Regierungswechsel in Brasilien mobilisiert Europas Hilfe für den Regenwald

Ein Teil des Amazonas-Regenwaldes steht neben Sojafeldern in Belterra, Bundesstaat Para, Brasilien.
Ein Teil des Amazonas-Regenwaldes steht neben Sojafeldern in Belterra, Bundesstaat Para, Brasilien. Copyright AP Photo/Leo Correa
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Von Patricia Figueiredo
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Der Abgang von Bolsonaro und die Wiederkehr von Lula ins Präsidentenamt hat die Vorraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Amazonas-Fonds geschaffen

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Als Jair Bolsonaro das brasilianische Präsidentenamt verließ, war der Amazonas-Fonds eingefroren. Sein Abgang hat das europäische Interesse an den Bemühungen um den Erhalt der sogenannten Erdlunge neu entfacht.

Der 2008 von Norwegen und Brasilien eingerichtete Amazonas-Fonds (oder Fundo Amazônia, auf Portugiesisch) ist das wichtigste Kooperationsinstrument, das Europa für Investitionen in Projekte im brasilianischen Teil des Amazonaswaldes einsetzt. Derzeit stammen 93,8 Prozent der Mittel aus Norwegen, weitere 5,7 Prozent wurden von Deutschland gespendet und 0,5 Prozent stammen von Petrobras, einem staatlichen brasilianischen Öl- und Gasunternehmen.

Unter Bolsonaro wurden jedoch die für die Verwaltung des Fonds zuständigen Ausschüsse aufgelöst. Bei Umweltschützern klingelten die Alarmglocken: auf dem Spiel stand ein Mechanismus, der über 3,4 Milliarden R$ (umgerechnet 616 Millionen Euro) an Spenden für die Eindämmung der Abholzung des Tropenwaldes eingebracht hat.

Doch seit Luiz Inácio Lula da Silva die letzten Wahlen gewonnen und im Januar ein Gesetz verabschiedet hat, das den Fonds wieder in Kraft setzt, ist die Initiative wieder im Gange - und erhält mehr Aufmerksamkeit denn je von europäischen Ländern.

Norwegen, Deutschland, Frankreich, die Schweiz und das Vereinigte Königreich

Norwegen und Deutschland haben angekündigt, den Geldhahn wieder aufzudrehen.

Es wird erwartet, dass Norwegen in den nächsten Jahren der wichtigste Geber bleiben wird. Fernando Mathias, ein politischer Berater der Rainforest Foundation Norway, lebt seit mehreren Jahren in Norwegen und arbeitet an der Umweltkooperation zwischen den beiden Ländern. Gegenüber Euronews erklärte er, dass Oslo eine lange Tradition in der internationalen Zusammenarbeit und viel in die Tropenwälder investiert habe:

"Der Amazonas-Fonds ist Teil einer breiteren Politik der norwegischen Regierung, die sich sehr stark auf ihre Klima- und Waldstrategie konzentriert", so Mathias.

"Norwegen hat eine Tradition im Bereich der internationalen Zusammenarbeit und ist eines der wenigen Länder in Europa, das 1 Prozent seines Bruttoinlandprokuktes (BIP) für die internationale Zusammenarbeit ausgibt. Obwohl es ein kleines Land ist, ist es ein wichtiger Akteur auf der internationalen Bühne", fügte er hinzu.

Auch Frankreich erwägt nun eine Unterstützung des Fonds, wie Außenministerin Catherine Colonna bei einem offiziellen Besuch in Brasilien im Februar erklärte:

"Frankreich prüft die Möglichkeit eines bilateralen Beitrags, aber auch die Europäische Union denkt sehr aktiv über Möglichkeit eines Beitrags [zum Amazonas-Fonds] nach", sagte Colonna auf einer Pressekonferenz in Brasília.

Die Schweiz hat ebenfalls Interesse signalisiert:

"Die Schweiz hat den Amazonas-Fonds in ihrem informellen Austausch mit den brasilianischen Übergangsbehörden erörtert. Ein Beitrag zum Fonds wird derzeit in Betracht gezogen", so ein Sprecher der Regierung in Bern im Dezember.

Großbritannien erklärte ebenfalls, die Möglichkeit, der Fördergruppe des Fonds beizutreten zu prüfen, gab jedoch keine Informationen über die Höhe seines Beitrags bekannt.

"Unsere Minister erhielten während der COP27 Klimakonferenz von mehreren Vertretern der ägyptischen Übergangsregierung die Anfrage, ob das Vereinigte Königreich dem Amazonas-Fonds beitreten wolle, und wir prüfen die Möglichkeiten", erklärte die Botschaft des Vereinigten Königreichs in Brasilien in einer Mitteilung an Euronews im Dezember. Ägypten war Gastgeber der COP 27.

