Nowitschok-Entwickler: Gift könnte in Lippenstift transportiert worden sein

Chemiker Wladimir Uglev im Gespräch mit euronews
Chemiker Wladimir Uglev im Gespräch mit euronews
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Von Alice Cuddy
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Euronews sprach mit einem der Entwickler des Nervengifts.

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Das tödliche Nervenmittel, das mit der Vergiftung von vier Menschen in Südengland in Verbindung stehen soll, könnte in einem Lippenstiftröhrchen transportiert worden sein, bevor es zum Einsatz kam. Das hat ein russischer Wissenschaftler, der die Substanz entwickelte, im Gespräch mit Euronews gesagt.

"Der Stoff ist sehr stabil. Es kann vom Regen weggespült werden, es kann unter der Sonne verdunsten. Aber es wird sich nicht zersetzen." 

Wladimir Uglev ist heute 72 Jahre alt. Er hatte eine führende Rolle bei der Entwicklung von A-234, einem Stamm der Nowitschok-Familie von Nervengiften, von dem angenommen wird, dass er dem ehemaligen russischen Spion Sergej Skripal und seine Tochter Yulia Anfang des Jahres in Salisbury verabreicht wurde.

Wie auch die britische Polizei sagte Uglev, er glaubt, dass das britische Paar Dawn Sturgess, 44, und Charlie Rowley, 45, in Wiltshire mit der gleichen Substanz vergiftet wurde.

Sturgess war am Sonntag im Krankenhaus gestorben.

Reuters
Ein Polizist vor einer Absperrung in Amesbury. Hier kamen zwei Personen mit einem Nervengift in Kontakt.Reuters

Uglev erzählte Euronews, dass die Probe A-234 vor dem Einsatz von "Profis in einem entsprechenden professionellen Umfeld" gehandhabt worden sein muss.

"Für eine Vergiftung braucht man 2-3 Milligramm. Denken Sie darüber nach - ein Tropfen Wasser aus einer Pipette ist 30 Milligramm", sagte er.

Uglev setzte sich selbst selbst ausgiebig mit dem Mittel auseinander. Im Gespräch theoretisierte er, wie es hätte transportiert und geliefert werden können.

"Du machst einen Schlauch, wie einen Lippenstift, aus einem zähen Plastikmaterial. Ein weiterer kleinerer Schlauch wird mit der Substanz gefüllt und hermetisch verschlossen. Dann wird es in den Lippenstiftschlauch gesteckt, versiegelt, und das war's", sagte er.

"Wenn es so weit ist, nimmst du den Schlauch heraus und ziehst Lederhandschuhe an. Dann trägst du das Gift auf die gegebene Oberfläche auf."

Uglev sagte, damit das Gift wirkt, "muss man es entweder berühren, riechen oder schmecken."

Der Täter "konnte während der Anwendung den Atem anhalten, es ist ein Prozess von einer Sekunde", erklärte er.

Reuters
Forensische Wissenschaftler suchen nach einem verdächtigen GegenstandReuters

Nach Angaben der Polizei in Großbritannien befand sich das in der vergangenen Woche vergiftete Paar in einem kritischen Zustand, nachdem es mit einem kontaminierten Einzelteil in Kontakt kam. Das sei nahe des Ortes geschehen, an dem die Skripals im März vergiftet wurden.

Wenn jemand den Behälter gefunden und dann gerochen hätte, hätte es "nur drei oder vier Schnüffler gebraucht. Wenn das nicht eine tödliche Dosis ist, dann eine extrem gefährliche".

Auf die Frage, wie die Skripals die Vergiftung überlebt hätten, antwortete er, sie hätten "Glück gehabt" und seien wahrscheinlich nur einer kleinen Menge des Mittels ausgesetzt gewesen.

Während die Polizei in England weiter nach dem "kontaminierten Gegenstand" sucht, der die vier vergiftet hat, warnte Uglev, dass die Substanz dort auf unbestimmte Zeit bleiben könnte.

"Das Gift ist widerstandsfähig. Es kann vom Regen weggespült werden, es kann unter der Sonne verdunsten. Aber es wird sich nicht zersetzen", sagte er.

Eine polizeiliche Untersuchung der Vergiftung ist im Gange. Zum Zeitpunkt des Schreibens sagte die Polizei nicht, wie das Nervenmittel transportiert wurde.

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Der britische Innenminister Sajid Javid hat Russland beschuldigt, Großbritannien als "Abladeplatz" für Gift zu benutzen und Moskau aufgefordert, "genau zu erklären, was nach dem Vorfall in Wiltshire geschehen ist".

Russland hat jegliche Beteiligung wiederholt dementiert.

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