Pädophilie: Mangelnde Wiedergutmachung nach guten Worten?

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Von Dimitri Korczak, Sabine Sans
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Unreported Europe geht auf die Spuren der Missbrauchs-Skandale und spricht mit Betroffenen, Anklägern und Kirchenmitgliedern.

In den neunziger Jahren erschütterten Pädophilie-Skandale die irische Kirche. Viel zu lange wurde die Taten verschwiegen, vertuscht und missachtet. Eine späte Entschuldigung von Papst Franziskus beim irischen Volk spaltete das tief katholische Land. Vielen kam sie zu spät. Haben die Opfer Wiedergutmachung und Gerechtigkeit erfahren? Übernimmt die Kirche die Verantwortung für den Missbrauch? "Nach dem Schweigen" ist der Titel dieser Unreported-Europe-Reportage aus Irland.

Kein normales Leben

Irland gehört zu jenen Staaten, in denen Priester und Ordensschwestern massiv Kinder und Frauen missbrauchten und misshandelten:

"Unser Leben ist nicht so normal wie das anderer Menschen, die nicht missbraucht wurden. Der Missbrauch hat unsere Einstellung zum Leben, zu anderen Menschen verändert. Als Missbrauchsopfer bin ich froh, dass jetzt alles ans Tageslicht kommt, dass alle es wissen. Die ganze Welt weiß es, die katholische Kirche weiß es. Sie haben es schon immer gewusst. Heute können sie es nicht mehr leugnen, wie sie es früher getan haben, jahrelanges Schweigen", sagt Missbrauchsopfer Martin Gallagher. "Sie hätten handeln können, als sie von den Missbräuchen erfuhren. Man hätte Hunderte Leben retten und Qualen für Familien und Kinder verhindern können. Ihr Schweigen hat mehr Leben zerstört, als man sich vorstellen kann."

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Martin Gallaghereuronews

Papst Franziskus hat bei seiner Irland-Reise 2018 die vielen Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch katholische Geistliche verurteilt. Er könne nicht umhin, "den schweren Skandal anzuerkennen, der in Irland durch den Missbrauch von Minderjährigen durch Mitglieder der Kirche verursacht wurde", sagte das katholische Kirchenoberhaupt bei einer Rede in Dublin und weiter:

"Das Versagen der Priester, Bischöfe und anderer kirchlichen Autoritäten mit diesen Verbrechen angemessen umzugehen, hat die Öffentlichkeit empört und bleibt eine Quelle des Schmerzes und der Schande für die katholische Gemeinschaft."
Papst Franziskus

Mangelnde Taten nach guten Worten

Marie Collins wurde als 13-Jährige von einem Priester vergewaltigt. Schuldgefühle, Scham, Depressionen prägten ihr Leben. Erst Jahrzehnte später konnte sie darüber sprechen. Die Aktivistin engagiert sich gegen Kinderpornografie im Internet und als Aktivistin gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche, Sie gründete eine nach ihr benannte Stiftung für Betroffene. 2014 berief Papst Franziskus sie in die päpstliche Kinderschutz-Kommission. 2017 trat sie aus Protest zurück. Sie beklagte den Widerstand in der Kurie, besonders in der damals von Kardinal Gerhard Ludwig Müller geleiteten Glaubenskongregation. Vom Papst ist sie enttäuscht:

"Er sagte, er ziehe die Bischöfe zur Rechenschaft, er entlasse sie. Ich sagte ihm, dass er einige von ihnen abgerufen habe, aber sie konnten zurücktreten und sich ihrer Verantwortung entziehen. Niemand weiß also, dass sie schuldig wurden."

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Marie Collinseuronews

Auch der Direktor von Amnesty International Ireland sowie selbst ein Missbrauchsopfer Colm O’Gorman ist enttäuscht:

"Man braucht nur ein bisschen in Google zu suchen, dann findet man viele Beispiele von Päpsten und Bischöfen, die sagen: 'Wir wussten es nicht. Genau wie der Rest der Gesellschaft haben wir es nicht für möglich gehalten, dass solche Dinge möglich sind.' Sie wussten es, sie haben gelogen."

