EU-Mission Seestern 2030: die Zukunft unserer Meere und Gewässer gestalten

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Von Julian GOMEZSabine Sans
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Die fünf Missionen der EU gehen über klassische Forschung und Innovation hinaus und stimulieren sektorenübergreifende Innovationen, um wirksame Lösungen zu ermöglichen.

Zum Teil inspiriert von der Mission Mondlandung Apollo 11, dienen EU-Missionen der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen wie u.a. der Krebsbekämpfung, der Anpassung an den Klimawandel sowie dem Schutz und der Säuberung unserer Ozeane, Seen, Küsten und Flüsse, um die es in dieser Futuris-Sonderfolge geht.

Was sind EU-Missionen?

Alle EU-Missionen verfügen je nach Herausforderung über einen konkreten Zeitrahmen und einen eigenen Haushalt. Sie gehen über klassische Forschung und Innovation hinaus und stimulieren sektorenübergreifende Innovationen, um wirksame Lösungen zu ermöglichen. Darüber hinaus spielen die Missionen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Prioritäten der EU wie dem europäischen Grünen Deal und dem europäischen Plan zur Krebsbekämpfung.

Mission Seestern 2030: Meere und Gewässer wiederbeleben

Ein gesunder blauer Planet ist für unsere Zukunft von zentraler Bedeutung. Ozeane, Meere, Küsten- und Binnengewässer bedecken etwa 75 Prozent der Erdoberfläche. Nirgends ist die biologische Vielfalt größer als in diesen einzigartigen Lebensräumen, die sowohl miteinander als auch mit anderen Komponenten des Klimasystems durch den weltweiten Austausch von Wasser, Energie und Kohlenstoff verbunden sind. Unsere Meere und Gewässer gehören uns allen. Wir sind als Individuen und gemeinsam dafür verantwortlich, dass sie als gesunde Lebensräume erhalten bleiben. Dies erfordert eine ganz andere Sichtweise. Wir müssen als Gesellschaft verstehen, dass unsere Ozeane und Gewässer einen Wert haben, den wir aktiv erhalten müssen statt ihn zu zerstören .

Alle Menschen auf der Erde sind direkt oder indirekt von Ozeanen, Meeren und Binnengewässern abhängig. Ohne gesunde Ozeane und Gewässer ist schlichtweg kein Leben auf der Erde möglich.

Ziele und Forschungsaktivitäten

Mit der Säuberung unserer Meere und Binnengewässer, der Wiederherstellung ihrer enormen biologischen Vielfalt und einer nachhaltigen und klimafreundlichen Gestaltung der "blauen Wirtschaft" soll diese Mission zur vollständigen Erkundung und Wiederbelebung der europäischen Meeres- und Süßwasserökosysteme bis 2030 beitragen.

In Anlehnung an die Form eines Seesterns wird die Mission fünf übergeordnete Ziele verfolgen. Durch die Mission sollen die ungelösten Rätsel, die unsere Ozeane und Gewässer noch bergen, entschlüsselt werden. Mit der Mission soll die Verschmutzung unserer Ozeane und Gewässer gestoppt werden, damit Plastikabfälle, Chemikalien und andere Schadstoffe nicht mehr in die Flüsse und Meere gelangen. Die Mission wird zu einer Wiederherstellung der Natur, ihrer biologischen Vielfalt und geschädigter Ökosysteme durch verstärkte Schutzbemühungen sowie durch aktive Wiederaufforstung, Renaturierung und andere naturbasierte Lösungen führen. Durch die Förderung erneuerbarer und CO2-neutraler Technologien, die Reduzierung von Emissionen in bestehenden Wirtschaftszweigen und die Erarbeitung innovativer Lösungen wird die Mission dazu beitragen, die "blaue Wirtschaft" nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten. Bei der Erfüllung dieser Mission wird sich die Europäische Union auf ihre Maßnahmen in den einzelnen Politikbereichen und auf ihre Programme stützen. Sie wird neue Ideen, Forschung und Innovation fördern, damit Lösungen entwickelt und in großem Maßstab angewendet werden, die unseren Umgang mit Ozeanen, Meeren und Gewässern verändern können. Außerdem werden im Rahmen der Mission neue Governance-Modelle vorgeschlagen und Partnerschaften mit Regierungen, Unternehmen, Hochschulen, der Zivilgesellschaft und vielen anderen Akteuren zur Verwirklichung dieses gemeinsamen Ziels aufgebaut.

