Wahlen in Venezuela erklärt: Chavismus ja, Maduro nein

Nicolas Maduro ist seit 2013 Präsident Venezuelas
Nicolas Maduro ist seit 2013 Präsident Venezuelas Copyright Reuters
Von Cristina Abellan MatamorosAlexandra Leistner
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Am Sonntag stehen in Venezuela vorgezogene Neuwahlen an. Diese könnten Maduro weniger nützlich sein, als er es denkt.

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Zur Überraschung vieler wird Venezuela am Sonntag vorgezogene Präsidentschaftswahlen abhalten. Die USA und die EU haben die Entscheidung des venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro, die Blitzabstimmung abzuhalten, verurteilt. Man könne weitere Sanktionen gegen das Land verhängen, wenn "die Demokratie untergraben wird".

Maduro wurde nach dem plötzlichen Tod von Hugo Chavez im Jahr 2013 zum Präsidenten von Venezuela gewählt. Die meiste Zeit seiner Präsidentschaft hat er per Dekret regiert.

Anders als viele denken, dürfte die wachsende Unzufriedenheit wegen der miserablen Lage in Venezuela Maduro nicht nur zugute kommen, meint Tim Gill, Professor für Soziologie an der Universität von North Carolina.

"Die Leute glauben immer noch an den Chavismus [linke politische Ideologie des ehemaligen Präsidenten von Venezuela Hugo Chavez], aber Maduro unterstützen sie nicht", sagte Gill im Gespräch mit Euronews. "In vielen Umfragen ist Chavez immer noch der beliebteste Politiker in Venezuela."

Reuters
Venezolaner vor einem Kampagnen-Graffiti MadurosReuters

Maduro schaffe es nicht, die Menschen zu verzaubern oder zu blenden, so Gill.

"Es scheint ein klassischer Fall von Machtübertragung zu sein, bei dem ein charismatischer Anführer [Chávez] die Dinge zusammenziehen und den Staat richtig führen konnte.  Und derjenige, der übernimmt [Maduro], sieht wie ein Hochstapler aus."

Maduros Mangel an Veränderung hätten seinem Image geschadet.

"Es gab eine Menge Korruption unter Chávez, aber er konnte die Dinge durchsetzen und das Militär und die Bürokratie in einer Weise managen, die funktionierte. Maduro will nichts ändern, weil es scheinbar Individuen im Militär gibt, die von den wirtschaftlichen Situation profitieren."

Der Venezuela-Experte fügte hinzu, dass in Umfragen tatsächlich viele Menschen mit Maduro unzufrieden sind.

"Wenn jeder im Land wählen gehen würde, wäre Oppositionsführer Henri Falcon der nächste Präsident. Aber ob die Leute zur Wahl gehen oder nicht, ist eine andere Frage."

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Die Wahlen werden aus einer Reihe von Gründen als weniger glaubwürdig angesehen werden, sagte Gill.  Dies sei ein weiterer Faktor, der Maduro am Sonntag schaden könnte.

Internationale Beobachter aus den USA und der EU dürfen die Wahlen nicht überwachen. Maduro zufolge werden sie nicht gebraucht.

Auch Berichte über angebliche Eingriffe in die Wahlergebnisse im südöstlichen Bundesstaat Bolivar haben die Menschen skeptisch bezüglich Wahlfälschung gemacht. 

Die Schaffung der Verfassungsgebenden Versammlung - ein allmächtiges paralleles Gesetzgebungsorgan, das im vergangenen Jahr mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung beauftragt wurde - wird  von der Opposition verurteilt. Sie boykottierte die Wahl von Mitgliedern des neuen Gremiums. Ausländische Mächte wie die USA und Spanien erkannten das Ergebnis der Abstimmung nicht an.

All diese Faktoren hätten Maduro bei seinen Nachbarn in der Region, die ihn als inkompetenten Führer sehen, noch weniger beliebt gemacht, so Gill.

Dennoch gute Chance für Maduro?

Trotz der schwächelnden Popularität des Präsidenten sagte der Experte, dass die Chancen für eine Wahlsieg Maduros gut aussehen.

REUTERS/Carlos Jasso
Graffiti in Caracas: "Ich werden nicht wählen gehen"REUTERS/Carlos Jasso

Die wichtigste Opposition, die Koalition der Demokratischen Einheit, will die Wahlen zu boykottieren. Auch Kanndidaten stellt sie nicht. Henri Falcon vom Progressive Advance (Fortgeschrittene Progressive) und Javier Bertucci treten als unabhängige Kandidaten an.

Die beiden beliebtesten Oppositionellen, Leopoldo Lopez und Henrique Capriles, dürfen beide nicht antreten.

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Der Boykott der Wahlen werde der Opposition schaden und Maduro helfen, sich eine weitere Amtszeit als Präsident von Venezuela zu sichern.

"Dies ist eine Strategie, die viele Oppositionsparteien in anderen Ländern versucht haben und die nie die gewünschten Ergebnisse bringt", sagte Gill.

Was passiert nach der Wahl am Sonntag?

Wer die Wahl gewinnt, muss sich der bröckelnden Wirtschaft des Landes, der Hyperinflation und dem Mangel an Grundbedürfnissen stellen.

Venezuela befindet sich derzeit in einer der schlimmsten wirtschaftlichen und sozialen Krisen in der Geschichte des Landes. Millionen von Menschen leiden unter Nahrungsmittel- und Medikamentenmangel, Hyperinflation und wachsender Unsicherheit.

Die Probleme ist laut Kritikern das Ergebnis der gescheiterten Maduro-Regierung. Rund drei Millionen Menschen sind aus dem Land geflohen.

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Wenn er gewinnt, so Gill, "kann Maduro einige der Ölprojekte an China und Russland übergeben, damit sie ihr Kapital investieren können".

Venezuela verfügt über enorme Ölreserven, aber die wirtschaftliche Misere des Landes hat das Land auf weniger als 40 % seiner gesamten potenziellen Produktion gedrosselt.

Maduros zweite Amtszeit als Präsident dürfte seiner Ersten ähneln, vermutet Gill.

Oppositionspolitiker Falcon hat versprochen, den US-Dollar anstelle des hyperinflationären Bolivar zu einzuführen, um die Wirtschaft zu stabilisieren. 

Er will zudem ausländische Hilfe in Venezuela annehmen, inhaftierte Oppositionsaktivisten freilassen und mit dem IWF zusammenarbeiten, um die Wirtschaft zu erneuern.

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