Covid-19: Die fieberhafte Suche nach einem Impfstoff

Covid-19: Die fieberhafte Suche nach einem Impfstoff
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Von Monica PinnaSabine Sans
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In über 30 Unternehmen und akademischen Einrichtungen weltweit wird an verschiedenen Ansätzen geforscht.

Angesichts der sich schnell ausbreitenden Covid-19-Pandemie suchen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft mit Hochdruck nach einem Impfstoff und einer Behandlung gegen das neue Coronavirus, Thema dieser Unreported Europe-Reportage.

Foto: Random 42 Scientific Communication

Das Virus, das die ganze Welt zu besiegen versucht, sieht aus wie ein kleiner Ball mit Stacheln. Das SARS-Corona-Virus 2 (SARS-CoV2) ist die Ursache von COVID-19. Die Atemwegserkrankung hat die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst.

"Ein Impfstoff ist eine Möglichkeit, die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie zu stoppen", sagt euronews-Reporterin Rosie Wright in der "Good Morning Europe"-Sendung. Ebenfalls in dieser Sendung sagte Seth Berkley, Chef von Gavi, die Impf-Allianz, am 24. März:

"Normalerweise dauert die Entwicklung eines Impfstoffs 10 bis 15 Jahre. Bei Ebola haben wir es in 5 Jahren geschafft, ich weiß, dass wir das beschleunigen können."

Und Stephen Hahn, US-Kommissar der Lebensmittel- und Arzneimittelverwaltung, sagte in einer Pressekonferenz: "Wir gehen davon aus, dass es 12 Monate dauern wird, bis ein Impfstoff zugelassen werden kann. Das ist eine Rekordzeit für die Entwicklung eines Impfstoffs."

Erste experimentelle Covid-19-Impfung in Seattle

Wissenschaftler, Politiker und Unternehmen arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung und Zulassung eines Impstoffs. Eine Frau in Seattle war die erste Person auf der Welt, die eine experimentelle COVID-19-Impfung erhielt. Sie gehörte zu einer Gruppe von Freiwilligen, an denen wenige Wochen nach Beginn der sich schnell ausbreitenden Epidemie Versuche durchgeführt wurden.

Dieser Impfstoffkandidat mit dem Codenamen mRNA-1273 wurde vom National Institutes of Health und dem in Massachusetts ansässigen Biotechnologieunternehmen Moderna Inc. entwickelt. Es besteht keine Chance, dass sich die Teilnehmer infizieren könnten, da die Impfungen nicht das Coronavirus selbst enthalten.

Weltweit über 40 potenzielle Impfstoffe

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation gibt es über 40 potenzielle Impfstoffe. Berichten zufolge befinden sich bis zu hundert in der Entwicklung, aber nur wenige davon werden klinisch getestet. Ein vielversprechender Weg, Covid-19 anzugreifen, ist ein Impfstoff, der einen Teil des Virus, die sogenannte RNA, manipuliert:

"Dieses Coronavirus hat ein Molekül namens RNA, das seine gesamte genetische Information trägt", erklärt Marie-Paule Kieny, INSERM-Forschungs-Direktorin. "Diese RNA kann im Labor in großem Maßstab synthetisiert werden, weshalb sie in diesem ersten Impfstoff verwendet wird, für den derzeit klinische Studien laufen. Andere Impfstoffe basieren auf viraler DNA oder auf anderen geschwächten Viren, die keine Krankheiten hervorrufen und in die wir die genomische Information des Covid-Virus einschleusen können."

In über dreißig Unternehmen und akademischen Einrichtungen weltweit wird an verschiedenen Ansätze geforscht, um den Königsweg gegen COVID-19 zu finden.

Foto: euronews

Das deutsche Unternehmen CureVac arbeitet an einem Impfstoff mit dem Botenmolekül mRNA. Im Juni sollen klinische Tests starten.

"Wir benutzen die mRNA, um den Körper anzuleiten, seinen eigenen Impfstoff zu produzieren. Wir geben dem Körper also lediglich Informationen. Das ist ein völlig neuer Ansatz in der Medizin", erklärt CureVac-Sprecher Thorsten Schüller.

CureVac geriet in die Schlagzeilen, als eine deutsche Zeitung berichtete, dass US-Präsident Donald Trump dem Unternehmen eine Milliarde Dollar angeboten habe, um den Impfstoff exklusiv für die USA zu sichern.

Der CureVac-Sprecher stellt klar: "Wir haben nie ein Angebot aus dem Weißen Haus oder von einer anderen US-Institution erhalten, unsere Firma zu kaufen, um riesige Impfstoffmengen für die USA zu reservieren. Unser Ziel ist es, einen Impfstoff für alle Menschen auf der ganzen Welt zu entwickeln. Letztendlich müssen Gesundheitspolitiker entscheiden, wie ein solcher Impfstoff verteilt werden soll."

Um die Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus zu beschleunigen, wird CureVac mit bis zu 80 Millionen Euro von der EU unterstützt.

Foto: EIsevier

Während die Welt auf einen Impfstoff wartet, sind Millionen Patienten in Behandlung. Forscher und Ärzte haben damit begonnen, zum Teil umstrittene Kombinationen existierender Medikamente zu testen, um Infizierte zu behandeln. Bisher gibt es keine Heilung.

Kann Chloroquin Covid-19-Patienten retten?

Im französischen Marseille stehen Menschen mit Covid-19-ähnlichen Symptomen vor der Universitätsklinik Schlange. Das Institut bietet an, sie zu testen und zu behandeln: "Ich bin lieber hier, als mit Symptomen auf meiner Couch zu liegen", sagt eine junge Frau.