Wie kann man Meeres-Ökosysteme wiederherstellen, die durch jahrzehntelange menschliche Aktivitäten zerstört wurden?

Unsere Meere, Ozeane, Küstengebiete, Gletscher und Binnengewässer produzieren etwa die Hälfte des Sauerstoffs, den wir atmen, und liefern 16 Prozent der tierischen Proteine, die wir konsumieren.

Doch diese vielfältigen und empfindlichen Ökosysteme sind durch Klimawandel, Umweltverschmutzung, Überfischung sowie nicht nachhaltigen Tourismus bedroht. Wie kann man diese Lebensräume schützen und dabei ihren sozioökonomischen Wert erhalten?

Aus Brüssel zugeschaltet erklärt uns Pascal Lamy, Vorsitzender der Mission "Gesunde Ozeane, Meere, Küsten- und Binnengewässer" die Ziele der Initiative:

"Wenn man auf dem Mont-Blanc eine Plastikflasche wegwirft, besteht eine sechzigprozentige Wahrscheinlichkeit, dass sie einige Jahre später im Mittelmeer landet. Wir haben es mit einem komplexen Umweltsystem zu tun. Wir müssen in vielen unterschiedlichen Bereichen handeln. Zum Beispiel müssen wir die Anzahl der geschützten Meeresgebiete deutlich erhöhen. Es gibt bereits welche in der Europäischen Union, aber wir müssen weitere ausweisen. Unser Ziel ist es, bis 2030 etwa 30 Prozent unserer gesamten Wasserflächen zu schützen. Das ist eine gewaltige Aufgabe.

Außerdem müssen wir unsere Fischerboote serienmäßig mit Geo-Ortungsgeräten ausstatten, damit wir sie lokalisieren und eine Überfischung verhindern können. Denn wir wissen, dass es derzeit eine starke Überfischung gibt.

Und wir müssen umweltfreundliche Motoren für alle Bootsarten auf Meeren und Ozeanen entwickeln. Besonders für Fähren oder Schiffe in Küstengebieten. Das ist aus aus energetischer Sicht weniger aufwändig als für große Interkontinentalschiffe."

Meeres-Lebensräume renaturieren

Schauen wir uns jetzt ein Beispiel dafür an, was europäische Wissenschaftler tun, um das vielfältige Unterwasser-Ökosystem einer Küstenzone wiederherzustellen. Sie wurde jahrzehntelang mit Industrieabwassern verschmutzt.

Dieses Stahlwerk in Bagnoli war einmal zwei Millionen Quadratmeter groß. Es wurde 1992 geschlossen. Aber das war für das umliegende Meeres-Gewässer bereits zu spät: Durch die Einleitung von Arsen, Quecksilber, Chrom, Blei und anderen Schwermetallen verwandelte sich das vielfältige Unterwasser-Ökosystem in ein Ödland.

Jetzt wollen die Forscher die Uhr zurückdrehen: Sie beleben Unterwassergärten, die praktisch ausgerottet waren. Zu dieser grünen Meeres-Renaturierung gehören bestimmte Algen und Korallen sowie Posidonia Oceanica, ein im Mittelmeer heimisches Seegras, das gefährdet ist.

"Wir mussten eingreifen, um diesen wichtigen Lebensraum der Posidonia zu retten", erklärt Luigi Musco, Meeresbiologe an der Zoologischen Station Neapel. "Durch die Wiederansiedelung der Posidonia wird die ökologische Qualität dieses Gebietes verbessert und eine neue Artenvielfalt geschaffen, die einen Mehrwert für diese Gewässer darstellt. Unser Ziel ist, in diesem Gebiet wieder die Biodiversität zu schaffen, wie sie vor dem 20. Jahrhundert herrschte."

