„Fauler Kompromiss“: Bundestag stimmt für Änderung des Abtreibungsparagrafen 219a

„Fauler Kompromiss“: Bundestag stimmt für Änderung des Abtreibungsparagrafen 219a
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Von Linda Fischer mit dpa
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Mit der umstrittenen Reform des Paragrafen 219a sollen sich Schwangere leichter über die Möglichkeiten einer Abtreibung informieren können.

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Der Bundestag hat für den Koalitionskompromiss zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen abgestimmt. Mit der umstrittenen Reform des Paragrafen 219a sollen sich Schwangere leichter über die Möglichkeiten einer Abtreibung informieren können.

Dazu hatten Union und SPD einen nach eigener Aussage für beide Seiten „schmerzhaften Kompromiss“ ausgehandelt: Ärzte und Kliniken dürfen künftig mitteilen, dass sie Abtreibungen vornehmen – müssen für weitere Informationen aber auf Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern verweisen. Die Regelung wurde von Opposition, Betroffenen und Experten kritisiert.

In der vergangenen Woche hatte das Parlament in erster Lesung bereits über einen entsprechenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen beraten und ihn in die Ausschüsse verwiesen.

Paragraf 219a: ein Instrument für Abtreibungsgegner

Es geht um den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches. Dieser regelt bisher, dass man – „seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ – öffentlich keine Abtreibungen anbieten darf. Aufgrund dieses Paragrafen wurden in den vergangenen Jahren Ärzte in Deutschland verurteilt, die Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen ins Internet gestellt hatten. Die Klagen wurden häufig auf Initiative von Abtreibungsgegnern aufgenommen, die die Ärzte angezeigt haben. Auch Informationen zu Methoden, Nachsorge oder Risiken dürfen dem Gesetz zufolge nicht angegeben werden.

Der berühmteste Fall ist der der Gießener Ärztin Kristina Hänel, die sich seit ihrer eigenen Strafanzeige dafür einsetzt, den Paragrafen restlos zu streichen. Er ist ihrer Ansicht nach nicht mehr zeitgemäß. Im November 2017 wurde sie vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt.

Der Abstimmung geht eine kontroverse Diskussion voraus. Die SPD wollte den Paragrafen abschaffen, wie auch Grüne, Linke und die FDP – die Union wollte das nicht. Der über Monate mühsam ausgehandelte Kompromiss besagt: Das Werbeverbot bleibt, wird aber ergänzt.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hatten den Kompromiss bereits am Dienstag gelobt und sich zuversichtlich gezeigt, dass die Gesetzesänderung nun abgeschlossen werden kann. Linke, Grüne und FDP setzen sich weiter vehement für die Abschaffung des Paragrafen ein – die Linken-Abgeordnete Cornelia Möhring nannte die Regelung in der Debatte vor der Abstimmung einen „faulen Kompromiss“.

Informationen zu Abtreibungen immer noch strafbar

Mehrere Experten und Betroffene – darunter die Ärztin Kristina Händel – sehen den Entwurf kritisch. „Die neue Einigung bedeutet nur, dass Ärzt*innen jetzt doch informieren dürfen, dass sie Abbrüche machen. Weitere Informationen sind nicht erlaubt. Meine Homepage bleibt weiterhin strafbar. Das kann man Rechtssicherheit nennen, wenn man will“, schrieb Hänel auf Twitter.

Sachverständige im Bundestag waren geteilter Meinung, jedoch überwiegend kritisch.

Der Frauenarzt Wolfgang Vorhoff aus Bad Aibling bezeichnete den Gesetzentwurf als ausgewogen und meinte, er werde die Informationen für ungewollt Schwangere verbessern.

Ulrike Busch vom Institut für Angewandte Sexualwissenschaft der Hochschule Merseburg hielt den Gesetzentwurf dagegen für ungeeignet, um die Information über den Schwangerschaftsabbruch wirksam zu verbessern. Der Entwurf betrachte weiterführende sachliche Information durch Ärzte als Straftatbestand, dieselbe Information auf der Liste beziehungsweise den Verweis auf der ärztlichen Homepage darauf aber nicht. Er sei Ärzten gegenüber diskreditierend und von Misstrauen geprägt.

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