Einjahres-Bilanz: Was hat die Offensive #InvestEu gebracht?

Einjahres-Bilanz: Was hat die Offensive #InvestEu gebracht?
Von Euronews
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Die Zeit um Weihnachten ist gut, um Bilanz zu ziehen. Wir fragen Jyrki Katainen, den Vize-Präsidenten der Europäischen Kommission, was die EU-Investitionsoffensive bislang gebracht hat und was man f

Die EU-Investitionsoffensive

Die Zeit um Weihnachten ist gut, um Bilanz zu ziehen. Wir fragen also in Brüssel nach, was der Drei-Jahres-Investitionsplan der EU gebracht hat. Mit diesem Plan sollen 315 Milliarden Euro zusammenkommen. Damit will man die Wirtschaft ankurbeln und Jobs schaffen.
Wir werden erneut den Vize-Präsidenten der Europäischen Kommission Jyrki Katainen interviewen. Vor acht Monaten sprachen wir mit ihm über die EU-Investitionsoffensive. Wurden seitdem Fortschritte gemacht? Und wir werden uns ansehen, welche Projekte gefördert werden und wie Europa im kommenden Jahr mehr Geld zusammentreiben kann.

Doch als erstes schauen wir uns an, was mit der Investitionsoffensive erreicht werden soll und wie die 315 Milliarden Euro zusammenkommen sollen. Als erstes kommt eine Garantie von 16 Milliarden Euro in den Safe, diese wird gestützt von 8 Milliarden existierender Fonds. Weitere 5 Milliarden kommen von der Europäischen Investitionsbank. Der europäische Fonds beträgt also 21 Milliarden Euro. Mitgliedsstaaten und ihre Banken können noch einen zusätzlichen Beitrag leisten.

Die Kommission geht davon aus, dass diese 21 Milliarden auf bis zu 315 Milliarden Euro wachsen können, und so soll das gehen: Für einen Euro an öffentlichem Geld wird die EU drei Euro zusätzlich leihen. Dadurch sollen private Investoren dazu motiviert werden, sich ebenfalls zu beteiligen. So werden insgesamt 15 Euro erreicht. Die Investoren werden als erstes ihr Geld zurückbekommen, die EU als letztes. Wenn es funktioniert werden 240 Milliarden in strategische Investionen gehen und 75 Milliarden an kleine und mittlere Unternehmen.

Wer wird gefördert?

Sie wollen z.B. eine Straßenbahnlinie bauen und das Projekt wird von den Banken als zu riskant eingestuft. Sie können um Geld bitten. Die EU wird einen Euro in ihr Projekt investieren, das wird Investoren anlocken. Am Ende werden Sie 15 Euro haben. Der erste Euro kommt aus dem 21 Milliarden schweren europäischen Investitionsfonds, EFSI. Dabei kommen 16 Milliarden Euro in Form von Garantien von der EU, weitere fünf Milliarden Euro steuert die Europäische Investitionsbank, EIB, bei.

Der europäische Fonds für strategische Investionen, EFSI, wird von der europäischen Investitionsbank EIB gemanagt, die sich auch um den europäischen Investitionsfonds EIF kümmert. Die Projekte werden von einem Ausschuss, einem Investitionskomitee und einem Geschäftsleiter der EIB ausgewählt. Das Ziel sind mehr mehr Jobs und mehr Wachstum. Es werden Projekte aus den Bereichen Infrastruktur, erneuerbare Energien, Bildung und Forschung ausgewählt.

Kleine und mittlere Unternehmen zapfen den Fonds über den EIF an, der ihnen bei der Finanzierung von riskanten Projekten hilft. Wenn Sie etwas finanzieren wollen, stellen Sie in Ihrem Land eine Anfrage bei den Partnerinstitutionen der EIB und des EIFs. Wenn Sie ein Projektträger sind, können Sie direkt mit der EIB Kontakt aufnehmen. Der EFSI ist kein neuer Fonds. Er wird von der EIB gemanagt, das erlaubt der Bank, neben ihren normalen Geschäften, auch riskanteren Projekten einen Kredit zu geben.

Eine erste Bilanz

Jetzt wissen wir, wie das ganze funktioniert. Aber was hat es bislang gebracht? Seit April hat die EIB 34 Projekte im Rahmen des EFSI ausgewählt. Fünf Milliarden Euro wurden zur Verfügung gestellt, und zusätzlich sollen 23 Milliarden zusammenkommen. 13 Länder sind beteiligt, von Österreich, Finnland, Slowakei bis nach Irland. Neun Projekte haben grünes Licht bekommen. Es wird damit gerechnet, dass 2016 die Finanzierung der Projekt an Fahrt aufnehmen wird. Euronews-Journalistin Monica Pinna hat beschlossen, dem Geld zu folgen.

