der Wahl entstehen, ganz anders als das heute von Bürokraten verwaltete, sagte der Rechtspopulist. Mehr Sicherheit und weniger Bürokratie – mit Italien und Polen als Gegengewicht zur Dominanz Deutschlands und Frankreichs in der EU. So beschrieb er das Ziel.

Rechte Parteien Europas schmieden Allianzen

Den ungarischen Regierungschef Viktor Orban hatte Salvini bereits im Herbst für eine rechte Allianz umworben, nun war der rechtsnationale Kaczynski an der Reihe. Salvini sucht Verbündete für das, was er die „Revolution des Wandels“ nennt und was die Parteien der Mitte überall in Europa schaudern lässt. „Wir dürfen uns keine Limits setzen“, schrieb er in einer Neujahrsbotschaft. „Wir müssen groß träumen.“

Der Traum heißt Aufschwung und Schulterschluss der Populisten und EU-Kritiker im künftigen EU-Parlament, und nicht nur Salvini träumt ihn. Der Chef und Spitzenkandidat der AfD, Jörg Meuthen, verkündete schon im November, man werde die Mehrheitsverhältnisse entscheidend verändern.

EU-Skeptiker kommen vermehrt in die EU

Nach einer neuen Projektion könnten EU-Skeptiker im Mai 155 von künftig 705 Sitzen gewinnen und somit zweite Kraft hinter der Europäischen Volkspartei werden. Ob die rechts-nationalistisch ausgerichteten Parteien dann tatsächlich alle an einem Strang und in eine Richtung ziehen, ist eine ganz andere Frage. Einiges spricht aus Sicht von Experten dagegen.

Klar ist, dass Parteien wie die AfD, die italienische Lega, die österreichische FPÖ oder das Rassemblement National der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen die Europäische Union in ihrer jetzigen Form ablehnen. Einige wollen sie gar nicht mehr.

In einem AfD-Entwurf ist die Rede vom Austritt Deutschlands oder einer Auflösung der EU, falls sich grundlegende Reformen nicht binnen fünf Jahren durchsetzen ließen. Meuthen ging dazu zwar auf Distanz, spart aber selbst nicht mit Breitseiten gegen den angeblich geplanten „EU-Superstaat“. Er nennt Salvini, Orban und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache „natürliche Verbündete“, mit denen sich die AfD im neuen Europaparlament zu einer großen Fraktion zusammentun wolle.

Bisher haben die EU-Kritiker und Populisten im Europaparlament vergleichsweise wenig Einfluss, obwohl sie schon heute rund 20 Prozent der 751 Mandate halten. Denn sie unterscheiden sich nicht nur in Zielen und im Ton, sondern verteilen sich auf drei verschiedene Fraktionen - die EKR, die EFFD und die ENF. Etliche EU-Kritiker sind fraktionslos. Orbans Fidesz-Partei gehört nach wie vor zur Europäischen Volkspartei und will das weiter so halten.

Zweifel, ob die Allianz bestehen kann

Europaexperte Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist deshalb skeptisch, ob die Vision einer breiten Allianz trägt. „Aus inhaltlichen Gründen ist eine durchsetzungsfähige Zusammenarbeit auch in Zukunft wenig wahrscheinlich“, schreibt der Wissenschaftler in einer Analyse zur Europawahl.

So sind auch die Unterschiede zwischen Salvini und Kaczynski greifbar, nicht nur im Auftreten. Zwar schrieb die Zeitung La Repubblica: „Die beiden sprechen die gleiche Sprache, was die Schließung der Grenzen vor dem Migrationsfluss angeht.“ Gerade in der Flüchtlingspolitik gibt es aber auch Gegensätze, denn Italien pocht auf eine Umverteilung von Ankömmlingen, gegen die sich Polen strikt wehrt. Auch gilt Salvini im Gegensatz zu Kaczynski als Russland-Freund.

Im Europaparlament ist die PiS in der Fraktion EKR, unter anderem mit den britischen Konservativen. Die Lega hat sich mit Le Pen und anderen in der ENF deutlich weiter rechts platziert. Die Bevölkerung in Polen ist überwiegend EU-freundlich und will keinen „Polexit“. Viele Bürger sehen es eher kritisch, dass die PiS seit Jahren mit Brüssel über Justizreformen streitet.

In Italien sitzt der Frust hingegen so tief, dass Salvini und sein Koalitionspartner Fünf Sterne immer wieder mit Konfrontation punkten können, zuletzt im Haushaltsstreit mit der EU-Kommission.

Salvini als Präsident der EU-Kommission?

Einig sind sich Salvini und Kaczynski, dass die EU-Staaten wieder mehr selbst entscheiden und sich von Brüssel weniger sagen lassen sollen. Aber ob das als gemeinsamer Nenner reicht? Die „nationale Internationale“ kranke daran, dass jede Partei die eigene Nation wieder groß machen wolle, analysiert von Ondarza. Deutschland zuerst, Italien zuerst, Finnland zuerst – das geht der Logik folgend wohl nicht gleichzeitig.

Käme es aber tatsächlich zur geeinten Rechten – womöglich sogar mit Orban –, dann wären die Folgen für die EU kaum absehbar. „Eine solche Sammlungsbewegung hätte durchaus das Potenzial, zur größten oder zweitgrößten Fraktion im EP zu werden“, meint von Ondarza. Größte Fraktion, das hieße dann wohl auch, dass die EU-Kritiker Anspruch auf zentrale Posten der ihnen so verhassten Gemeinschaft erheben würden.

Salvini hat eine Kandidatur als Präsident der EU-Kommission schon einmal leichthin in die Runde geworfen. „Freunde in mehreren europäischen Ländern bitten mich darum“, sagte er im Spätherbst La Repubblica. „Ich hatte noch keine Zeit, den Vorschlag zu bewerten. Bis Mai ist es ja noch lang hin. Schauen wir mal, ich denke drüber nach.“

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