Das Neptungras retten

Posidonia bindet CO2 und setzt Sauerstoff frei. Das Neptungras wächst in Tiefen bis etwa 35 Metern. Wissenschaftler eines EU-Forschungsprojekts untersuchen das Seegras: Sie wollen die Pflanze dabei unterstützen, marine Lebensräume wieder zu besiedeln, aber auch verstehen, wie Posidonia mit den aktuellen Bedrohungen wie steigenden Wassertemperaturen fertig wird. Gabriele Procaccini, Meeresbiologin an der Zoologischen Station Neapel:

"Posidonia ist resilienter als wir am Anfang unserer Forschung erwartet hatten. Um zu überleben, kann die Pflanze eine Reihe biologischer, metabolischer Mechanismen auslösen, mit der sie auf die durch den Klimawandel bedingten steigenden Wassertemperaturen reagiert. Wir untersuchen, wo die Grenze für die Pflanzenreaktion liegt: ab welchen Wassertemperauren sind das Wachstum und die Überlebenschancen von Posidonia gefährdet."

Auch Algen sind gefährdet

Die Forscher stellen auch Meeres-Ökosysteme der Cystoseira-Algen im Mittelmeer wieder her. Sie sind ebenso durch Verschmutzung, menschliche Aktivitäten und den Klimawandel bedroht. Die Wissenschaftler untersuchen, wie die Befruchtungsrate durch wärmeres Wasser beeinflusst wird.

"Wir haben festgestellt, dass steigende Wassertemperaturen den Lebenszyklus dieser speziellen Braunalgenart vollständig verändern. Die Algen gehen in anormalen Jahreszeiten in den Reproduktionsmodus über. Und das bedeutet, dass die nächste Generation in einer Jahreszeit wächst, die für sie nicht geeignet ist, so dass es ihnen nicht gelingt, auszuwachsen", erklärt Erika Fabbrizzi, Meeresökologin an der Zoologischen Station Neapel.

Rückgang der Biodiversität

70 Prozent der weltweiten Meere und Ozeane haben in den vergangenen Jahren einen starken Rückgang der biologischen Vielfalt erlebt.

Alle Menschen auf der Erde sind direkt oder indirekt von Ozeanen, Meeren und Binnengewässern abhängig.

Unterwasser-Renaturierungen können den Forschern zufolge dazu beitragen, dieses Gleichgewicht zu schützen. Aber die Aufgaben sind gewaltig. Roberto Danovaro, Meeresbiologe an der Polytechnischen Universität Marche sowie Merces-Projektkoordinator sagt:

"Wenn es darum geht, einen Teil des Amazonas-Waldes aufzuforsten, der zerstört, abgeholzt oder verbrannt wurde, braucht der Prozess wahrscheinlich Dutzende Jahre. Unter Wasser liegen einige Wiederherstellungsaktivitäten, wie etwa bei den Makro-Algenwäldern, mehr oder weniger im gleichen Zeitrahmen. Aber Tiefwasserkorallenriffen oder weiße Korallenbüschel brauchen effektiv Hunderte Jahre, um nachzuwachsen."

Neben Küstenlebensräumen wollen die Forscher auch flache felsige Meeresböden und Tiefseeökosysteme sanieren. Den Wissenschaftlern zufolge ist die Meeresumwelt robuster als gedacht, wenn man sie dabei unterstützt:

"Wir hätten nicht gedacht, dass zum Beispiel die Posidonia in diesem Gebiet Überlebenschancen hat, angesichts der riesigen Menge an Schadstoffen im Wasser", so Luigi Musco, Meeresbiologe an der Zoologischen Station Neapel. "Aber wir haben festgestellt, dass die Pflanze ziemlich resilient ist. Sie ist zwar nicht so gesund wie an einem völlig sauberen Ort. Aber sie gibt nicht auf. Deshalb sind wir jetzt sicher, dass wir mit unseren Techniken die Art wiederansiedeln können. Und da es sich hierbei um Grundlagenforschung handelt, lernen wir nach und nach dazu."

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