Hunderte Selbstmorde

Dublin, August 2018: Zum ersten Mal entschuldigte sich Papst Franziskus öffentlich für die von Priestern der katholischen Kirche begangenen Gräueltaten. 500.000 Gläubige wurden erwartet, nur 130.000 kamen; 40 Jahre zuvor waren eine 1 Million zum Auftritt von Johannes Paul II.

Irland ist tief katholisch, dort gibt es eine der größten katholischen Bevölkerungsgruppen in Europa. Die katholische Kirche ist in der Kultur des Landes verwurzelt, aber auch in seinen Machtzentren. Schon immer haben die katholischen Iren ihr Vertrauen und ihre politischen Entscheidungen in die Hände dieser allmächtigen Institution gelegt. Doch seit 2002 haben zahlreiche Berichte und Untersuchungen Licht in mehr als 15.000 Fälle von sexuellem Missbrauch zwischen 1970 und 1990 gebracht. Die von Klerus-Mitgliedern begangenen Misshandlungen sind also nicht neueren Datums. Papst Franziskus entschuldigt sich aber erst 2018. Für viele kommt die Entschuldigung zu spät. Sein Besuch bleibt umstritten, viele Iren fühlen sich verraten.

Es gab Hunderte Selbstmorde infolge der Missbräuche. Diejenigen, die mit dem Missbrauch leben, werden die "Überlebenden" genannt. Martin Gallagher ist einer von ihnen. In seiner Kindheit wurde er von Eugene Greene, einem Priester in der Grafschaft Donegal im Nordwesten Irlands, sexuell missbraucht. An seiner Seite Martin Ridge, ein ehemaliger Polizeiinspektor, der als erster Gallaghers Missbrauch ernst nahm. Der Überlebende Martin Gallagher erzählt:

"Als wir jünger waren und missbraucht wurden, gab es niemanden, mit dem wir reden und dem wir vertrauen konnten. Wir konnten uns nicht den Priestern offenbaren. Sie hätten uns ausgelacht und uns Lügner genannt. Wir konnten es nicht unseren Eltern erzählen, denn sie hätten sich an den Priester gewandt, und er hätte sie nicht ernst genommen. Wir konnten nicht zur Polizei gehen, weil die Polizei, die Priester und die Lehrer unter einer Decke steckten, sie hielten zusammen. Wir waren auf uns allein gestellt. Erst Martin Ridge begann gegen Eugene Greene zu ermitteln. Es war der Beginn eines neuen Kapitels in unserem Leben, denn wir wurden den Druck, die Angst und die Depression los, all die schlimmen Dinge, die sich seit Jahren aufgestaut hatten. Allein schon das erste Gespräch mit Martin hat mir eine große Last von den Schultern genommen, zu wissen, dass mir endlich jemand helfen würde."

Das Schweigen brechen

2008 veröffentlichte Martin Ridge "Breaking the Silence". Ein Buch, das von seinen Ermittlungen zwischen den sechziger und neunziger Jahren über die Missbrauchsvorwürfe gegen den Priester Eugene Greene berichtet. Er wirft der katholischen Kirche vor, dass sie nichts unternommen habe, um den jahrzehntelangen Missbrauch zu stoppen, obwohl es bereits mehrere Beschwerden gegen den Priester gab.

"Ich bin froh, dass ich für sie da war, denn sie haben mich und die Gesellschaft aufgeklärt", so der Ex-Polizist. "Diese Leute sind Experten, sie wissen, wovon sie reden. Noch einmal: Martin braucht meine Dankbarkeit nicht, aber ich und auch die Öffentlichkeit, wir sind Martin und den anderen Opfern so dankbar. Gott sei Dank bringt er sein eigenes Leben wieder auf die Reihe. Das ist nicht leicht. Wir alle haben schlechte Tage. Die Gefühle der Angst und Verachtung können wiederkommen. Man muss aufpassen, denn Wut kann auch selbstzerstörerisch sein. Vielleicht ist es gut, das festzuhalten, um zu erkennen, was vor sich geht. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Martin, immer und immer wieder."