Wie kommt man nach einem schweren Fall wieder auf die Beine? Diese Frage stellt sich für Europa, denn durch die Krise sind die Investitionen stark zurückgegangen. Zwischen 2008 und 2013 sind die Investitionen um 17 Prozent gesunken. Mehrere Finanzprodukte der EU sollen jetzt die Anleger dazu ermutigen, wieder mehr Geld zu investieren und Risiken einzugehen.

Monica Pinna fasst zusammen: “Der EFSI wird über die europäische Investitionsbank rund 49 Milliarden Euro für große Projekte und über den europäischen Investitionsfonds 12 Milliarden Euro für kleine und mittlere Unternehmen garantieren. Das Ziel ist, private Anleger zu ermutigen, zu investieren.”

Die Hälfte der 34 ausgewählten Projekte hat mit grüner Energie zu tun. Die anderen sind aus den Bereichen der Biotechnologie, der Forschung, der digitalen und sozialen Infrastruktur und dem Transport. Und dann werden noch kleine und mittlere Unternehmen gefördert.
Viele sagen wie Guntram Wolff von dem europäischen Think tank Bruegel, dass es nicht gelingen wird, die angestrebten 315 Milliarden Euro zusammenzubekommen. “Private Investoren sind vor allem an der Rendite interessiert. Die Wahrheit ist, dass das Risiko durch die Teilnahme des öffentlichen Sektors nicht maßgeblich verringert wird und dass die Renditen sehr unsicher sind. Es liegt zu wenig öffentliches Geld auf dem Tisch. Zudem gibt es nicht genügend strukturelle Reformen und Binnenmarkt-Initiativen, um Investition wirklich wieder attraktiv zu machen,” so Guntram Wolff.

Europa ist sich bewusst, dass der EFSI vielleicht nicht ausreichen wird. Andere Fonds wie der Struktur- und Investitionsfonds ESIF könnten das Projekt unterstützen. Der ESIF verfügt über ein Budget in Höhe von 450 Milliarden Euro und kann so auch dazu beitragen, dass die Anleger wieder Vertrauen entwickeln. Guntram Wolff gibt sich eher pessimistisch: “Ich fürchte, wir werden nicht so viele private Investitionen bekommen, wie vorgesehen. Ein Teil der Investitionen wird neu eingestuft werden, aber zusätzliche Investitionen sind noch nicht in Sicht.”

Es ist jedoch vielversprechend, dass der EIF 2015 anderthalb Milliarden Euro in 62 Projekte investiert hat, die kleinen und mittleren Unternehmen in Schwierigkeiten helfen sollen, zu wachsen. Schätzungen zufolge werden private Investoren 19 Milliarden beisteuern.Guntram Wolff betont: “Viele private Anleger sind interessiert und haben sich die Projekte angeschaut, aber viele sind sich noch unsicher. Sie benötigen einerseits eine bessere Absicherung der großen Risiken und andererseits bessere Rahmenbedingungen, um besser planen zu können.”

Die Anleger zu motivieren, das ist 2016 das Ziel. Denn nur so können die Investitionen und dadurch auch das Wachstum angekurbelt werden.

Interview: “Der EFSI geht mehr Risiken ein.”

Um zu verstehen, wie sich der Investitionsplan im kommenden Jahr weiterentwickeln wird, haben wir uns in Brüssel mit Jyrki Katainen, dem Vize-Präsidenten der Europäischen Kommission, getroffen.

euronews, Maithreyi Seetharaman:
“Auf Twitter haben Sie gesagt, dass die Ökohäuser in Frankreich zu ihren Lieblingsprojekten zählen. Können Sie uns anhand dieses Beispiels erklären, wie die Finanzierung des Projekts funktioniert?”

Jyrki Katainen, Vize-Präsident der Europäischen Kommission:
“In Frankreich nehmen drei Regionen an dem Projekt teil. Insgesamt haben sie genügend Mittel, um 40.000 Gebäude zu renovieren. Der EFSI, der neue Risikofonds, wird einen Teil des Risikos, das die privaten Investoren eingehen, garantieren.”

euronews:
“Wer ist der strategische Investor bei so einem Projekt?”

Jyrki Katainen:
“Es kann sich dabei um Rentenfonds, Versicherungen, Investitionsbanken und vielleicht auch nationale Förderbanken handeln. Die Hauseigentümer werden sich am Ende auch an der Rechnung beteiligen.”

euronews:
“Wie vergrößern Sie ein Projekt wie dieses? Gibt es genügend Klarheit über die Art und Weise, wie die Projekte ausgewählt werden?”

