Einige deutsche Arbeitgeber sowie Gewerkschaften haben sich wegen der Angst vor schweren Folgen für die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt gegen einen Boykott von russischem Gas ausgesprochen.
Unternehmenschefs und Gewerkschaften in Deutschland haben sich zusammengeschlossen, um sich gegen ein mögliches EU-Verbot für russisches Gas auszusprechen. Ein solcher Schritt könne die Industrie zum Stillstand bringen, so die Befürchtung.
Nach dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine Ende Februar fordern viele in Deutschland und anderen Ländern ein EU-weites Verbot russischer Gasimporte.
Die deutschen Arbeitgeber und Gewerkschaften haben jedoch angekündigt, dass sie einen solchen Schritt ablehnen, da er zu Arbeitsplatzverlusten und Fabrikschließungen in der größten Volkswirtschaft der EU führen würde.
"Ein schnelles Gasembargo würde zu Produktionsausfällen, Betriebsstilllegungen, einer weiteren Deindustrialisierung und dem langfristigen Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland führen", sagten Rainer Dulger, Vorsitzender der Arbeitgebervereinigung BDA, und Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, in einer gemeinsamen Erklärung am Montag.
Die EU-Sanktionen seien zwar notwendig, um Druck auf Russland auszuüben, die Auswirkungen auf diejenigen, die sie verhängen, müssten aber minimiert werden.
"In der aktuellen Diskussion sehen wir das nicht", heißt es in der Stellungnahme.
BASF warnt vor Produktionsstopp
Bereits Anfang des Monats warnten mehrere Konzernchefs vor den Folgen weniger Gaslieferungen aus Russland. So befürchtet die in Ludwigshafen ansässige BASF gar einen kompletten Produktionsstopp.
"In der deutschen Wirtschaft gibt es eine breite Zustimmung für die harten Sanktionen. Denn Krieg ist keine Basis für Geschäfte", sagte Martin Wansleben, Chef der Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
Dramatische Folgen eines EU-Boykotts von Gas befürchten neben der Chemieindustrie auch die Metall- und Elektrobranche.
Die EU-Minister debattieren derzeit über ein mögliches Embargo für russisches Öl. Die ukrainische Regierung hatte den Ländern mehrfach vorgeworfen, mit den Einnahmen aus den Energieverkäufen die russischen Kriegsanstrengungen in der Ukraine zu finanzieren.
Die Diskussion folgt auf einen EU-Beschluss von Anfang April, russische Kohleimporte zu verbieten.
Deutsche Zurückhaltung
Deutschland ist - neben Italien, Ungarn und Österreich - in hohem Maße von russischer Energie abhängig und war einer der zurückhaltendsten EU-Mitgliedstaaten bei der Verhängung von Sanktionen gegen Gas- und Öleinfuhren aus dem Land.
Als wichtiger Industriestandort hat sich Deutschland bisher Forderungen nach einem sofortigen Importstopp entgegengesetzt. Berlin plant aber, russisches Öl bis Ende des Jahres und die meisten russischen Gasimporte bis Mitte 2024 auslaufen zu lassen.
Angst vor Rezession und Inflation
Bundeskanzler Olaf Scholz hat davor gewarnt, dass ein plötzlicher Stopp des russischen Gases "ganz Europa in eine Rezession stürzen" würde.
Analysten zufolge würde ein EU-Boykott russischer Energie zu höheren Energiepreisen führen, was den Verbrauchern schaden würde, die in der EU bereits mit einer Rekordinflation von 7,5 % zu kämpfen haben.
Laut dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck hat das Land jedoch seine Abhängigkeit von russischer Energie seit dem Einmarsch in der Ukraine bereits verringert.
Die russischen Ölimporte sind von 35 % auf 25 % und die Gasimporte von 55 % auf 40 % gesunken, so der grüne Minister.
Trotz der weit verbreiteten Wirtschaftssanktionen gegen russische Banken und Einzelpersonen schickt die EU weiterhin täglich rund 850 Millionen Dollar für Öl und Gas nach Russland. Gleichzeitig verurteilen die EU-Regierungen den Krieg in der Ukraine.
Die 27 EU-Länder beziehen rund 40 % ihres Erdgases aus Russland und etwa 25 % ihres Öls.