Zwei Tote: EU will Vorwürfe von Gewalt gegen LGBT in Tschetschenien aufklären

Der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien Ramsan Kadyrow
Der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien Ramsan Kadyrow Copyright Reuters
Von Stefan Grobe
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Berichte von Folter in mehrheitlich moslemischer russischer Provinz

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Das Europäische Parlament hat Russland aufgefordert, Vorwürfe von Gewalt gegen die LGBT-Community in Tschetschenien aufzuklären. Damit reagierten die Parlamentarier auf Berichte eines russischen Netzwerks, wonach Homosexuelle und Angehörige anderer sexueller Minderheiten festgenommen und gefoltert wurden.

Es ist nicht das erste Mal, dass von systematischen Verhaftungen gegen die Community aus der mehrheitlich moslemischen Region berichtet wird. Präsident Wladimir Putin hatte vor zwei Jahren versprochen, frühere Vorfälle aufzuklären.

LGBT-Netzwerk beschuldigt Tschetschenien Ende 2018, "Schwulensäuberungen" durchzuführen

Ende Dezember hatte es eine Welle von Verfolgungen gegen die LGBT-Gemeinschaft in Tschetschenien gegeben, die zum Tod von zwei Menschen und zur Inhaftierung von Dutzenden anderen führte.

Nach Angaben von Quellen, die das Netzwerk kontaktiert hatte, verstärkte sich die Verfolgung nachdem der Verwalter einer Gruppe für Homosexuelle im russischen sozialen Netzwerk "VKontakte" verhaftet wurde.

Dem Netzwerk zufolge wurden bei den Verhaftungen Dokumente beschlagnahmt und Angehörigen der Community gedroht. Teilweise wurden die Gefangenen offenbar gefoltert, so die Berichte, zwei Personen seien dabei gestorben.

"Eine der Besonderheiten dieser Festnahmewelle ist die unbeschreiblich brutale Grausamkeit der Folter. Auch 2017 waren sie schrecklich – Menschen wurden mit Stromschlägen gefoltert und mit Kunststoffrohren geschlagen. Jetzt ist es noch schlimmer", sagte Whistleblower Igor Kochetkov, Programmdirektor von LGBT Netzwerk Russland gegenüber Euronews.

Systematische Verfolgung mindestens seit 2017

Die Berichte kamen nur wenige Wochen nachdem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einen Report des österreichischen Professors Wolfgang Benedek veröffentlichte. Dieser bestätigte, dass die tschetschenischen Behörden Menschen aufgrund ihrer wahrgenommenen oder tatsächlichen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität seit mindestens Januar 2017 missbrauchen. Benedek schreibt, dass auch Menschenrechtler, Anwälte und unabhängige Medienschaffende verfolgt würden.

Der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien Ramsan Kadyrow – im Bild zu sehen – genießt die Unterstützung Putins und kann deshalb sehr frei entscheiden, mit welchen Maßnahmen er regiert.

Als praktizierender Muslim hat Kadyrow mehr als einmal öffentlich erklärt, dass es in Tschetschenien keine homosexuellen Menschen gebe. In einem Interview in der HBO-Sendung Real Sports im Juli 2018 sagte er, dass die Verfolgung von Menschen aus der LGBT-Community aus diesem Grund in Tschetschenien gar nicht möglich sei.

Wie zuverlässig sind die neuen Berichte?

Die Zahl der Opfer in dieser neuen Verhaftungswelle ist ohne eine Erklärung der tschetschenischen Behörden schwer zu bestätigen. Euronews wandte sich an den staatlich geförderten Menschenrechtsausschuss Tschetscheniens, erhielt aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels keine Antwort.

Die Behauptungen des russischen LGBT-Netzwerks, dass seit Ende 2018 mindestens 40 Homosexuelle – sowohl Männer als auch Frauen – inhaftiert wurden und zwei durch Folter gestorben sind, gelten aber unter Experten und Menschenrechtsorganisationen als zuverlässig.

Das Netzwerk hatte bereits 2017 über die Säuberung in Tschetschenien informiert. Damals berichteten sie, dass mehr als hundert Einwohner der Tschetschenischen Republik wegen ihrer vermeintlichen sexuellen Orientierung verschwunden waren oder in modernen "Konzentrationslagern" gefoltert wurden.

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