Schwarzes Gold im Schwarzen Meer

Schwarzes Gold im Schwarzen Meer
Von Hans von der Brelie
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

Rumänien sucht Offshore nach Rohöl und Erdgas. Welche Rolle spielt das Schwarze Meer für die Versorgungssicherheit der EU?

Rumäniens Petro-Branche kämpft um ihre Zukunft: jetzt wird auch in den tiefsten Wassern des Schwarzen Meeres nach Öl und Gas gesucht. Es geht um Rumäniens und Europas Versorgungssicherheit. Denn zumindest für eine Übergangsperiode werden die fossilen Energieträger noch gebraucht. Rumäniens Entdeckungen im Schwarzen Meer könnten Europas Karten im Energie-Poker neu mischen: Vor zwei Jahren stieß OMV Petrom auf ein riesiges Offshore-Gasvorkommen im Schwarzen Meer. In diesem Sommer landete das Unternehmen erneut einen Glückstreffer, Erdöl, diesmal auf dem Kontinentalschelf, Rumäniens größter Ölfund seit zehn Jahren.

“Wir haben soeben wieder was entdeckt”, freut sich Mariana Gheorghe und zeigt ein kleines Fläschchen. Die internationale Top-Managerin steht an der Spitze von OMV Petrom. “Hier ist eine Probe: Das ist Rohöl aus dem Marina-1-Bohrloch. Jetzt sind wir zuversichtlich, dass das Schwarze Meer tatsächlich Potential hat für Europa. Darüber hinaus hegen wir die Hoffnung, dass durch die Entdeckung und Ausbeutung der Gasvorkommen im Schwarzen Meer Rumänien von Gas-Importen unabhängig wird. Und für den Fall, dass die entdeckten Vorkommen umfangreich genug sein sollten, könnte das dazu führen, dass wir auch einen Teil des europäischen Verbrauchs abdecken könnten.”

Noch ist es zu früh, eine endgültige Offshore-Investitionsentscheidung zu treffen. Zwar sind die zwei jüngsten Entdeckungen – Gas in der Tiefsee, Rohöl im flachen Kontinentalsockel Rumäniens – bestätigt und gesichert. Doch um die massiven Investitionen für ein “Erdgas-Tiefseeabenteuer” im Schwarzen Meer anzustoßen, brauchen die Manager und Ingenieure noch mehr Informationen und – idealiter – noch einen zweiten Tiefsee-Großfund. Die laufende Such- und Bohrphase ist bis 2018 ausgelegt, die Förderung des Tiefseegases könnte also frühestens Ende des Jahrzehnts, um 2020 starten.

Im Flachwasserbereich – und nur im Flachwasserbereich – vor der Schwarzmeerküste Rumäniens läuft die Förderung bereits seit einigen Jahren. Insgesamt betreibt OMV Petrom dort sieben Plattformen. Um auf die zentrale Offshore-Plattform zu fliegen, müssen wir zuvor ein spezielles “Hubschrauber-Absturz-Training” absolvieren. Die Wettervorhersage ist schlecht. Und in der Ukraine nebenan sind die Spannungen immer noch hoch.

Auch die Ukraine hatte auf weitere Öl- und Gasfunde in ihren Hoheitsgewässern im Schwarzen Meer gehofft. Rumänien und Ukraine träumten denselben “Traum” vom Tiefsee-Gas. Doch dann annektierte Russland die Krim. Aus der Traum, zumindest in der Ukraine, denn Moskau will die Grenzen im Schwarzen Meer verschieben.

Stundenlang üben wir mit dem Kopf nach unten, aus einem gesunkenen Helikopter zu entkommen, Vorbereitung auf den Ernstfall. “Du musst körperlich und vor allem psychisch fit sein”, meint Chefausbilder Grosu. “Alle Reflexe und Bewegungsabläufe müssen im Kopf abgespeichert sein. Du musst jeden Handgriff kennen, wenn Du unter Wasser aus dem Hubschrauber herauswillst. Wenn Du vorbereitet bist, überlebst Du.”

