Slowenien - ein Problem für alle Europäer?

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Mit der EU-Ratspräsidentschaft kommt mehr Kontrolle und Rechenschaftspflicht für Slowenien - sicherlich eine neue Erfahrung für Ministerpräsident Janez Jansa.

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Während die Europäer in den Sommerurlaubsmodus schalten, waren die Nachrichten aus Brüssel diese Woche eher ermutigend. Der wirtschaftliche Aufschwung scheint sich rasch zu beschleunigen, und die EU-Kommission rechnet nach wie vor damit, dass sie das Ziel erreicht, im Laufe des Juli 70 Prozent der Erwachsenen geimpft zu haben.

Slowenischer EU-Ratsvorsitz - Janez Jansa muss sich auf Gegenwind einstellen

Es war keine herzliche Begrüßung für die neue sechsmonatige slowenische EU-Ratspräsidentschaft.

Der Regierung wird vorgeworfen, die Pressefreiheit zu verletzen, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden und nicht mit der neuen europäischen Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten, deren Aufgabe es ist, den Missbrauch von EU-Geldern zu untersuchen.

Die slowenische Regierung wird von Janez Jansa geführt, einem Mann, der einst wegen Korruption zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde und der glaubt, dass Donald Trump die letzte US-Präsidentschaftswahl gewonnen hat.

Diese Woche debattierte das Europäische Parlament über das Programm der slowenischen Präsidentschaft und Jansa bekam, wenig überraschend, was zu hören.

Verleumdungskampagnen und Einschüchterung der freien Medien, der Zivilgesellschaft und die Suche nach Sündenböcken. Das sind nicht das Handeln, das wir von einer europäischen Regierung erwarten!
Ska Keller, Europaabgeordnete der Grünen

"Verleumdungskampagnen und Einschüchterung der freien Medien, der Zivilgesellschaft und die Suche nach Sündenböcken. Das sind nicht das Handeln, das wir von einer europäischen Regierung erwarten", sagte die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller.

Manfred Weber (CDU) sagte: "Lassen Sie mich sehr deutlich sein. Jedes Problem im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit ist keine interne Angelegenheit eines Mitgliedsstaates, sondern ein Problem aller Europäer."

Slowenien - ein Problem für alle Europäer

Mit der EU-Ratspräsidentschaft kommt mehr Kontrolle und Rechenschaftspflicht für das Land - sicherlich eine neue Erfahrung für Ministerpräsident Janez Jansa. Bei einer Pressekonferenz nach der Debatte in Straßburg schien er die Botschaft nicht verstanden zu haben. Für ihn ist es offenbar Zeitverschwendung, sich mit der rechtsstaatlichen Situation in Slowenien zu beschäftigen.

"Ich unterstütze die Rechtsstaatlichkeit voll und ganz. Aber es gibt andere Probleme, zum Beispiel gibt es in Weißrussland 400 politische Gefangene, die sterben, und auch sie verdienen unsere Unterstützung. Es gibt also viele, viele andere Probleme, die unermesslich wichtiger sind als das, womit wir jetzt Zeit verschwenden", so Jansa.

Jansa ist ein enger Verbündeter von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Orban stand in letzter Zeit unter schwerem Beschuss für das umstrittene LGBT-Gesetz seines Landes, das die Sexualerziehung in einer Weise einschränkt, die Homosexualität grob stigmatisiert. Orban verhöhnt seit Jahren die Werte der EU - aber dieses Mal könnte er zu weit gegangen sein.

Ein Warnschuss für Viktor Orbán

Die Missachtung europäischer Grundwerte in einigen Mitgliedsstaaten spaltet die Europäische Union und sorgt immer wieder für Diskussionen über den richtigen Umgang mit den betreffenden Ländern, wenn es um Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte geht. Euronews hat mit der Schriftstellerin, Expertin für europäische Themen und Gastprofessorin am Europakolleg, Shada Islam, gesprochen.

euronews: "Hatte der niederländische Premierminister Rutte recht, als er Viktor Orban beim letzten Gipfel gesagt hat, er solle die EU verlassen, wenn er die europäischen Werte nicht teilt?"

Shada Islam: "Der Kommentar war ziemlich harsch, aber ich denke, dass viele Leute so denken. Wenn man sich wirklich nicht an die Wertegemeinschaft bindet, an diese Union der Gleichheit, die die EU schaffen will, dann sollte man sich wirklich entscheiden, ob man dabei ist oder nicht. Aber ich kann auch verstehen, dass das für einige Länder, für die ost- und mittelosteuropäischen Mitgliedsstaaten, im Moment eher eine Herausforderung ist. Ich denke also, das war ein guter Warnschuss und Mark Rutte hat gesagt, was viele Leute denken."

euronews: "Zu dieser 'Europäischen Union der gemeinsamen Werte': Ist sie zu einem Trugbild, eine Illusion geworden, nachdem illiberale osteuropäische Länder aufgenommen wurden?"

Shada Islam:"Nicht nur in den so genannten illiberalen Demokratien Mittel- und Osteuropas geschieht, auch in Westeuropa, in den so genannten liberalen Demokratien wird die Wertegemeinschaft, die Union der Gleichheiten, in Frage gestellt. Es passieren ständig Verstöße und ich denke nicht, dass wir uns in selektiver Empörung ergehen sollten. Wir sollten gleichzeitig wütend sein und ebenso lautstark Menschenrechtsverletzungen, Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit, Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit anprangern, die auch im westlichen Teil Europas geschehen."

euronews: "Können diese Länder belehrt werden und ist es die Aufgabe der anderen Mitgliedsstaaten, das zu tun?"

Shada Islam: "Es geht nicht nicht nur um das Land, wir müssen einen Unterschied zwischen den Regierungen und den Menschen machen. Was wir im Moment haben, sind Regierungen, die tatsächlich unsere Grundprinzipien verletzen und gegen sie verstoßen. Es gibt also eine Diskrepanz zwischen dem Volk und einigen dieser Regierungen, und das müssen wir berücksichtigen. Man kann nicht ganze Bevölkerungen verurteilen. Und können sie erzogen werden? Ich denke, das muss ein interner Prozess sein, wir müssen uns weiter engagieren. Warnschüsse, wie sie Rutte neulich abgegeben hat, sind ein Signal, aber sie sollten einen Unterschied machen zwischen der Bevölkerung und einigen dieser eher unangenehmen Regierungen."

euronews: "Aber sollte es einen Mechanismus geben, um Mitgliedsstaaten auszuschließen, die Rechtsstaatlichkeit, Rechte von Minderheiten und Presse- und akademische Freiheiten missachten?

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Shada Islam: "Bei der Gründung der EU haben wir nicht daran gedacht, dass wir vielleicht jemanden ausschließen müssen. Ich denke, das macht es schwierig, in dieser Phase an die Erweiterung zu denken, weil wir keinen solchen Mechanismus haben, etwas, daran sollten wir arbeiten. Ich denke, es sollte eine Art Warteraum geben, in dem Länder, die sich nicht wirklich an die Regeln halten, abwarten können, bis sie sozusagen zur Vernunft kommen. Das können verschiedene Dinge sein, zum Beispiel keinen Zugang zu EU-Geldern zu haben oder nicht an jedem Treffen der EU-Staatschefs teilnehmen zu können."

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