Der Grund für die Aufmerksamkeit ist Didier Raoult, Mikrobiologe aus Marseille und Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten. Er hat viele - darunter auch den US-Präsidenten - davon überzeugt, dass man Covid-19 mit einem billigen und leicht herzustellendem Malariamedikament behandeln kann.

Die fraglichen Arzneistoffe sind Chloroquin und Hydroxychloroquin. Der Mikrobiologe verkündete Ende Februar vielversprechende Ergebnisse einer kleinen Patientenstudie. Viele wissenschaftliche Kollegen bewerten seine Ergebnisse allerdings kritisch:

"Ich weiß, dass in Frankreich und anderswo viel über bestimmte Behauptungen einiger Forscher gesprochen wurde, die sagen, dass ein bestimmtes Medikament funktioniert, dass es die Welt retten wird. Aber leider ist die Wirksamkeit dieses Hydroxychloroquin-Medikaments im Moment extrem schwach bzw. überhaupt nicht bewiesen", erklärt Marie-Paule Kieny.

In Italien verwenden Ärzte des Mailänder Krankenhauses San Raffaele denselben Medikamentencocktail, mit dem Professor Raoult in Marseille Coronavirus-Patienten.

Euronews-Reporterin Monica Pinna: "Wie entscheiden Sie über diese Therapien? Gibt es ein national anerkanntes Konzept?"

Fabio Ciceri, stellv. wissenschaftlicher Direktor San Raffaele-Krankenhaus, Mailand: "Nicht auf nationaler Ebene, nein. Allerdings weist uns die Aifa, die italienische Arzneimittelbehörde, auf den vernünftigen Einsatz von Medikamenten hin."

Euronews: "Heißt das, dass jedes Krankenhaus seine eigene Behandlungsmethode wählen kann?"

Fabio Ciceri: "Das ist so, aber wie ich bereits sagte, haben wir nur Zugang zu bereits existierenden Medikamenten, die bereits gegen das Coronavirus in Gebrauch sind, basierend auf Laborergebnissen, die ein wirksames Potenzial zeigen."

Um eine gemeinsame, offiziell anerkannte Behandlung für Covid-19 zu finden, wurde im französischen Lyon die europäische klinische Studie Discovery gestartet. In ihrem Rahmen werden vier experimentelle Behandlungen getestet, darunter Hydroxychloroquin, um die Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels zu bewerten. Es ist geplant, 3.200 europäische Patienten in die Studie aufzunehmen, darunter aus Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Großbritannien, Deutschland und Spanien und möglicherweise weiteren Ländern, darunter mindestens 800 in Frankreich, die wegen einer COVID-19-Infektion in einer medizinischen Einrichtung oder direkt auf der Intensivstation stationär behandelt werden.

Bill Gates warnte bereits 2015

Hätte diese Pandemie verhindert werden können? Das sagte Bill Gates bereits 2015 in TED Talks:

"Heute besteht das größte Risiko einer globalen Katastrophe nicht in einem Atomkrieg, sondern aus einem Virus. Wenn etwas in den nächsten Jahrzehnten über 10 Millionen Menschen tötet, dann ist es höchstwahrscheinlich eher ein hochinfektiöses Virus als ein Krieg. Keine Raketen, sondern Mikroben. Wir haben eine riesige Summe in nukleare Abschreckungsmittel investiert, und nur sehr wenig in ein System, um eine Epidemie zu stoppen. Wir sind nicht bereit für die nächste Epidemie."

Foto: TED Talks 2015

Die Warnungen des Milliardärs Bill Gates folgten auf zwei große Coronavirus-Epidemien - SARS im Jahr 2003 und MERS im Jahr 2012. Warum wurden seine Hinweise nicht gehört? Prominente Epidemiologen geben einem System die Schuld, das sich mehr auf Gewinn als auf die Bedürfnisse der öffentlichen Gesundheit konzentriert:

"Man sollte meinen, dass sie vorbereitet gewesen wären. Ich meine, alle Länder waren in den vergangenen 10 Jahren mit Szenarien zur Bekämpfung von Epidemien beschäftigt. Aber weltweit sucht man immer noch nach Wegen", sagt Stuart Blume, Professor für Wissenschaft und Technik, Universität Amsterdam.

Und Ildefonso Hernández-Aguado, Professor für Präventivmedizin und Gesundheitswesen. Universidad Miguel Hernández, Alicante:

"Früher wurden mit einer gewissen Häufigkeit Übungen durchgeführt, um sich auf derartige Ereignisse vorzubereiten. Aufgrund von Sparmaßnahmen nach der Krise ist das über die Jahre vernachlässigt worden. Es wurden Haushaltskürzungen gefordert, und Geld in Bereichen gespart, die man für nicht notwendig hielt. Was passiert, war vorhersehbar, aber die Politik hat gegenteilige Entscheidungen getroffen."

Heute ist jedes einzelne vor dem Virus gerettete Leben ein Grund zum Feiern. Wenn ein Heilmittel und ein Impfstoff gefunden werden, wird selbst diese außergewöhnliche Pandemie Geschichte sein - hoffentlich mit den daraus gezogenen Lehren.

Journalist • Monica Pinna

Weitere Quellen • Video-Bibliothek: Sylvie Ardon, Chrystèle Claudotte; Schnitt: Marie Estelle Dieterle; Produktion: Céline Guillermin

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