Dimitri Korczak
Martin Ridge, Ex-Polizeiinspektor, Falcarragh, Juli 2018Dimitri Korczak

Martin Gallaghers Geschichte ist kein Einzelfall. Die Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs in Irland betreffen fast 14.500 Kinder und Jugendliche. Die Verbrechen wurden über mehrere Jahrzehnte hinweg begangen. Irland ist in Europa eines der am stärksten von diesem Phänomen betroffenen Länder. Zum Vergleich: In Belgien, Deutschland und Frankreich wurden seit 2010 lediglich mehrere Hundert Beschwerden registriert.

Die meisten Opfer haben in Dublin, der größten irischen Diözese, Anzeige erstattet. Zwischen 1975 und 2004 waren zwölf Priester für zwei Drittel der in der Hauptstadt eingereichten Klagen verantwortlich. Als Reaktion darauf richtete die Diözese 2002 neben einer staatlichen Stelle den "Child Safeguarding and Protection Service" ein. Direktor und Koordinator ist seit 2010 Andrew Fagan:

"Als bekannt wurde, dass sich Priester gegenüber Kindern missbräuchlich verhalten hatten, wurde das als ein Problem für den Priester verstanden und nicht als ein Problem für das Kind oder andere Kinder. Lange Zeit war es – es war zwar nicht so, dass die Diözese oder die Behörden nichts dagegen unternommen hätten, sie haben gehandelt. Aber es ging nur darum, das Verhalten der Priester zu korrigieren, bevor man sie wieder in ihr Amt einsetzte. Man konzentrierte sich nicht auf die Kinder, die Priorität lag nicht darauf, ihre Sicherheit zu gewährleisten. Auch wenn sich viele Dinge geändert haben, bin ich mir nicht sicher, ob sich die Wahrnehmung geändert hat. Ich glaube, dass viele Leute es immer noch für riskant halten, ihre Kinder an kirchlichen Aktivitäten teilnehmen zu lassen. Viele Eltern haben entschieden, sich von der Kirche zu distanzieren."

Kinderschutz in der Kirche

Frank Reburn ist Priester in der Gemeinde Glasnevin im Norden der Hauptstadt. Er setzt die Kinderschutz-Richtlinien der Diözese in die Praxis um. Und wie alle Priester in Irland musste er vor seinem Amtsantritt einen psychologischen Test ablegen. Er erzählt:

"Wenn ich Eltern zum Gespräch treffe und wir ihre Kinder auf ein Sakrament vorbereiten, auf die Firmung oder die Kommunion, erkläre ich ihnen, dass es hier in unserer Pfarrei Vorschriften zum Schutz der Kinder gibt. Wir lassen nie ein Kind mit einem Erwachsenen allein. Besonders in unserer Pfarrei, in unserer Sakristei. Kinder sind niemals allein mit nur einem Erwachsenen zusammen. Wir stellen sicher, dass sie unter der Obhut von ausgebildeten Personen stehen, die von der Polizei überprüft wurden. Wenn Priester zu Besuch kommen, wenn jemand unsere Sakristei betritt, müssen sich diese Personen anmelden. Wir bitten auch die anwesenden Eltern oder Erziehungsberechtigten, ihre Kinder nicht allein auf die Toilette gehen zu lassen, im öffentlichen Bereich zu bleiben, um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten. Es war ein schreckliches Kapitel in der Geschichte der Kirche und in unserem Leben, ein wirklich schreckliches Kapitel. Ich nehme das Thema sehr ernst. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass in dieser Kirche keine Kinder zu Schaden kommen."