Tagelang waren die 120 Männer auf der zentralen Petrom-Platform abgeschnitten vom Festland. Dichter Nebel über dem Schwarzen Meer machte Versorgungsflüge per Hubschrauber unmöglich. Dann endlich dreht der Wind – wir bekommen Flugerlaubnis, auch wenn immer noch schwarze Wolken über dem Schwarzen Meer dräuen.

Sein Erdgas produziert Rumänien selbst, weniger als zwanzig Prozent werden aus Russland importiert. Ganz im Gegensatz zu Rumäniens Nachbarländern Bulgarien, Ungarn und Moldawien, deren Abhängigkeit von russischen Gazprom-Lieferungen ist hoch.

Seit der jüngsten Krim-Krise wächst das Misstrauen gegenüber Moskau. In Bukarest aber auch in vielen anderen EU-Hauptstädten hofft man, dass die neuen rumänischen Offshore-Vorkommen die Versorgungssicherheit der Europäischen Union erhöhen könnte, auch wenn der volle Umfang der Vorkommen heute noch nicht präzise bekannt ist.

OMV-Petrom-Manager Selischi, in der Unternehmensführung für das Such- und Fördergeschäft zuständig, zeigt sich jedenfalls entschlossen optimistisch: “Seit zehn Jahren wollen wir Rumänien im Ölgeschäft neu verankern. Dank neuer Fördertechniken sieht unsere Zukunft rosiger aus. Wir können das Schwarze Meer zu einem Netto-Exporteur von Kohlenwasserstoffen nach Europa machen.”

Die Suche im Schwarzen Meer geht weiter. Doch Ölschwemme und niedrige OPEC-Preise könnten die Investitionsentscheidung zum Anzapfen der Tiefwasser-Gasreserven verzögern. Anders als in der Nordsee, muss eine Tiefsee-Offshore-Industrie am Schwarzen Meer erst noch aufgebaut werden, es fehlt an Dienstleistern, an Spezialausrüstung und Zulieferbetrieben und dann ist da auch noch die Bosporus-Brücke, ein echtes Transportproblem für den Fall, dass eine schwimmende Bohrinsel ins Schwarze Meer transportert werden muss. Durch alle diese Faktoren ist das Offshore-Geschäft im Schwarzen Meer sehr viel kostenintensiver als im Golf von Mexiko oder anderen Offshore-Gebieten. Über all dem schwebt die Frage nach der mittelfristigen Entwicklung der Rohöl- und Erdgaspreise: bleiben die Preise über Jahre hinweg auf dem niedrigen Niveau von heute? Dann könnte OMV Petrom die Tiefwasser-Offshore-Entscheidung wohl verschieben. Oder wird sich der Preis auf einem mittleren bis hohen Niveau einpegeln? Oder gibt es noch einen Großfund? Dann wird OMV Petrom möglicherweise schon bald die Investitionsentscheidung treffen.

Das Leben auf der Plattform ist hart für die 120 Männer hier draußen. Drei Wochen schuften sie am Stück, in 12-Stunden-Schichten. Die Cowboys des Schwarzen Meers erinnern sich an Winterstürme mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern.

Im Kontrollraum reden wir mit Stefan Daniel Constantinescu: “Im Winter gibt es hier unglaubliche Stürme”, erzählt der Mann im roten Overall. “Es kommt vor, dass wir einige Bereiche der Plattform gar nicht mehr erreichen können, wenn so ein Sturm bläst: Du musst Dich an den Geländern festklammern, der Sturm kann Dich glatt von der Plattform ins Meer schleudern.”

Verlassen wir die Offshore-Plattform in Richtung Bukarest, wo wir eine Verabredung mit einem der bekanntesten Geopolitiker Rumäniens haben, Silviu Negut. Sein Vorschlag: Rumänien soll zentrale Energie-Drehscheibe Europas werden. Doch Russland wolle das blockieren, so Negut: “Russland agiert aggressiv, um alle Energie-Ressourcen in der Schwarzmeer-Region zu kontrollieren. Ich glaube, die Europäische Union muss hierauf geschlossen reagieren, als regionale Interessengemeinschaft mit einer Stimme sprechen. Das ist die Lösung, eine andere gibt es nicht.” Moskau wolle die EU durch bilaterale Verhandlungsangebote auseinanderdividieren, Einzeldeals mit Deutschland, Italien, Frankreich, Bulgarien, Ungarn seien in den vergangenen Jahren methodisch ausgebaut worden. “Putin ist ein Schachspieler”, analysiert Negut, der nach dem Motto “Teile und herrsche” seine Interessen gegenüber der Europäischen Union durchzusetzen versuche.

