Rave-Partys und langes Warten: Die Corona-Lage in Frankreich

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Corona-Test Copyright Petr David Josek/AP
Von Julien Pavy
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Frankreich sieht sich mit einem rasanten Anstieg von Corona-Infektionen konfrontiert - medizinische Labore scheinen überfordert und Ärzte klagen über lange Wartezeiten. Kann das Land die zweite Corona-Welle meistern?

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Offiziell spricht man in Frankreich noch nicht von einer zweiten Welle - aber die Zahlen liefern ein anderes Bild. Das Land ist mit einem rasanten Anstieg von Corona-Infektionen konfrontiert - allein in der vergangenen Woche wurden 55.000 Menschen positiv auf das Virus getestet.

An diesem Donnerstag gab es mit mehr als 10.600 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden einen neuen Negativ-Rekord.

Mehr als 55.000 neue Infektionen in einer Woche

Angesichts der sich verschlechternden Gesundheitssituation appellierten Ärzte in den französischen Medien "der Erholung ein Ende zu bereiten". Sie forderten die Bevölkerung auf, private Zusammenkünfte, in deren Nachgang viele neue Infektionen auftreten, einzuschränken.

"Wir haben gesehen, dass von den meisten neuen Fällen viele nach Familienzusammenkünften auftraten oder vom Arbeitsplatz stammten. Es ist daher unerlässlich, die Hygienemaßnahmen zu respektieren, sobald man sich in einem geschlossenen Raum aufhält", erklärt Jean-Paul Hamon, der Präsident des französischen Ärzteverbands - und weiter: "Am vergangenen Wochenende gab es eine weitere Rave-Party in der Nähe von Nantes. Das ist nicht sehr vernünftig, denn selbst wenn Sie sich im Freien aufhalten und die Gefahr einer Ansteckung geringer ist, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass man sich bei größeren Veranstaltungen, wo viele Menschen aufeinander treffen, leichter ansteckt."

Mehr als 1 Mio. Tests pro Woche

Es ist zuallererst an den Ärzten, ihre Patienten zu untersuchen und bei Bedarf an medizinische Labore zu überweisen, die Coronatests durchführen können. Jean-Paul Hamon bedauert jedoch die mangelnde Reaktionsgeschwindigkeit der Analyselabore:

Wir sollten in der Lage sein, Patienten testen zu lassen und die Ergebnisse innerhalb von 12 oder 24 Stunden zu erhalten. Aber leider ist dies nicht der Fall, sehr oft vergehen zwischen fünf und sieben Tagen.
Jean-Paul Hamon
Vorsitzender der französischen Ärztekammer

"Wir sollten in der Lage sein, Patienten testen zu lassen und die Ergebnisse innerhalb von 12 oder 24 Stunden zu erhalten. Aber leider ist dies nicht der Fall, sehr oft vergehen zwischen fünf und sieben Tagen. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, herauszufinden, welche Labors die Tests schnell durchführen - und welche Labors die Ergebnisse schnell liefern können. Im Moment ist es sehr, sehr schwierig, überhaupt an Tests zu kommen. Und das ist es, was helfen würde, die Epidemie einzudämmen, wenn wir positive Kontaktpersonen isolieren könnten."

Frankreich hat seine Covid-19-Testkapazität in den letzten Monaten erheblich gesteigert, von 200.000 Tests pro Woche auf derzeit mehr als eine Million. Die Gesundheitsbehörden verlassen sich auf die Testergebnisse, um die die Pandemie im Zaum zu halten.

"Es wurde der Fehler gemacht, die Menschen so oft ins Labor gehen zu lassen, wie sie wollten, und das hat die Labors blockiert, die den symptomatischen Fällen, den Kontaktfällen, keine Priorität einräumen konnten. Ich hoffe, dass das schnellstmöglich korrigiert wird", erklärt Hamon.

Corona-Tests: Lange Verzögerungen

Die Medizinlabore versprechen, ihre Kapazitäten weiter zu erhöhen. Arthur Clement ist Mitglied der Gewerkschaft für junge Biomediziner, er erklärt:

"In den letzten Wochen hatten wir einen sehr deutlichen Anstieg der Zahl der zu testenden Patienten. Wir haben die notwendigen Schritte eingeleitet und sind in Gesprächen mit Zulieferern, damit wir uns besser ausstatten können, neue Teams rekrutieren-, unsere Terminkalender erweitern- und mehr Patienten aufnehmen können, damit wir so schnell wie möglich Ergebnisse liefern können. Und ich bin recht optimistisch, dass sich das Warten auf die Testergebnisse in den kommenden Wochen deutlich verkürzen wird."

Seit Beginn der Coronakrise in Frankreich wurden mehr als 380.000 Menschen positiv auf das Virus getestet, davon mehr als 50.000 in der vergangenen Woche. In anderen Worten: 5 Prozent der durchgeführten Corona-Tests fallen positiv aus.

In der Stadt Lyon liegt die Zahl der positiven Fälle pro 100.000 Einwohnern an diesem Donnerstag bei 200, in Marseille betrug dieser Wert am Dienstag 300. Ab 50 positiv getesteten Personen pro 100.000 Einwohnern gilt ein Gebiet auch in Frankreich als "rote Zone".

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