Wenn die Kirche sich heute dem Thema stellt, liegt das auch an den vielen Enthüllungen, die publik wurden. Wie die von Darren MacGavin. Der 48-Jährige ist auch ein Überlebender. Er wurde von Tony Walsh sexuell missbraucht, der derzeit in Ballyfermot wegen der Vergewaltigung von über 200 Kindern im Gefängnis sitzt. Dort ist Darren MacGavin in einer gewalttätigen Familie aufgewachsen. Er erzählt:

"Als ich sieben Jahre alt war, als ich in diese Schule kam, wurde er Priester in der Gemeinde. Er war auch ein Elvis-Presley-Imitator. Er gehörte zu einer Band namens 'The All Priest Show'. Sie tourten durch das ganze Land, traten in Hallen und Nachtclubs auf. Sie verdienten Geld damit!"

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Darren McGavineuronews

Seine Geschichte geht weiter: "Alle sagten über ihn, dass er brillant, großartig und wunderbar sei. Und wenn er dann von der Kanzel aus über Jesus Christus sprach, und er uns retten werde. Er kam zu uns nach Hause, sprach mit meinen Eltern. Er hatte ihr schmutziges Geheimnis herausgefunden. "Ich weiß, dass Sie das Kind und Ihre Frau schlagen." Jetzt waren meine Eltern, erwachsene Leute, dem Priester ausgeliefert, erpressbar geworden. Er kannte ihr schmutziges Geheimnis. Also schlug der Priester ihnen einen Deal vor: "Ich könnte Ihren Sohn aus dieser Umgebung herausnehmen. Weil Sie ihn traumatisiert haben, ist er ungehorsam. Und sie schlagen ihn immer noch, Sie wissen nicht, wie Sie ihn erziehen sollen. Wenn er mit mir kommt, könnte ich ihm Liebe beibringen, er könnte bei der Morgenmesse dabei sein. Wir werden ihn an schöne Orte mitnehmen. Nehmen Sie eine Last von Ihren Schultern." Für eine Mutter von fünf Kindern, die verrückt wurde, mit einem Ehemann, der sie bei den seltenen Gelegenheiten schlug, an denen er zu Hause war, war es die Lösung: "Mein Kind ist in Sicherheit." Und wenn ich Ihnen erzählen würde, dass ein kleiner Junge mit den Händen an den Knöcheln gefesselt an einen niedrigen Tisch gebunden war, dass er eine brennende Kerze sah, eine dünne Kerze. Der Junge dachte, es sei eine ganz normale Kerze. Und während mir gesagt wurde, dass ich alle Ewigkeit in der Hölle schmoren würde, wurde ich mit der brennenden Kerze vergewaltigt."

Mit 12 Jahren sah Darren McGavin einen Dokumentarfilm über Pädophilie, er erkannte, dass seine Beziehung zu dem Priester nicht normal war. Von diesem Tag an ging er zu einer Kinderpsychiaterin. Er hatte immer Angst davor, dass der Richter seiner Aussage während des Prozesses nicht glauben würde:

"Sie gab mir die Puppe und sagte: "Kannst Du mir zeigen, was passiert ist?" Ich sagte: "Wollen Sie, dass ich vor Ihnen meinen Penis in die Puppe stecke?" Und sie sagte: "Was?" Ich sagte: "Sie haben mich gebeten, es Ihnen zu zeigen. Sie wollen, dass ich...die Puppe aufreiße und sie reite." Sie sagte: 'Nein! Zeig es mir einfach." Ich sagte: "Ich verstehe das nicht. Ich soll es tun, aber Sie sagten mir, es sei falsch. Warum wollen Sie, dass ich etwas falsch mache? Ich verstehe das nicht." Sie verhielten sich, als wären sie völlig ahnungslos. Also fragte ich sie, warum sie mich nicht einfach bitten, zu erzählen, was passiert ist. Während sie mir zuhörten, fragte ich sie immer wieder, - während ich ihnen ein Taschentuch reichte, ich mit meinen 12 Jahren – ob es ihnen gutgeht. Weil ich sie traumatisiert hatte. Für mich war das normal, ich war daran gewöhnt."