Doch das klappt nicht immer. Die Europäische Kommission hat gegenüber Gazprom klargemacht, dass in Europa europäische Gesetze gelten, auch im Bereich des zu liberalisierenden Gasmarktes. Aus EU-Sicht geht es nicht, dass Gazprom Gas liefert und gleichzeitig die Gasinfrastruktur betreibt. Förderung und Vertrieb müssten getrennt werden, es gelte einer Monopolstellung vorzubeugen. EU-Mitglied Bulgarien hörte den Argumenten aus Brüssel nur mit halbem Ohr zu und ließ sich unter Moskauer Argumenten etwas zu vorschnell auf das “South-Stream” Pipeline-Projekt mit Russland ein. Die Europäische Kommission drohte mit einem EU-Vertragsverletzungsverfahren, daraufhin legte Bulgarien seine “South-Stream”-Teilnahme auf Eis. Die Folge: beim jüngsten Staatsbesuch Putins in der Türkei, legte er “South Stream” zu den Akten.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Russland musste das “South-Stream”-Pipeline-Projekt sagen, weil es mit geltendem EU-Recht nicht vereinbar ist und die Europäische Kommission Zähne zeigte.

Zur Erhöhung der Versorgungssicherheit unterstützt die Europäische Union ein anderes Pipeline-Projekt. Aus dem kaspischen Raum soll Erdgas durch die Türkei nach Griechenland gebracht werden, von dort soll es eine Abzweigung nach Italien, eine andere nach Norden geben, Richtung Mittel- und Osteuropa.

Außerdem befürwortet Europa den Ausbau der Flüssiggasanlagen in Georgien und Rumänien. Die Idee: ein Gastanker-Shuttle-Schiffe, die verflüssigtes Erdgas quer über das Schwarze Meer transportieren.

Doch zunächst muss Rumänien seine Pipeline-Verbindungen mit Bulgarien, Ungarn und Moldawien so ausbauen, dass das Erdgas auch in die andere Richtung strömen kann. Einige Pipelines wurden zwar bereits verlegt, doch an einigen Stellen existieren noch technische und/oder politische Probleme. Die EU-Kommission hat aufgrund der Verzögerungen bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien eingeleitet. Denn das Land ist zwei volle Jahre im Verzug. Probleme gab es beispielsweise mit der Pipeline-Verbindungs-Baustelle zwischen Rumänien und Bulgarien.

Nun, einige Verbindungen existieren bereits, wie beispielsweise die Röhre nach Moldawien. Doch noch fehlt die Verlängerung bis in die moldawische Hauptstadt Chisinau.

Mit Ungarn gab es ebenfalls Querelen, da sich Ungarn zunächst den russischen Pipeline-Ausbauplänen angeschlossen hatte und aus politischen Gründen auf die Bremse trat und tritt. Ungarn sähe sich selber gerne in der Rolle des künftigen Energie-Hubs.

Wir haben eine Verabredung mit dem Präsidenten der staatlichen rumänischen Agentur für mineralische Bodenschätze, Gheorghe Dutu. Einfache Frage an Dutu: Falls Russland den Gashahn zudreht, könnte Erdgas über Rumänien in die Netze der EU-Nachbarn eingespeist werden? Ja oder Nein?

“Sicher, im Notfall könnten kleinere Gasmengen durch eine Umkehrung der Fließrichtung zu den Nachbarn geleitet werden”, meint Dutu, “aber keine großen Mengen. Das Netzwerk der Verbindungsstellen ist noch nicht vollständig ausgebaut. Wir müssen das gesamte System umstellen.” Auch er betont die Notwendigkeit, die Verbindungen zu den Nachbarn prioritär auszubauen.

Rumanien ist eine der Wiegen der europäischen Erdölindustrie, bereits 1857 wurde hier in grossem Maßstab gebohrt und gefördert.

