Die Woche in Europa - Debatte um Kampfpanzer und Leugnung von Wahlergebnissen

Ukrainische Panzer rollen über die Frontlinie in der Donetzk-Region, 12. Januar 2023
Ukrainische Panzer rollen über die Frontlinie in der Donetzk-Region, 12. Januar 2023 Copyright Evgeniy Maloletka/Copyright 2020 The AP. All rights reserved
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Von Stefan Grobe
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Schwerpunkt dieser Ausgabe von State of the Union ist die Debatte um die Lieferung westlicher Kampfpanzer an die Ukraine und die Reaktion auf die Stürmung von Gewalttätern auf Regierungsinstitutionen in Brasilien.

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Im Ukraine-Krieg dämmert es den westlichen Alliierten, dass sie mehr tun müssen, um dem Land bei seiner Verteidigung gegen die russische Aggression zu helfen.

Aber wie? Während Deutschland und die USA kürzlich die Lieferung von Schützenpanzerwagen beschlossen haben, will die Regierung in Kiew vor allem Kampfpanzer.

Und hier gehen die Meinungen auseinander – und niemand scheint zu Alleingängen bereit.

Polen und Großbritannien planen die Entsendung von schweren Panzern, wollen aber mit „Partnern zusammenarbeiten”.

Andrzej Duda, polnischer Präsident: „Wir wollen eine internationale Koalition und haben entschieden, ein Paket zu dieser internationalen Koalition beizutragen. Das erste Paket von Leopard-Panzern, wobei ich hoffe, dass andere Länder ihre eigenen Leoparden oder andere Kampfpanzer beisteuern."

Leopard-Panzer werden in Deutschland gebaut. Daher erhöhen London und Warschau den Druck auf Berlin und andere Regierungen, es ihnen gleichzutun. Doch Berlin zögert noch und befürchtet eine Eskalation des Krieges, die möglicherweise die NATO mit hineinziehen könnte.

Bei einem anderen internationalen Vorfall war der Westen geschlossen: nämlich bei der Verurteilung der Gewaltaktionen in Brasilien, wo sich ein rechtsradikaler Mob weigerte, die Niederlage Jair Bolsonaros in den Präsidentschaftswahlen vor zwei Monaten anzuerkennen.

Annalena Baerbock, deutsche Außenministerin: „Egal wo auf der Welt Demokratien angegriffen werden, ist dies immer auch ein Angriff auf unsere Freiheit und auf unsere Werte. Deshalb gilt unsere ganze Solidarität dem brasilianischen Volk und den demokratischen Institutionen in Brasilien, die in freien und fairen Wahlen eine neue Regierung gewählt haben.“

Auch Europa hat gewaltsame Proteste gesehen und stramm rechte populistische Rhetorik. Breitet sich aber auch bei uns die Leugnung von Wahlergebnissen aus? Müssen wir besorgt sein?

Dazu ein Interview mit Panos Panayotu, Politikwissenschaftler und Leiter der Forschungsgruppe Populismus an der britischen Loughborough Universität.

Euronews: Diese Leugung von Wahlergebnisse, die wir in den USA und jetzt in Brasilien gesehen haben, ist das auch in Europa denkbar?

Panayotu: Nun, um diese Frage zu beantworten, sollten wir die wachsenden Verbindungen zwischen bestimmten rechtsradikalen oder rechtsextremen Parteien und Politikern berücksichtigen. Was wir in letzter Zeit erleben, ist die Entstehung einer besonderen Form eines westlichen internationalen Nativismus, oder anders ausgedrückt, die Entstehung einer nationalistischen Internationalen. Es mag für manche Menschen paradox klingen, weil wir dazu neigen, Nationalisten als Akteure zu betrachten, die sich nach innen wenden. Aber wir beobachten einen Versuch, wie sie engere Beziehungen untereinander aufbauen. Und vergessen Sie nicht, dass sie 2015 ihre eigene Fraktion im Europäischen Parlament gegründet haben. Sie organisieren auch Treffen in ganz Europa mit rechtsextremen Persönlichkeiten aus Ungarn, Österreich oder Polen. Und dieser Versuch, die Verbindungen zwischen rechtsradikalen Parteien zu stärken, ist nicht auf Europa beschränkt. Er dehnt sich auch auf die andere Seite des Atlantiks aus. Also insofern, ja, ich denke, dass die Leugnung von Wahlergebnisse in Europa zum Beispiel mit Leuten wie Orban vorstellbar ist.

Euronews: Warum scheinen im 21. Jahrhundert die demokratischen Sicherungssysteme noch gerade so zu halten, warum dieser dramatische Vertrauensverlust in demokratische Institutionen?

Panayotu: Ein zentraler Aspekt, der bei den Ereignissen vom 8. Januar und den Ereignissen vom 6. Januar 2021 geteilt wird, ist die Nutzung sozialer Medien zur Verbreitung von Desinformation und Verschwörungstheorien. Die Situation 2021 wurde natürlich von Trump angefeuert. Aber wichtig ist, dass die Randalierer auch durch Online-Bereiche motiviert waren, die von QAnon-Verschwörungstheorien und rechtsextremen Gruppen dominiert wurden, die Desinformationen über gestohlene Wahlen und Wahlbetrug verbreiteten. Wir haben etwas sehr, sehr Ähnliches in Brasilien gesehen. Diese Desinformationskampagne hat in Brasilien bereits vor dem ersten Wahlgang im Oktober begonnen und sogar zu einem Putsch aufgerufen, falls Bolsonaro die Wahl verliert.

Euronews: Ist der Populismus eine Gefahr für die Demokratie oder sogar deren Feind?

Panayotu: Wir sollten vorsichtiger sein, wenn wir diese Ereignisse und deren Hauptakteure als Populisten bezeichnen und nicht, wie sie wirklich sind. Und was sie wirklich sind, sind Rechtsextremisten, Nationalisten, Rassisten, Sexisten und in vielen Fällen Faschisten. Populismus ist also nicht das, was diese Akteure wirklich ausmacht. Es ist ihr Nativismus, der eine Kombination aus Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit ist. Und natürlich ihr Autoritarismus.

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