Als Therapeut kann Darren McGavin heute anderen Missbrauchsopfern helfen. Er selbst hat fünf Selbstmordversuche überlebt und gehört zu den 10 Prozent der Opfer, die ihren Fall den Behörden gemeldet haben.

Vertuschung, Heuchelei und Korruption

2014 schätzte Papst Franziskus in einem Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica die Zahl der pädophilen Priester, einschließlich Bischöfe und Kardinäle, auf 2 Prozent.

Als Quelle einer vom Spotlight Boston Globe durchgeführten Reportage schätzte Richard Sipe, Psychiater und Priester im Ruhestand, die Zahl jedoch höher ein, nämlich auf 6 Prozent.

Laut Sipe misshandelt ein Pädophiler innerhalb der Kirche 250 Opfer in seinem Leben. In Irland entspräche das 280 pädophilen Priestern mit 70.000 Opfern und in ganz Europa etwa 11.200 Priestern, die über 2,8 Millionen Opfer missbraucht hätten. Das sind die Zahlen, die die Kirche zu vertuschen versuchte. Colm O'Gorman, ebenfalls ein Überlebender, kämpft jeden Tag um Wiedergutmachung.

"Die Art und Weise, wie die Kirche sich verhielt sowie die Heuchelei und Korruption im Herzen der Kirche wurden aufgedeckt", sagt der Direktor von "Amnesty International Ireland". "Das führte dazu, dass die Iren die moralische Autorität der Kirche ablehnten. Es führte zu einem Ende der politischen Dominanz der Kirche hier in Irland. Der Vatikan bezeichnete uns jahrzehntelang als Lügner ; wir würden Lügen erzählen, wir seien Fantasten, dass das eine antikatholische Agenda sei, dass es keine Vertuschung gäbe. Jetzt sagt der Papst also, es habe eine Vertuschung gegeben, und wir sollen ihn für großartig halten, dass er die Wahrheit anerkennt? Das ist das Minimum."

Marie Collins ist auch eine Überlebende, sie wurde als 13-Jährige von einem Priester vergewaltigt. Die Aktivistin kämpft gegen Missbrauch und Kinderpornographie im Internet. 2014 berief Papst Franziskus sie in die päpstliche Kinderschutz-Kommission. 2017 trat sie aus Protest zurück. Sie beklagte den Widerstand in der Kurie:

"Die Kommission bestand aus kirchenexternen Experten, Kinderschutzexperten aus allen Bereichen, die zusammenkamen, um den Papst zu beraten und Fachwissen von außen in die Kirche zu bringen. Ich habe mitgemacht, denn wenn die Kirche aufrichtig einen Wandel wollte, so dachte ich, dass ich mich dafür einsetzen sollte, um zu helfen. Aber nach ein paar Jahren stellte ich fest, dass es im Vatikan sehr viel Widerstand gegen Veränderungen gab. Sie untergruben die Arbeit der Kommission. Sie widersetzten sich der Arbeit der Kommission. Wir haben Empfehlungen ausgesprochen, der Papst hat sie gebilligt, und sie wurden nicht umgesetzt. Es war reine Zeitverschwendung. Die Kurie sah uns in der Kommission als Leute, die von außen kamen und sich einmischten. Die Bedeutung des Kinderschutzes wurde ignoriert, es war nur Politik."