Außerhalb Europas muss die Beteiligung der Vereinigten Staaten noch bestätigt werden, aber Analysten erwarten eine Spende von etwa 50 Millionen Dollar.

Spenden haben "geopolitischen Wert”

Laut Adriana Ramos, Beraterin beim Instituto Socioambiental (ISA), einer zivilgesellschaftlichen Organisation in Brasilien, ist der Amazonas-Fonds für das Ausland attraktiv, weil er eine kosteneffiziente Strategie für Investitionen in den Tropenwald darstellt. In der Vergangenheit war Adriana die Vertreterin der Zivilgesellschaft in dem Ausschuss, der die Strategie des Fonds überwacht.

"Es gibt ein politisches Interesse daran, eine neue Regierung zu unterstützen, die sich für die Reduzierung der Abholzung einsetzt, aber es gibt auch einen eher praktischen Grund für die Unterstützung durch europäische Länder. Für sie ist es kosteneffektiv", erklärte Ramos gegenüber Euronews:

"Dies sind Länder, die sich bereits verpflichtet haben, ihre Emissionen zu reduzieren, also haben sie ein direktes Interesse an Waldkohlenstoff. Obwohl sie durch die Investition in den Amazonas-Fonds keine direkten Gutschriften zum Ausgleich ihrer eigenen Emissionen erhalten, entsteht eine Art Diplom, das einen großen geopolitischen Wert hat.”

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Mit den Geldern des Fonds sollen Projekte zur Erhaltung des Waldes und seiner nachhaltigen Entwicklung finanziert werden. Die Verwendung wird von der Nationalbank für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (BNDES) überwacht.

Die bisher eingegangenen Spenden wurden zur Finanzierung von 102 Projekten verwendet, die entweder von Nichtregierungsorganisationen (NRO) oder staatlichen Stellen wie dem Brasilianischen Institut für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen (Ibama) durchgeführt wurden, das für die Überwachung und Bekämpfung illegaler Abholzung zuständig ist. Den Berichten der Regierungsstellen zufolge haben sich die Projekte bisher positiv auf 207 000 Menschen ausgewirkt, die meisten von ihnen Bewohner:innen des Amazonasgebiets.

Die Tatsache, dass die positiven Auswirkungen der Projekte durch das bestehende Governance-System leicht gemessen werden können, ist ein weiterer Grund, warum sich neue Geber in naher Zukunft dem Amazonas-Fonds anschließen könnten, meint Eugênio Pantoja, Direktor für öffentliche Politik am Institut für Umweltforschung in Amazonien (IPAM), der an den regelmäßigen Bewertungen des Fonds teilgenommen hat.

Neue Forschungsergebnisse, die Ende Februar in der Review of Evolutionary Political Economy veröffentlicht wurden, zeigen, dass die positiven Auswirkungen des Amazonas-Fonds "größtenteils auf seine drei miteinander verbundenen innovativen Dimensionen zurückzuführen sind": die Multi-Stakeholder-Governance des Fonds, sein geberbasiertes Pay-for-Performance-System und die Tatsache, dass die nicht rückzahlbare Finanzierung der Projekte von der BNDES durchgeführt wird.

Neue Projekte in der Pipeline

Die Länder Europas sind sich der Bedeutung der Tropenwälder für den Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust der Artenvielfalt durchaus bewusst, und die Regierungen auf dem gesamten Kontinent nennen diese Bedeutung eine Motivation für neue Beiträge zum Amazonas-Fonds.

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Die Bedeutung des Amazonaswaldes für den Klimawandel wurde vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten der Schweiz unterstrichen, als es bestätigte, dass das Land erwägt, in Zukunft Beiträge zu leisten.

Es wird erwartet, dass der Amazonas-Fonds in den nächsten Monaten mit der Auswahl neuer Projekte beginnt und auch diejenigen wieder aufnimmt, die 2019 unterbrochen wurden, nachdem Bolsonaro die Verwaltungsausschüsse aufgelöst hatte, die dem Mechanismus die Verteilung seiner Mittel ermöglichten.

Umweltschützer gehen davon aus, dass der Schwerpunkt des Fonds auf der nachhaltigen Entwicklung der Kleinproduktion im Amazonasgebiet, der Unterstützung indigener Gemeinschaften und natürlich der Überwachung und Bekämpfung der illegalen Abholzung liegen wird.

"Wenn die europäischen Länder zustimmen, den Fonds zu finanzieren, finanzieren sie damit eigentlich die öffentliche Politik der brasilianischen Regierung, die darauf abzielt, die Abholzung im Amazonasgebiet zu reduzieren", sagte Eugênio Pantoja von IPAM gegenüber Euronews.

"Es ist nicht nur eine Investition in den Wald: Es gewärleistet auch die Unterstützung dieser drei Hauptaktionslinien für die kommenden Jahre, und das ist ein sehr wichtiges Statement."

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