Dänemark will 70 Flüchtlingskinder nach Syrien abschieben

Ein Kind mit seiner Mutter während einer Kundgebung in Istanbul, Februar 2018
Ein Kind mit seiner Mutter während einer Kundgebung in Istanbul, Februar 2018 Copyright AP Photo
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Syrien ist sicher, syrische Familien könnten in ihr Heimatland zurückzukehren, sagen die dänischen Behörden. Kinderrechtsaktivisten sind anderer Meinung.

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Syrien sei sicher, syrische Familien könnten in ihr Heimatland zurückzukehren, sagen die dänischen Behörden. Kinderrechtsaktivisten sind anderer Meinung. Sie beschuldigen Dänemark, die Zukunft der syrischen Kinder zu opfern.

Die dänischen Behörden würden das Leben und die Zukunft von Dutzenden Flüchtlingskindern gefährden, sagt die Kinderrechtsorganisation Save the Children. Dänemark hat trotz Warnungen von NGOs angekündigt, Familien nach Syrien abzuschieben.

In einer Erklärung sagt die Kinderrechtsorganisation Save the Children, sie sei "zutiefst besorgt" darüber, dass mindestens 70 Flüchtlingskinder nach Syrien abgeschoben werden sollen.  

Dänemark löste mit seiner Ankündigung, syrischen Flüchtlingen aus Damaskus den vorübergehenden Schutz zu entziehen, eine Debatte aus. Der Schutz erlaubt es den Familien, vorübergehend im Land zu bleiben. Die Behörden begründen ihre Entscheidung damit, dass "sich die Sicherheitslage in Teilen Syriens deutlich verbessert" habe.

Behörden: "Bedingungen in Damaskus nicht mehr so ernst"

In einem Bericht aus dem vergangenen Jahr bewertet die Regierung, "die Bedingungen in Damaskus in Syrien nicht mehr so ernst, als dass es Gründe für die Gewährung oder Verlängerung von temporären Aufenthaltsgenehmigungen geben würde".

Aufgrund der Entscheidung könnten hunderte syrische Flüchtlinge aus der Region Damaskus ihre Aufenthaltsgenehmigung verlieren, was sie dazu zwingen würde, in ein Land zurückzukehren, das seit Jahren in einen Konflikt verwickelt ist.

Im Gespräch mit Euronews sagt Amjad Yamin, Direktor für Advocacy, Medien und Kommunikation im Syrien-Büro von Save the Children, dass die Organisation von mindestens 70 Kindern wisse, die auf eine endgültige Entscheidung darüber warten, ob sie ihr Recht auf Aufenthalt in Dänemark verlieren oder nicht.

Wenn ihre Ablehnung bestätigt wird, müssten sie und ihre Familienmitglieder mit den dänischen Behörden Pläne für die Rückkehr nach Syrien machen oder sie könnten auf unbestimmte Zeit in Ausreisezentren untergebracht werden, sagte er.

Trifft Dänemark eine populäre Entscheidung?

Er verstehe die Begründung Dänemarks für eine mögliche Rückführung der Kinder nach Syrien nicht, sagte Yamin. Er glaube, dass diese seit einiger Zeit schwebende Entscheidung eine populäre ist. 

"Viele Länder sind langem großzügig", sagt Yamin. Allerdings erklärt er: "Syrien ist kein Ort, an den Kinder zurückgeschickt werden sollten... Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um Menschen zur Rückkehr zu drängen".

In einer Stellungnahme von Save the Children sagt Anne Margrethe Rasmussen, die dänische Gebietsrepräsentantin der Organisation für die Region Naher Osten und Nordafrika (MENA), dass Kinder, die zur Rückkehr nach Syrien gezwungen würden, in ein "Land zurückkehren würden, an das sie sich kaum erinnern können und das immer noch nicht sicher ist".

"Kinder, die keine Verantwortung für den verheerenden Konflikt in Syrien haben, sind wieder einmal Opfer einer Krise, die von Erwachsenen verursacht wurde. Viele von ihnen haben nie ein friedliches Syrien kennengelernt, das nun schon seit mehr als zehn Jahren von Konflikten geprägt ist", sagt Rasmussen.

