Kleine Gassen, große Symbole - Brüssels Straßennamen

Straßennamen im Brüsseler Stadtteil Etterbeek
Straßennamen im Brüsseler Stadtteil Etterbeek
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Von Gregoire Lory
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In einem Brüsseler Stadtteil werden Straßennamen aus der kolonialen Vergangenheit umbenannt - vorübergehend. Dadurch soll eine historische Diskussion ermöglicht werden

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Es sind die kleinen Gassen, die voll großer Symbole sind.

Der Brüsseler Stadtteil Etterbeek hat elf seiner Straßennamen umbenannt.

Bislang erinnerten sie an Belgien koloniale Vergangenheit, künftig erinnern sie an Rosa Parks, Berta Cacéres, Kebedech Seyoum: an Menschen, die für Bürgerrechte gekämpft haben.

Eigentlich war dieses Projekt schon für März vorgesehen, wurde aber wegen der Quarantäne verschoben.

Das Thema könnte indes heute nicht aktueller sein.

Es sei vielleicht kein Zufall, dass sich der Volkszorn wegen eines eher allgemeinen Unmujts erhebe, so die stellvertretende Bürgermeisterin Françoise De Halleux.

Deswegen sei es jetzt der richtige Moment, sich über einige Selbstverständlichkeiten bewußt zu werden: nämlich, dass Menschen nicht dasselbe Leben führten, da sie unterschiedlicher Rasse, unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlicher sexueller Orientierung seien - oder eine Behinderung mit sich trügen.

Die meisten Nachteile habe man als schwarze, behinderte Frau.

Die Änderung der Straßennamen soll nicht endgültig sein.

Die Anwohner befürworten das Projekt, ebenso Anti-Rassismus-Organisationen.

Doch müsse die belgische Gesellschaft über Symbole hinaus gehen.

Ziel müsse die völlige Ächtung struktureller Diskriminierung sein, sagt Carlos Crespo, Chef der Bürgerrechtsbewegung MRAX.

Das betreffe alle Bereiche, Arbeit, Wohnraum, kulturelle Identität.

Die aktuelle Arbeit an Denkmälern und Straßennamen sei nur die Spitze eines Eisbergs.

Die Initiative in Etterbeek hat eine nationale, ja sogar internationale Debatte entfacht.

Schon erheben sich Stimmen, die die Aktion ablehnen.

Das Ganze habe keinen Sinn, kritisiert der Historiker Francis Balace von der Universität Lüttich.

Das Umstürzen von Statuen lehne er ab. Leopold der Zweite sei zwar der Souverän des Kongo gewesen, auch wenn er dort nie gewesen sei.

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Aber Leopold sei 44 Jahre lang belgisches Staatsoberhaupt gewesen, und Brüssel verdanke ihm sein modernes Stadtbild.

Etterbeek will aus der Initiative pädagogischen Nutzen ziehen.

Etwa Führungen für Anwohner und Schüler sollen künftig eine historische Perspektive vermitteln.

Journalist • Stefan Grobe

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