Moskau, Migration, Medien: Alles, was Sie über die Wahl in Ungarn wissen müssen

Alles Wissenswerte zur Wahl in Ungarn
Alles Wissenswerte zur Wahl in Ungarn Copyright REUTERS
Von Chris HarrisAlexandra Leistner
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Wird Viktor Orban, Europas berüchtigster Populist und das schwarze Schaf in Brüssel, weitere 4 Jahre in Budapest regieren? Ein Überblick über Kandidaten, Themen und was auf dem Spiel steht.

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Europas führender Populist und Brüssels schwarzes Schaf Viktor Orban ist im Rennen um eine weitere vierjährige Amtszeit.

Seine rechtsnationalistische Fidesz-Partei führt in Meinungsumfragen vor der Parlamentswahl. Am Sonntag, 8. April gehen die Ungarn an die Urnen.

Was Sie über die Abstimmung wissen müssen und warum sie für Europa wichtig ist, erklären wir in diesem Leitfaden.

Die wichtigsten Parteien und Kandidaten

Viktor Orban (oben), Gabor Vona (Mitte) und Ferenc Gyurcsány (unten).

Fidesz: Die von Orban geführte Partei, die Ungarn seit 2010 im Bündnis mit den Christdemokraten (KDNP) regiert. Orban, 54, half bei der Gründung von Fidesz im Jahr 1988. Zehn Jahr später war er zum ersten Mal Ministerpräsident des Landes.

Jobbik: Die rechtsextreme Bewegung, die als neonazistisch und antisemitisch gilt, hat bei den letzten Parlamentswahlen vor vier Jahren 20 Prozent der Stimmen gewonnen. Die Partei, die von Gabor Vona geführt wird, hat sich selbst in der Vergangenheit als radikal patriotisch beschrieben. Experten zufolge hat die Partei sich in letzter Zeit bemüht, moderater zu erscheinen, um mehr Wähler der Mitte zu erreichen.

Sozialisten: Die Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) ist aus der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei hervorgegangen, der kommunistischen Partei, die von 1956 bis 1989 regierte. Sie ist auf der gleichen Linie wie die Dialog für Ungarn (Parbeszed) und wird, wie Jobbik, voraussichtlich rund 15 Prozent der Stimmen erhalten.

Die Politik kann anders sein (LMP - Lehet Más a Politika): Dies ist Ungarns grüne Partei mit Themen wie Umweltschutz, Reform der Politik und Bekämpfung der Korruption. Sie hat sechs von 199 Sitzen im Parlament.

Andere: Unter den kleineren Parteien sind die neu gegründete und EU-freundliche Partei Momentum, die sozial-liberale demokratische Koalition unter der Führung des ehemaligen sozialistischen und ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány; eine weitere pro-europäische Partei, Zusammen 2014, und die Satire-Partei des zweischwänzigen Hundes, die von einem Kandidaten mit Hühnerkostüm und Maske vertreten wird.

Was steht auf dem Spiel?

Experten warnen, Ungarn nehme sich das russische oder türkische Modell zum Vorbild, indem die Pressefreiheit einschränkt, die Demokratie geschwächt und gegen aus dem Ausland finanzierte NGOs vergegangen wird.

Wenn dies auch nach den Wahlen so weitergeht, wird es wahrscheinlich zu weiteren Auseinandersetzungen mit Brüssel unter dem Vorwurf kommen, dass Ungarn die GElder der EU annimmt, aber die europäischen Werte in Bezug auf Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht respektiert.

Ungarn führt auch den Populismus in Europa an: Eine euronews-Studie ergab, dass der Anteil der Wähler, der so genannte Anti-Establishment-Parteien unterstützt, mit 65 % der höchste in der EU ist.

Die Wahl dürfte daher ein Zeichen dafür sein, wie stark der populistische Puls Europas schlägt. Das ganze nur einen Monat nach dem Sieg der Anti-Establishment-Parteien in Italien.

Doch während der Populismus in Ungarn scheinbar gedeiht, gibt es laut dem Pew Research Center immer noch eine breite Unterstützung für die EU. Eine Studie aus dem Jahr 2017 ergab, dass 67 % der ungarischen Befragten Brüssel positiv beurteilen.

Streitthema Einwanderung

Einwanderung ist ein zentrales Wahlkampfthema in Ungarn. Das Land stand im Mittelpunkt der europäischen Flüchtlingskrise im Jahr 2015, als Angela Merkel beschloss, hunderte Flüchtlinge am Bahnhof Budapest-Keleti nach Deutschland reisen zu lassen.

Von den 174.435 in diesem Jahr gestellten Asylanträgen aber nur 425 von den ungarischen Behörden positiv beantwortet.

Aber der Migrantenstrom von vor zwei Jahren hat sich verlangsamt.

Im vergangenen Jahr gab es 3.115 Asylanträge, von denen laut Eurostat rund ein Drittel stattgegeben wurde.

Auf einer Kundgebung anfang des Monats sagte Orban: "Externe Kräfte und internationale Mächte wollen uns das alles mit Hilfe ihrer Handlanger hier in Ungarn aufzwingen, und sie sehen die kommenden Wahlen als eine gute Gelegenheit dafür."

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"[Externe Mächte] wollen unser Land einnehmen. Sie wollen uns zwingen, es freiwillig an Fremde von anderen Kontinenten abzugeben, die unsere Kultur, unsere Gesetze und unsere Lebensweise nicht respektieren."

