Video: Hitlergruß oder unschuldiges Winken? Kontroverse im EU-Parlament

Der EU-Abgeordnete Angel Dzhambazki spricht in der Debatte zu Rechtstaatlichkeit in Straßburg, 16. Februar 2022.
Der EU-Abgeordnete Angel Dzhambazki spricht in der Debatte zu Rechtstaatlichkeit in Straßburg, 16. Februar 2022. Copyright Screenshot vom Live-Feed des Europäischen Parlament
Von Alice Tidey mit AFP
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Es war "ein unschuldiges Winken", das als Entschuldigung gedacht war, sagt der EU-Abgeordnete @djambazki nach Kritik an einer Geste, die andere Parteien als "Hitlergruß" interpretierten.

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Nach heftiger Kritik der anderen Fraktionen hat ein bulgarischer Europaabgeordneter bestritten, am Mittwoch im Europäischen Parlament einen Hitlergruß gemacht zu haben. Es habe sich um ein "unschuldiges Winken" gehandelt.

Zu der umstrittenen Geste von Angel Dzhambazki von der euroskeptischen ECR-Fraktion kam es nach seinem Beitrag zur Debatte über die Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte am Mittwoch entschieden, dass der Konditionalitätsmechanismus für EU-Gelder rechtmäßig ist.

Das würde es der Kommission ermöglichen, EU-Gelder für Mitgliedstaaten zurückzuhalten, die gegen die Grundwerte der EU wie Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Justiz und Pressefreiheit verstoßen. Die Entscheidung des EuGH öffnet der Kommission die Tür, um den Mechanismus in Bezug auf Ungarn und Polen auszulösen, was in den letzten Monaten von einer Mehrheit der Abgeordneten gefordert wurde.

"Inakzeptable Geste"

Dzhambazki von der nationalistischen bulgarischen Partei VMRO bezeichnete das Urteil auf Twitter als "Abscheulichkeit" und sagte während der Debatte im Straßburger Parlament: "Wir werden niemals zulassen, dass Sie uns sagen, was wir zu sagen und zu tun haben. Lang lebe Bulgarien, Ungarn, Orban, Fidesz und das Europa der Nationalstaaten."

Die Präsidentin der EU-Institution, Roberta Metsola, reagierte auf Twitter auf den Vorfall und schrieb: "Ein faschistischer Gruß im Europäischen Parlament ist für mich inakzeptabel - immer und überall."

"Das beleidigt mich und alle anderen in Europa. Wir stehen für das Gegenteil. Wir sind das Haus der Demokratie."

"Diese Geste ist aus dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte und muss dort belassen werden", fügte sie hinzu.

"Überproportional aufgebauscht"

Um zu Untermalen, dass seine Geste aus dem Zusammenhang genommen wurde, veröffentlichte Dzhambazki auf Twitter am Donnerstagmittag ein Bild des deutschen Kanzlers Olaf Scholz mit einer Geste, die seiner ähnelt mit der Forderung nach einer Entschuldigung durch Metsola.

"Die Vizepräsidentin hat etwas aus dem Zusammenhang gerissen, es überproportional aufgebauscht und eine Hexenjagd veranstaltet. Alle anderen haben den Köder geschluckt. Aber seien Sie vorsichtig, denn Ihnen könnte das Gleiche vorgeworfen werden. Wenn Sie ein Quäntchen Ehre hätten, würden Sie sich für die Kampagne gegen mich entschuldigen."

Schockierte Reaktionen auf die Geste

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Pina Picierno aus Italien, die zum Zeitpunkt die Debatte leitete, sagte, sie "verurteile, was geschehen ist, und fordere, dass diese schändliche und inakzeptable Geste sanktioniert wird".

Die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments sieht vor, dass sich die Abgeordneten "jeglichen unangemessenen Verhaltens" und "beleidigender Äußerungen" enthalten müssen. Die Nichteinhaltung dieser Regeln kann zu Sanktionen wie dem Verlust der Teilnahme an parlamentarischen Aktivitäten oder dem Verlust von Zulagen führen.

Die zentristische Fraktion Renew Europe verurteilte ebenfalls auf Twitter "diese entsetzliche Beleidigung der Opfer des Faschismus im Haus der europäischen Demokratie".

"Wir fordern Frau Metsola, die Präsidentin des EU-Parlaments, zum Handeln auf", fügten sie hinzu.

Die Mitte-Links-Fraktion der Sozialisten & Demokraten schrieb, dass "faschistische Symbole in diesem Haus inakzeptabel sind, weil es das Haus der EU-Bürger ist, aber auch ein lebendiges Denkmal, das den Sieg der Europäer über die Barbarei des Nazi-Faschismus repräsentiert."

"Es war ein unschuldiges Winken"

Dzhambazki erklärte jedoch gegenüber Euronews, dass es sich bei diesem bedauerlichen Vorfall einfach um ein grobes Missverständnis handelt".

Gegenüber Euronews verteidigte er sich gegen das, was er als "Verleumdung und Diffamierung" bezeichnete. Er sagte, er begegne den Anschuldigungen eines Nazi-Gruß "mit einer gesunden Portion Unglauben, ich war tatsächlich schockiert".

"Die Situation war ziemlich einfach. Ich befand mich im Plenarsaal und beendete meine Rede, in der ich zugegebenermaßen etwas sagte, mit dem viele von Ihnen nicht einverstanden sind, was Sie provozierte. Beim Verlassen des Plenarsaals wollte ich mich für das spätere entschuldigen, indem ich demütig dem Stuhl zuwinkte. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, als mir als Folge dieses Winkens vorgeworfen wurde, einen Nazigruß zu machen", schrieb er.

"Ich entschuldige mich, wenn mein unschuldiges Winken (das eigentlich als Entschuldigung gedacht war) jemanden beleidigt hat", fügte er hinzu.

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Wer ist Angel Dzhambazki?

Es ist nicht die erste Kontroverse um Dzhambazki aus Bulgarien.

Die Behörden der benachbarten Republik Nordmazedonien beschwerten sich letztes Jahr offiziell bei Sofia, nachdem er in einem auf seiner Facebook-Seite veröffentlichten Wahlkampfvideo die Regierung des Landes als "vorübergehende Herrscher über unser Mazedonien" bezeichnet hatte.

Er schickte auch einen Brief an den damaligen nordmazedonischen Ministerpräsident Zoran Zaev, in dem er erklärte, dass "Mazedonien bulgarisch ist".

Er beschuldigte auch das Europäische Parlament, sich "der LGBT-Propaganda zu verschreiben" und fügte hinzu, dass er "homosexuelle Propaganda sowie Handlungen, die der Pädophilie nahe kommen", ablehne. Er verurteilte die Istanbuler Konvention gegen häusliche Gewalt mit der Begründung, dass sie "die christliche Familie und die traditionellen Werte, die aus einem Mann, einer Frau und ihren Kindern bestehen, zerstört". Alles andere sei eine Perversion und Gender-Propaganda", sagte er.

Dzhambazkis IMRO-Partei belegte bei den Parlamentswahlen im vergangenen November den neunten Platz und scheiterte an der 4 %-Hürde, die für einen Sitzgewinn erforderlich ist.

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