Heute sind neunzig Prozent der Quellen fast erschöpft. Die Reserven liegen bei 700 Millionen Barrel, das reicht – ohne Modernisierungsschub – noch für zehn Jahre. Doch genau hierfür etschied sich OMV Petrom, für einen massiven Investitionsschub. Das Unternehmen investierte in den vergangenen zehn Jahren zehn Milliarden Euro, um auch den letzten Tropfen Öl aus der Erde zu pressen, der Niedergang der Produktion konnte verlangsamt werden, jetzt rechnen die Geologen mit einer Reichweite der nachgewiesenen Reserven von 25 Jahren oder mehr.

Vasile hat 30 Jahre Erfahrung im Fördergeschäft, hier auf dem Ölfeld ist er der Chef: “Die Ausbeutung der Ressourcen hier im Moreni-Gebiet begann so etwa um 1900, 1905… Heute sinkt die Fördermenge, das ist normal, der Druck der Ölquelle lässt nach. Wir haben neue Techniken eingeführt, mit denen wir den Druck auf einem gewissen Niveau stabilisieren und damit die Lebensdauer der Rohöl-Reserve verlängern.”

Vom Ölfeld in Zentral-Rumänien geht der Weg zurück in die Hauptstadt Bukarest. Da ist noch eine Methode, die Versorgungssicherheit zu erhöhen: ganz einfach weniger Energie verbrauchen. Auch daran arbeitet Rumänien mit Hochdruck: in Bukarest läuft ein gigantisches Programm zur thermischen Dämmung alter Gebäude aus der Ceausecsu-Zeit, massiv gefördert von der Europäischen Union.

Wir treffen uns mit dem Bezirksbürgermeister des dritten und bevölerungsreichsten Bukarester Stadtbezirks, Robert Negoita. Der lacht wie ein Honigkuchenpferd, man sieht es ihm an, das Wärmedämmungsprogramm ist eines seiner Lieblingsprojekte und ein voller Erfolg: “Erstens sinkt durch die Dämmung der Energieverbrauch glatt um die Hälfte. Zweitens ändert sich das Aussehen: Schöner Wohnen in der Hauptstadt… Drittens: eine Verringerung des CO2-Ausstosses. Ich bin wirklich froh über dieses Dämmprogramm, ja, stolz.”

In einer der oberen Etagen lädt uns der ehemalige Stahlarbeiter Ion Iovescu ein zu einer Tasse Tee. 104 der 119 Bewohner des Plattenbaus stimmten sofort für das Projekt, erzählt er. Ganz Bukarest sei sich einig: Wärmedämmung sei einfach super. Denn schließlich spare man damit Geld, viel Geld – gemessen an der bescheidenen Rente, von der Ion lebt: “Dieser Wohnblock ist ganz schön alt. Das Gebäude wurde 1962 errichtet”, erzählt er. “Und die Bewohner, die in einem der oberen Stockwerke leben, bekamen bislang nicht genug Heizwärme ab. Finanziell gesehen macht die Wärmedämmung einen echten Unterschied, da muss man sich nur die Heizrechnung vor und nach der Dämmung ansehen: Durch die Wärmedämmung geht unsere Heizrechnung 30 bis 40 Prozent runter.”

Doch Rumäniens allerjüngste Revolution spielt sich in der Luft ab: In nur wenigen Jahren baute das Land riesige Windenergiekapazitäten auf. Rumänien weiß: Versorgungssicherheit rechnet sich nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten.

BONUS-INTERVIEW: Mariana Gheorghe, CEO OMV Petrom: Ölfund im Schwarzen Meer

In der rumänischen Hauptstadt Bukarest sprach Euronews-Reporter Hans von der Brelie mit Mariana Gheorghe, CEO von OMV Petrom, über jüngste Erdgas- und Rohölfunde im Schwarzen Meer, Rumäniens Energieversorgungssicherheit und anstehende Investitionsentscheidungen. Das komplette Interview (auf Englisch) können Sie hier hören.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Hat Frankreich aus den Terroranschlägen von 2015 seine Lehren gezogen?

Deutschland im Energie-Wahlkampf: Wo weht der Wind des Wandels?

Halloumi: Kann Käse-Diplomatie Zypern einen?