Nach Angaben der Regierung lebten im vergangenen Jahr 151.132 Ausländer in Ungarn, das sind 1,5 Prozent der 9,8 Millionen Einwohner des Landes.

Von den 23.803 Menschen, die 2016 nach Ungarn einwanderten, kam die Mehrheit aus Europa (60 Prozent).

"Orban tut sein Bestes, um das Thema Migration zum wichtigsten Teil der Kampagne zu machen", sagte Robert Laszlo, ein Politikexperte der in Budapest ansässigen Denkfabrik Political Capital, gegenüber Euronews.

"Die Fidesz-Wähler haben eine echte Angst vor Migranten und vor Fremden, und sie haben Angst, dass sie ihnen ihre Arbeit wegnehmen und die ungarische und europäische Kultur dabei untergeht."

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"Doch sie haben noch nie einen Migranten gesehen - denn wir haben keine. Sie haben wirklich Angst vor dem Unbekannten."

"Aber das ist nur eine Minderheit der Ungarn. Orban hat zwei Millionen Wähler bei einer Bevölkerung von acht Millionen. Die meisten Leute können fühlen, dass das eine Lüge und nur Propaganda ist."

Orbans Haltung zur Einwanderung hat einen Streit mit dem UN-Menschenrechtschef Zeid bin Ra'ad al-Hussein ausgelöst, der ihn als einen der "Rassisten und Fremdenfeinde Europas" bezeichnete. Ungarn reagierte promt: Zeid sei unwürdig und solle zurücktreten.

Die Ungarn scheinen jedoch dringendere Sorgen zu haben als die Einwanderer.

Eine Ipsos-Umfrage Anfang des Jahres ergab, dass 72 Prozent der Befragten aus dem Land die Gesundheitsfürsorge für das besorgniserregendste Thema halten. Auch Korruption, Bildung und Arbeitslosigkeit sind den meisten Menschen wichtigter als das Thema Einwanderung.

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Zankerei um Soros

Orban gibt dem Philanthropen George Soros die Schuld für Ungarns Einwanderungsproblem.

Dem in Ungarn geborenen Milliardär wird vorgeworfen, NGOs zu unterstützen, die sich für liberale und Werte und offene Grenzen einzusetzen.

Anfang dieses Jahres hat die Regierung von Orban den Gesetzentwurf "Stop Soros" vorgelegt, der eine Steuer von 25 Prozent auf ausländische Spenden vorsieht, die die illegale Migration in Ungarn unterstützen.

Ein weiteres Gesetz betrifft die von Soros gegründete Central European University in Budapest.

Laszlo zufolge ist das ein Beweis dafür, dass Orban, der Wladimir Putin nahe steht, Ungarn dazu drängt, wie Russland zu werden.

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"Wir können sehen, wie sie mit der freien Presse umgehen, wie sie mit den NGOs und den unabhängigen Intellektuellen und unabhängigen Universitäten umgehen", sagte Laszlo. "Wir sehen es Schritt für Schritt - nach russischem Vorbild."

Pressefreiheit

Einer Studie der London School of Economics zufolge wurde die Pressefreiheit in den letzten Jahren immer stärker eingeschränkt. Das schwäche die Demokratie und helfe Orban, an der Macht zu bleiben.

Ungarn gilt als eines der schlechtesten Länder in der EU in Sachen Pressefreiheit, nur in Bulgarien und Griechenland wird die Lage schlechter bewertet.

"Ich kann nicht sagen, dass die Demokratie tot ist, aber sie ist viel schwächer als vor ein paar Jahren", so Politikwissenschaftler Laszlo."Weder Fidesz-Politiker und Ministerpräsident Orban führen keine öffentlichen Debatten mit Oppositionspolitikern."

"Wir haben unsere Sender noch, aber die eingeschlagene Richtung ist sehr schlecht. Viele unabhängige, lokale Zeitungen, sind heute unter der Kontrolle von Leuten, die dem Ministerpräsidenten nahe stehen."

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Wer wird wahrscheinlich gewinnen?

Fidesz hat bei Meinungsumfragen einen klaren Vorsprung, gefolgt von der rechtsextremen Partei Jobbik und der Ungarischen Sozialistischen Partei.

Laszlo sagte, ein Sieg für Fidesz sei das wahrscheinlichste Szenario. Kritiker sagen, die Partei habe die Wahlgesetze im Jahr 2013 zu ihrem Vorteil geändert hat.

Beobachter sind der Meinung, Orban sei zwar nicht unbesiegbar, soch auf der linken Seite gibt es keine starke Persönlichkeit, die mit seinem Charisma mithalten kann. Laut Laszlo waren auch die Linken gespalten und kämpften um das Vertrauen der Öffentlichkeit, nachdem der ehemalige sozialistische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany zugegeben hatte, über den Zustand der Wirtschaft gelogen zu haben, um Wahlen zu gewinnen.

Die Opposition setzt ihre Hoffnungen auf ein Ergebnis der lokalen Wahl in Hodmezovasarhely, einer Hochburg für Fidesz. Dort verlor der Kandidat der Partei für das Bürgermeisteramt gegen einen unabhängigen Kandidaten, der von Oppositionsparteien unterstützt wurde.

Es besteht auch die Sorge, dass gefälschte Parteien, die ausschließlich für den Wahlkampf mit staatlichen Subventionen ausgestattet sind, echten politischen Bewegungen die Stimmen entziehen.

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