Mit diesem Gesetz will Putin ausländische Flugzeuge 'kidnappen'

Der russische Präsident Wladimir Putin, der das neue Gesetz unterzeichnet hat, im Cockpit einer Aeroflot-Maschine am 5. März 2022.
Der russische Präsident Wladimir Putin, der das neue Gesetz unterzeichnet hat, im Cockpit einer Aeroflot-Maschine am 5. März 2022. Copyright AP Photo
Von Euronews mit Reuters
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Weil Leasingfirmen ihre Flugzeuge zurückfordern, hat der russische Präsident es kurzerhand möglich gemacht, die Maschinen in Russland zu registrieren. Das könnte schwerwiegende Folgen haben.

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Wladimir Putin hat ein neues Gesetz verabschiedet, das es ermöglicht, Flugzeuge in ausländischem Besitz in Russland zu behalten. Damit blockiert der Kreml defakto Sanktionen, die eine Rückführung der Flugzeuge fordern.

Etwa 75 Prozent der von russischen Fluggesellschaften genutzten Flugzeuge sind geleast. Die westlichen Sanktionen, die ihre Rückgabe fordern, sind daher ein schwerer Schlag für das Land, wie ein Luftfahrtexperte, gegenüber Euronews Travel erklärte.

Die Flugzeuge im Gesamtwert von etwa 10 Milliarden Dollar (9,1 Mrd. Euro) sollten eigentlich bis zum 28. März zurückgebracht werden.

Das neue Gesetz ermöglicht die Registrierung ausländischer Flugzeuge in Russland, um "das ununterbrochene Funktionieren der Aktivitäten im Bereich der Zivilluftfahrt zu gewährleisten".

Irland und die Bermudas, wo praktisch alle ausländischen geleasten Jets, die in Russland operieren, registriert sind, hatten zuvor erklärt, dass sie die Lufttüchtigkeitszeugnisse für die Jets aussetzen, weil ihre Sicherheit nicht mehr gewährt werden kann.

Wenn Russland an den Flugzeugen festhält, könnte dies ernste sicherheitstechnische und rechtliche Folgen haben.

Ist das neue russische Gesetz über Flugzeuge in ausländischem Besitz rechtmäßig?

Die Neuregistrierung von Flugzeugen in Russland würde darauf abzielen, dass sie weiterhin im Inland fliegen, indem sie neue Sicherheitszulassungen erhalten.

Der Vorstoß könnte Moskau jedoch in Konflikt mit internationalen Regeln bringen, die die Registrierung von Zivilflugzeugen in mehr als einem Land gleichzeitig verbieten.

Das Gesetz bietet die Möglichkeit, sich in Russland registrieren zu lassen, verpflichtet die Fluggesellschaft aber nicht dazu.

Solange westliche Leasinggeber nicht auf russische Bitten eingehen, ihre Flugzeuge aus ausländischen Registern freizugeben - was weithin als unwahrscheinlich gilt, da sie ohnehin darum kämpfen, die Kontrolle über ihre Vermögenswerte wiederzuerlangen -, ebnet die neue Politik auch den Weg für eine große Vertragsdebatte.

"Es ist rechtswidrig, ein Flugzeug ohne den Nachweis der Abmeldung aus dem vorherigen Register und ohne die Zustimmung des Eigentümers zu registrieren. Dies wäre eine Vertragsverletzung im Rahmen von Leasingverträgen", sagt Bertrand Grabowski, Berater für Luftfahrtfragen.

Ein Dilemma für Fluggesellschaften

Technisch gesehen schreibt das neue Gesetz den Fluggesellschaften nicht vor, ihre Flugzeuge ohne die Zustimmung der Eigentümer, allen voran AerCap mit Sitz in Dublin, dem weltweit größten Leasinggeber, umzumelden.

Nach Ansicht von Experten liegt es jedoch in der Verantwortung der Fluggesellschaften, eine Neuregistrierung zu beantragen, um weiterhin in Russland fliegen zu können - auf die Gefahr hin, dass die Beziehungen zu den mächtigen Leasinggebern nach Beendigung der Krise vergiftet werden - oder nichts zu unternehmen und ihre Flotten am Boden zu lassen.

Nicht alle der 35 russischen Fluggesellschaften, von denen etwa 15 rund 95 Prozent des russischen Flugverkehrs abwickeln, begrüßen das neue Gesetz. Expert:innen haben bereits gewarnt, dass dies zum größten Zahlungsausfall in der Luftfahrt führen könnte.

"Wir hoffen, dass wir unsere Flugzeuge nicht in Russland registrieren lassen müssen, sondern sie an Leasinggesellschaften zurückgeben können", sagte eine Quelle bei einer der Fluggesellschaften gegenüber Reuters.

"Die Fluggesellschaft würde sich zum Komplizen machen. Das Gesetz bietet die Möglichkeit, sich in Russland registrieren zu lassen, verpflichtet die Fluggesellschaft aber nicht dazu....Das ist der erste Schritt Richtung Entführung der Flugzeuge."

Die Moskauer Regierung besteht darauf, dass angesichts der Wirtschaftssanktionen, die Präsident Wladimir Putin als "eine Art Kriegserklärung" bezeichnet hat, besondere Maßnahmen erforderlich sind.

Anwälte sagen, dass ein dreifacher Rechtsstreit zwischen Fluggesellschaften, Leasinggebern und Versicherern ein Jahrzehnt lang dauern könnte.

AerCap und andere große Leasinggeber lehnten eine Stellungnahme zu dem Gesetz ab. Auch die großen russischen Fluggesellschaften Aeroflot und S7 wollten sich nicht äußern.

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AP Photo
Die Aeroflot-Flotte am Flughafen Moskau-Scheremetjewo außerhalb der russischen Hauptstadt.AP Photo

Wie viel sind die Flugzeuge wert?

Nach Angaben der russischen Luftfahrtbehörde waren am 24. Februar, dem Tag des russischen Einmarsches in die Ukraine, 776 Flugzeuge im Ausland registriert. Davon sind 515 aus dem Ausland geleast.

Dutzende älterer Flugzeuge, die während der Pandemie in Russland untergebracht wurden, werden möglicherweise nie zurückgegeben und sind weniger wert, als ihre Besitzer als Versicherung geltend machen können.

Auf dem elftgrößten Luftfahrtmarkt der Welt gibt es jedoch auch einige der neuesten Jets, darunter ein hochmoderner Airbus A350, der am Tag der Invasion an Aeroflot geliefert wurde.

Russlands staatliche Luftfahrtbehörde empfahl letzte Woche, dass Fluggesellschaften mit im Ausland geleasten Flugzeugen ihre Flüge ins Ausland aussetzen sollten, um es den Leasingfirmen zu erschweren, ihre Maschinen zurückzunehmen.

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