Junger Russin drohen 6 Jahre Gefängnis für im Internet geteilte Memes

Maria Motuznaya und ihr Anwalt Alexei Bushmakow
Maria Motuznaya und ihr Anwalt Alexei Bushmakow Copyright Maria Motuznaya
Von Naira DavlashyanAlexandra Leistner
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Ein Meme ist ein satirisches Bild, meist mit Text darauf.

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Einer jungen Russin drohen sechs Jahren Gefängnis wegen Extremismus, nachdem sie Memes in sozialen Medien veröffentlicht hat, die von den Behörden als beleidigend eingestuft wurden.

Maria Motuznaya, 23, twitterte letzte Woche, dass die Polizei ihre Wohnung in der sibirischen Stadt Barnaul am 8. Mai durchsucht und sie beschuldigt hatte, unangemessene Bilder im sozialen Netzwerk VKontakte zu veröffentlichen.

Einige der Memes enthielten satirische Bilder von Priestern. Internet Memes sind meist Fotos, auf denen ein kurzer Text das Abgebildete karikiert, doch auch kurze Filme, Audiobeiträge und andere Medieninhalte können in diese Kategorie fallen.

"Mir wurde gesagt, dass ich durch das Speichern und Verbreiten dieser Bilder Menschen beleidigt habe und dass ich mich schuldig bekennen muss", sagte sie in einer Serie von Tweets.

"Die ersten 15 Minuten habe ich gelacht. Als sie mir erzählten, dass ein anderes Mädchen wegen der gleichen Vorwürfe für drei Jahre ins Gefängnis geschickt wurde, fühlte ich mich unwohl. Sie forderten von mir, ein Geständnis zu unterschreiben", erzählte sie.

Sie unterzeichnete das Geständnis und wurde wegen Hassrede und Extremismus angeklagt.

Ihr Prozess beginnt am 6. August. Wenn sie für schuldig befunden wird, könnte sie für sechs Jahre ins Gefängnis kommen.

Motuznaya erzählte im Gespräch mit Euronews, dass sie die Unterzeichnung des Geständnisses bedauert: "Ich bekam Angst und sie versprachen, dass ich mit einem Gemeinschaftsurteil davonkommen könnte."

Auf die Frage hin, was es mit den Bildern auf sich hat, sagte sie: "Es bedeutete nichts. Ich sah diese Bilder im Internet und speicherte sie, genau wie einige Leute Landschaftsfotos oder so, weil ich sie lustig fand. Es gab sowieso nicht viele von ihnen", fügte sie hinzu.

"Ich habe jeden Tag mehr und mehr Angst. Ich hoffe auf einen Freispruch, aber es ist eher ein Traum, keine Hoffnung."

Ihr Anwalt Alexej Buschmakow, sagte gegenüber Euronews, er glaube, die örtliche Polizei sei beauftragt worden, mehr Menschen bei Straftaten zu erwischen. Er schloss aber auch nicht aus, dass die Anklage gegen Motuznaya politisch motiviert sein könnte.

Er glaubt nicht an einen Freispruch: "Man muss vernünftig sein und sollte nicht an Wunder glauben."

Motuznaya unterstützt die russische OppositionsfigurAlexei Nawalny . In der Vergangenheit hatte sie Beiträge über Oppositionskundgebungen in Moskau geteilt.

Die junge Russin vermutet einen Zusammenhang mit ihren politischen Ansichten: "Vielleicht müssen sie wirklich ihre Statistik der aufgedeckten Fälle verbessern, und es ist nur ein Zufall. Aber vielleicht hängt das mit meinen politischen Ansichten zusammen. Ich spreche mich in den sozialen Netzwerken für die Opposition aus. Als Alexei Nawalny 2017 seinen Präsidentschaftswahlkampf begann, war ich ein Freiwilliger. Ich habe an allen Kundgebungen teilgenommen, auf meinen Social-Network-Seiten zu Kundgebungen aufgerufen.

Internet-Freiheit in Russland häufig Anlass für Kritik

Menschenrechtsgruppen haben Russland für das harte Vorgehen gegen die Privatsphäre und die Meinungsfreiheit im Internet kritisiert.

Im April blockierte das Land den verschlüsselten Telegram-Chat, weil das Unternehmen den Behörden die Codes für die Entschlüsselung nicht zur Verfügung stellen wollte.

Freedom House, ein unabhängiger Watchdog, beschreibt Russland als nicht frei in seiner Rangliste Freedom of the Net 2017 und betont, dass soziale Medieninhalte sowie politische und soziale Inhalte regelmäßig blockiert werden. Die Organisation wies auch darauf hin, dass Nutzer und Blogger regelmäßig verhaftet werden.

Laut Agora, einer Menschenrechtsgruppe, gab es in den letzten zehn Jahren 214 Fälle von Gewalt oder Drohungen gegen Online-Aktivisten, Blogger und Online-Journalisten, darunter fünf Morde und mehrere Mordversuche.

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Darüber hinaus wurden 1.449 Fälle von Strafverfolgung im Zusammenhang mit Online-Aktivitäten sowie über 250.000 Fälle von Einschränkungen der Internetfreiheit im Land registriert.

Zwei weitere Vkontakte-Nutzer aus Barnaul wurden ebenfalls wegen Extremismus angeklagt: Andrey Shasherin, 38, teilte das ein Bild des russisch-orthodoxen Bischofs und Patriarchen von Moskau und Daniil Markin, 19, postete eine Bildmontage des Game of Throne Darstellers Jon Snow mit einem Heiligenschein.

Daniil Markins Prozess läuft seit einem Jahr

Die Ermittlungen gegen ihn dauerten neun Monate: "Sie zeigten mir Bilder, die ich 2016 gespeichert habe. Ich hatte sie schon lange vergessen. Zuerst dachte ich, dass da etwas anderes, etwas Schlimmeres passiert ist. Aber nein, das war es."

Markins Prozess läuft seit einem Jahr.

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