Dennis Ross: Netanjahu muss Bidens Worte sehr ernst nehmen

Dennis Ross: Netanjahu muss Bidens Worte sehr ernst nehmen
Copyright Maya Alleruzzo/Copyright 2021 The Associated Press. All rights reserved
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Von Stefan Grobe
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In dieser Ausgabe von State of the Union, unserem Wochenendmagazin aus Brüssel, ein Interview mit dem Nahost-Berater von Bill Clinton und Barack Obama, Dennis Ross.

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Die Nachrichten von der Covid-Front diese Woche waren vielversprechend. Da die Infektionszahlen weiter fallen und die Impfungen steigen, haben viele europäische Länder Zwangsmaßnahmen gelockert, um zu einer Form von Normalität zurückzukehren.

Dies ließ Ereignisse an der Peripherie Europas wieder die Schlagzeilen dominieren, ebenfalls eine Rückkehr zu einer Form der politischen Normalität, wenn man so will.

Die Rede ist von dem jüngsten Flüchtlingsdrama im Mittelmeer und natürlich den Kämpfen zwischen Israel und der Hamas.

Die üblichen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der EU über den Nahostkonflikt wurden diese Mal überraschend öffentlich, nachdem Borrell einräumen musste, dass er nur für 26 EU-Mitglieder sprach - Ungarn war als einziges Land ausgeschert.

Offenbar störte die ungarische Regierung die Erwähnung von zivilen Opfern, viele Frauen und Kinder, auf beiden Seiten. Und da die allermeisten Opfer auf palästinensischer Seite zu beklagen waren, wäre Borrells EU-26-Erklärung einseitig.

Auf jeden Fall sorgt die explosive Stimmung in der Region für wachsende Besorgnis in der internationalen Gemeinschaft, die es wieder mit einem Jahrzehnte alten Konflikt zu tun hat.

Über die wieder aufgeflammten Kämpfe zwischen Israel und der Hamas das folgende Interview mit Dennis Ross, dem Nahost-Sondergesandten von US-Präsident Bill Clinton und Sonderberater von Präsident Barack Obama.

Euronews: Der letzte Kampf zwischen Israel und der Hamas 2014 dauerte 50 Tage. Jetzt haben wir zwei Wochen lange Kämpfe gesehen - war dies eine Überraschung oder etwas, das früher oder später kommen musste?

Ross: Ich denke nicht, dass es eine Überraschung war. 2014 feuerte die Hamas an 52 Tagen 4500 Raketen auf Israel ab. Dieses Mal, in nur zehn Tagen, war es fast dieselbe Zahl an Raketen. Hamas hat also die Zeit seit 2014 genutzt, nicht nur um ihr Waffenarsenal aufzufüllen, sondern auch um ein großes Tunnelsystem zu errichten. Das legt die Vermutung nahe, dass ein Angriff früher oder später kommen musste.

Euronews: Präsident Biden hat seinen Druck auf Netanjahu erhöht. Beide kennen sich seit Jahrzehnten, haben ein gutes persönliches Verhältnis. Kann das hilfreich sein in der Zukunft?

Ross: Ich denke ja. Ich glaube, dass Netanjahu versteht, dass er mit Präsident Biden jemanden vor sich hat, der sich Israel gegenüber verpflichtet fühlt, der aber auch bereit ist zu sagen: genug ist genug, wenn notwendig. Netanjahu weiss, dass er diese Worte Bidens sehr ernst nehmen muss.

Euronews: In Washington verlangen einige Republikaner, dass Biden die indirekten Gespräche mit dem Iran über sein Atomprogramm verlassen sollte, weil der Iran die Hamas aktiv unterstütze. Ist das eine berechtigte Forderung?

Ross: Also, Tatsache ist, dass der Iran die Hamas aktiv unterstützt. Aber die beiden Themen sind voneinander getrennt. Ob es ein Atomabkommen mit dem Iran gibt oder nicht, der Iran wird in der Region das weiter tun, was er ohnehin tut. Die USA werden dieselbe Haltung einnehmen müssen: Das Iran-Dossier ist eine Sache, das, was der Iran in der Region tut, eine andere.

Euronews: Netanjahu hat es kürzlich nicht geschafft, eine neue Regierung zu bilden. Wird der Kampf gegen die Hamas ihm innenpolitisch helfen oder eher schaden?

Ross: Keine israelische Regierung würde Raketenangriffe der Hamas auf Jerusalem oder Tel Aviv akzeptieren, ohne darauf zu antworten oder eine Abschreckung zu haben. Netanjahu hat nicht mehr den Auftrag, eine Regierung zu bilden, aber er kann bei einer wahrscheinlichen fünften Wahl wieder kandidieren. Und dann wird man sehen. Die sozialen Verhältnisse in Israel haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Und wie die Israelis auf einen Waffenstillstand reagieren in einem neuen Wahlkampf, bleibt abzuwarten.

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