Das Ringen Europas um seine künftige Energieversorgung

Strommasten außerhalb von Frankfurt
Strommasten außerhalb von Frankfurt Copyright Michael Probst/The Associated Press
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Von Efi Koutsokosta
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Das Ringen um die Macht im Energiebereich zwischen der Europäischen Union und Russland ging diese Woche in eine neue Runde, als Gasprom die Pipeline Nord Stream 1 erneut für einige Tage stilllegte. Angesichts immer neuer Preisrekorde, plant Brüssel nun Eingriffe in den europäischen Strommarkt.

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Das Ringen um die Macht im Energiebereich zwischen der Europäischen Union und Russland ging diese Woche in eine neue Runde, als Gasprom die Pipeline Nord Stream 1 erneut für einige Tage stilllegte. Angesichts immer neuer Preisrekorde, plant Brüssel nun drastische Eingriffe in den europäischen Strommarkt.

Solche Eingriffe sind inzwischen auch für die skeptischen Nordeuropäer kein Tabu mehr. Sie erkennen jetzt, dass die Zeit nicht auf ihrer Seite ist und ein harten Winter die Gasversorgung gefährden könnte.

Daher brachte es EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf den Punkt: "Die explodierenden Preise zeigen die Grenzen unseres derzeitigen Strommarktes auf. Er wurde unter ganz anderen Umständen und für ganz andere Zwecke entwickelt. Es ist nicht mehr zweckdienlich. Deshalb arbeitet die Kommission jetzt an einer Nothilfe und einer Strukturreform des Strommarktes: Wir brauchen ein neues Marktmodell für Strom, das wirklich funktioniert und uns wieder ins Gleichgewicht bringt."

Die Befürchtung wächst, dass Russland den Gashahn komplett zudrehen könnte, um die EU zu erpressen. Und während die Uhr tickt, bleiben Konsens und Gemeinsamkeit der Schlüssel für Europa, um mit möglichst geringen Verlusten davonzukommen.

Aber als Gasprom seine Lieferungen erneut stoppte, gab die ungarische Regierung bekannt, dass sie mit dem russischen Energieriesen einen Vertrag über 5,8 Millionen Kubikmeter zusätzlichen Erdgases unterzeichnete.

Auf der anderen Seite schlagen die Länder im Süden der EU seit Monaten eine Reform des Marktmodells sowie eine Preisobergrenze vor. Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez zeigte sich bereit, Gespräche zu führen und Solidarität mit dem Rest Europas zu zeigen: "Spanien ist bereit, all seine Kapazitäten einzusetzen, um jenen Ländern zu helfen, die derzeit stärker unter der Abhängigkeit von Russland und Putins Energieerpressung leiden. Schließlich verfügt Spanien über ein Drittel der Regasifizierungskapazitäten in der EU."

Zu den EU-Plänen, den Herausforderungen und Optionen auch ein Interview mit dem Energieexperten Simone Tagliapietra vom Brüsseler Think Tank Bruegel.

Euronews: Es liegen mehrere Szenarien zu Preisobergrenzen auf dem Tisch, Vorschläge von Griechenland sowie von Spanien und Portugal. Was halten Sie also für die realistischste Vorgehensweise für die EU?

Tagliapietra: Europa befindet sich in einer Situation, in der wir ein Mengenproblem haben. Wir brauchen eine bestimmte Menge Gas, um den Winter zu überstehen, falls Russland die Lieferungen einstellt - und wir müssen unser Energiesystem gegen die Risiken einer grundsätzlichen Verknappung absichern.

Andererseits haben wir ein Problem mit dem Anstieg der Energiepreise.

Die Kommission scheint nicht vom Potenzial einer Preisobergrenze für Gas überzeugt zu sein. Aber stattdessen gibt es die Idee, eine Preisobergrenze für alle anderen Quellen anzustreben, die Strom erzeugen, die billiger als Gas sind, also Erneuerbare, Kernkraft usw.

Die Idee wäre also, das Strommarktdesign nicht sofort zu berühren, sondern zu ändern. Beginnen könnte man mit einigen Notfallmaßnahmen, die den Weltmarkt, den wir haben, nicht radikal außer Kraft setzen. Eine solche Reform braucht Zeit.

Euronews: Reicht das, um die Preise für diese Woche ein Stück runterzudrücken?

Tagliapietra: Nun, wir müssen klarstellen, dass es Grenzen gibt, was eine Reform des Marktdesigns oder Notmaßnahmen tun können, um den Preis zu begrenzen. Wir sollten nicht glauben, dass diese Art von Intervention das europäische Energieproblem auf magische Weise lösen wird. Es wird es nicht.

Wir befinden uns in einem sehr angespannten Markt, also werden wir immer noch darum kämpfen müssen, unser Nachfrageangebot auszugleichen. Das ist aber nur ein Teil der Lösung.

Die Hauptlösung wird unweigerlich mit der Reduzierung des Energiebedarfs sowohl bei Gas als auch bei Strom zu tun haben. Und genau aus diesem Grund ist es wichtig, sich jetzt auf die Reduzierung der Nachfrage zu konzentrieren.

Euronews: Und die große Frage, wer soll all diese Maßnahmen bezahlen?

Tagliapietra: Nun, die Staaten werden weiterhin fiskalisch eingreifen. Und wenn Staaten in dieser Größenordnung fiskalisch eingreifen müssen, kommt das Problem der europaweiten Unterschiedlichkeit der fiskalischen Leistungsfähigkeit ins Spiel. Was Deutschland tun kann, ist natürlich nicht das, was Italien angesichts der Lage seiner öffentlichen Finanzen tun kann.

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Angesichts der Tatsache, dass verschiedene Länder über unterschiedliche fiskalische Möglichkeiten verfügen, stellt sich also die Frage, ob wir, wie wir es während der Pandemie getan haben, ein Instrument auf europäischer Ebene schaffen sollten, um einen Teil dieser Bemühungen zu vergemeinschaften.

Dies ist eine Debatte, die ganz am Anfang im März begonnen hat. Erinnern Sie sich, wir hatten den Gipfel in Versailles und es gab diese Diskussion, sollten wir ein EU-Instrument der nächsten Generation für Energie haben. Dann verschwand das Gespräch. Es kann aber zurückkommen.

Journalist • Stefan Grobe

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