Die meisten Kinder wollen nicht zurück in das "Land ihrer Eltern"

Save the Children hat in einer kürzlich durchgeführten Forschungskampagne mit mehr als 1.900 Kindern und Betreuern in Syrien, Jordanien, dem Libanon, der Türkei und den Niederlanden gesprochen und festgestellt, dass die "große Mehrheit" der Kinder gab an, dass sie nach den Jahren des Kriegs und Konflikts für sich keine Zukunft in Syrien sehen.

Von den Befragten sagten 86 Prozent der syrischen Flüchtlingskinder in den genannten Ländern, dass sie nicht in "das Land ihrer Eltern" zurückkehren wollen.

Sogar unter den Befragten innerhalb Syriens sagte jeder Dritte, dass er lieber woanders wäre.

Die Entsendung von Kindern nach Syrien würde ihre Sicherheit gefährden, sagt Rasumssen. Und auch die Unterbringung von Kindern in Ausreisezentren, die Rasmussen als Mittel sieht, um die Eltern zur Ausreise zu drängen, würden das "psychische Wohlbefinden und ihre Entwicklung der Kinder zutiefst beeinträchtigen." 

"Syrische Kinder haben das Recht, sich sicher zu fühlen, und sie sollten nicht in der Angst leben, erneut zur Flucht gezwungen zu werden", sagte sie. Es sei noch zu früh, "irgendeinen Teil Syriens" als sicher zu bezeichnen.

"Ein solches Argument entspricht nicht den internationalen Standards und spiegelt nicht die Realität vor Ort wider. Es berücksichtigt nicht die Risiken willkürlicher Verhaftungen und des Aufflammens von Gewalt. Es ignoriert die Tatsache, dass viele Häuser zerstört sind, der Zugang zu Bildung bestenfalls eingeschränkt ist und das Gesundheitssystem überfordert ist", sagt die für Syrien Verantwortliche bei Save the Children, Sonia Khush. 

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Amjad Yamin erklärt gegenüber Euronews, dass auch die Coronavirus-Pandemie ein Grund zur Sorge sei und verwies auf den jüngsten Anstieg der Fälle im letzten Monat. "Wie kann man Kinder in diese Situation zurückschicken? Zu Hunger, Armut, Tod, Covid und keiner Schule... Es ist sehr besorgniserregend, wenn sie zurückgeschickt werden."

Freiwillige, sichere und würdevolle Rückkehr

In einer Erklärung von Human Rights Watch verurteilen Experten für die Situation in Syrien die Entscheidung der dänischen Regierung, den Schutz für syrische Flüchtlinge in Damaskus aufzuheben.

"Wir glauben, dass derzeit nirgendwo in Syrien die Bedingungen für eine sichere Rückkehr gegeben sind und dass jede Rückkehr freiwillig, sicher und menschenwürdig sein muss, wie die EU und der UNHCR deutlich gemacht haben", so die die Experten, darunter Ammar Hamou von Syria Direct, Bente Scheller von der Heinrich-Böll-Stiftung, Sara Kayyali von Human Rights Watch und Suhail al-Ghazi, ein syrischer Forscher und Non-Resident Fellow am Tahrir Institute for Middle East Policy. 

Sie fordern die dänischen Behörden auf, der Resolution des Europäischen Parlaments vom letzten Monat zu folgen. Diese erinnert alle Mitgliedsstaaten daran, dass "Syrien kein sicheres Land ist, in das man zurückkehren kann".

"Dänemark war das erste Land, das 1951 der Flüchtlingskonvention beigetreten ist. Es schafft nun einen gefährlichen Präzedenzfall, indem es effektiv den ersten Schritt macht, um Menschen an einen Ort zurückzuschicken, der alles andere als sicher ist", sagt Sonia Khush von Save teh Children.

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"Die meisten syrischen Kinder sehen nicht einmal eine Zukunft in ihrem Land. Einfach ausgedrückt: Syrien ist nicht bereit für die Rückkehr von Flüchtlingen, und die meisten Kinder wollen nicht dort sein. Die dänischen Behörden sollten auf sie hören."

Euronews hat die dänische Regierung um einen Kommentar gebeten.

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