Die jüngste Entscheidung von Papst Franziskus, sich zu den Skandalen innerhalb der Kirche zu äußern, zeigt den Wunsch nach mehr Transparenz im Vatikan. Heute werden Beschwerden und Zeugenaussagen über sexuellen Missbrauch an zivile Behörden weitergeleitet. Die Kirche muss sich dem fügen. 2015 erlaubten die Iren die Homo-Ehe per Referendum. 2018 widerrief das Land die 8. Änderung seiner Verfassung, um das Recht auf Abtreibung zuzulassen. Fast 80 Prozent der irischen Bevölkerung sind katholisch. Es sind also Katholiken, die für diese beiden Reformen gestimmt haben, die kirchlichen Richtlinien widersprechen. Die Zahlen verdeutlichen ein Paradoxon: Die irische Gesellschaft bleibt kulturell katholisch, hat sich aber von der Kirche als Institution distanziert. Dieser Trend ist in ganz Europa zu beobachten, dem einzigen Kontinent, auf dem die katholische Bevölkerung in den vergangenen Jahren stagniert bzw. zurückgegangen ist.

Dimitri Korczak
Kreuz am Bray Head im Süden von DublinDimitri Korczak

Irland hat seitdem versucht, seine Wunden zu heilen und die Sicherheit der Kinder zu verbessern. Das Land verstand, dass die Kirche selbst nichts heilen würde. Eine wichtige Lektion für andere Länder wie Australien, Frankreich, Polen und die USA, in denen Opfer sexuellen Missbrauchs innerhalb der Kirche erst allmählich Gehör finden. All diese Stimmen zeigen das Ausmaß der Vertuschung und die viel zu häufige Reaktion der Kirche: Schweigen oder noch schlimmer Komplizenschaft.

In den USA ist der Fall Theodore McCarrick ein weiteres öffentlichkeitswirksames Beispiel für dieses Verhalten: Der Kardinal wurde 2019 nach langjährigen Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs, von denen er behauptete, er könne sich "nicht erinnern", als emeritierter Erzbischof endgültig aus dem Amt entlassen.

Ein Vatikan-Bericht wies auf Versäumnisse hoher US-Kleriker, Vatikan-Offizieller und Päpste hin, darunter Johannes Paul II., die ihn trotz der gegen ihn erhobenen Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens durch die Ränge aufsteigen ließen.

Opfer werden sich also an öffentliche Institutionen, um gehört zu werden und in der Hoffnung, eines Tages damit abschließen zu können.

Den Glauben bewahren

Wie leben die Betroffenen mit dem Geschehen, haben sie sich ihren Glauben bewahrt?

Marie Collins antwortet: "Ich habe meinen Glauben bewahrt, ja, ich habe meinen Glauben und meine Überzeugungen bewahrt. Aber die Institution der Kirche bedeutet mir jetzt nicht mehr so viel. Die institutionelle Kirche hat... ich habe wirklich jegliches Vertrauen in sie verloren. Ich habe immer noch eine Beziehung zu Gott, ich werde weiterhin beten, und ich betrachte mich immer noch als Katholikin."

Und Colm O'Gorman sagt: "Das ist eine große Frage, ob ich noch gläubig bin. Ich habe keinen religiösen Glauben, aber ich habe einen tiefen Glauben an die Menschheit, an das Gute, an... das Leben, an die Heilung. Und ich habe einen noch größeren Glauben an etwas, von dem ich weiß, dass es wahr ist, und zwar, dass, egal wie schrecklich der zugefügte Schaden ist, egal wie schrecklich das Vergehen war: Wenn wir bereit sind, es zu akzeptieren, uns dem zu stellen, mit Mut und Wahrheit, mit Mitgefühl und Liebe und mit der Verpflichtung, nach vorn zu schauen, dann ist Heilung, Wiederherstellung und Fortschritt nicht nur möglich, sondern unvermeidlich. Das ist mein unerschütterlicher Glaube."

Collins sagt abschließend: "Das Schweigen darüber ist das Schrecklichste daran. Für so viele Opfer ist es zu viel gewesen, und sie haben sich, wie man weiß, das Leben genommen. Wir müssen also die Länder im Blick behalten, in denen das immer noch geschieht, und an die Kinder dort denken."

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