Jyrki Katainen:
“Es ist immer noch schwierig. Denn viele Menschen denken, dass die Europäische Kommission Projekte auswählt und dass die finanziellen Ressourcen Subvention sind. Alle Projekte, die von dem EFSI finanziert werden, werden von einem unabhängigen Investitionskomitee ausgewählt. Der EFSI verleiht keine Subventionen, sondern stellt Kredite, Garantien, Eigenkapital- oder Quasi-Eigenkapitalbeteiligungen
und ähnliches zur Verfügung. Es werden riskante Projekte ausgewählt, die riskanter sind als die Projekte, die die EIB normalerweise finanziert.”

Wednesday Morning Eurostar</a> - transcribing <a href="https://twitter.com/jyrkikatainen">jyrkikatainen coffee & analysing his global interest in #InvestEU answer pic.twitter.com/tz2NTzC7zM

— Maithreyi (@maithreyi_s) December 16, 2015

euronews:
“Entspricht diese Struktur oder Organisation eher der Risikokapitalkultur?”

Jyrki Katainen:
“Wenn man die europäische Risikokapitalkultur mit der amerikanischen Risikokapitalkultur vergleicht, stellt man fest, dass wir weit zurück liegen. Aus diesem Grund geht der EFSI mehr Risiken ein. Dieser EU-Fonds investiert in andere Fonds, z.B. in Risikokapitalfonds. Er finanziert aber auch direkt Projekte, was auch im Sinne der Risikokapitalkultur ist.”

euronews:
“Wie kommt es, dass es nicht mehr Investitionen in Infrastrukturprojekte gibt?”

Jyrki Katainen:
“In Infrastrukturprojekte muss meist sehr viel Geld investiert werden. Man benötigt also eine gewisse Zeit, um das gesamte Projekt aufzuziehen, und das ist wahrscheinlich der Grund, warum wir bis jetzt noch nicht viele haben.”

euronews:
“China ist daran interessiert, an der Investitionsoffensive teilzunehmen. Wo sind die anderen globalen Anleger, denn Sie benötigen große Projekte, wenn sie das 315 Milliarden Euro Ziel in zwei Jahren erreichen wollen.”

Jyrki Katainen:
“Ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden zweieinhalb Jahren Projekte im Wert von 315 Milliarden Euro finnazieren werden. Wir haben eine Arbeitsgruppe gebildet. Die Europäische Union, die europäische Investitionsbank und die chinesischen Behörden nehmen daran teil. Die chinesischen Behörden versuchen Wege zu finden, wie chinesische Anleger am besten in Europa investieren können. Wir wollenh ihnen mehr Möglichkeiten geben. Es also so einrichten, dass sie z.B. über spezielle Wege, über Investitionsplattformen investieren können. Diese Plattformen sind natürlich auch für andere interessierte Länder. Viele Golfstaaten, aber auch amerikanische Firmen, haben Interessen angemeldet. Bei meinem Besuch in Singapur habe ich Fondsmanager getroffen, die planen, mehr in Europa zu investieren. Allein dieses Jahr wurde rund 50 Milliarden Euro mehr in die reale Wirtschaft investiert. Nächstes Jahr wird es mindestens doppelt so viel sein. Wir wollen 315 Milliarden innerhalb von drei Jahren erreichen. Wenn wir das mit den langfristigen Investitionen vergleichen, stellen wir fest, dass uns jedes Jahr 300 Milliarden fehlen. Das EFSI-Ziel ist jedoch lediglich, 315 Milliarden in drei Jahren finanzieren.”

We will raise awareness of the EU Investment Plan #investEU for all citizens. Aim is to create #jobs and #growth. pic.twitter.com/Tg8eU5VNRJ

— Jyrki Katainen (@jyrkikatainen) December 10, 2015

euronews:
“Was wird die Anleger dazu bringen, mitzumachen?”

Jyrki Katainen:
“Im kommenden Frühling wird ein Projektportal eröffnet. Das bedeutet, dass private und öffentliche Projektträger ihre Projekte unterbreiten können und mehr Klarheit haben werden. Wir werden auch konkrete Vorschläge machen, um den Binnenmarkt zu harmonisieren, also z.B. den digitalen Binnenmarkt. In der Kapitalmarktunion werden wir Anfang kommenden Jahres den Kapitalbedarf von Versicherungsunternehmen flexibler gestalten. Das wird den Versicherungsunternehmen dabei helfen, in die reale Wirtschaft zu investieren. Auch im Energiemarkt und in der Kreislaufwirtschaft werden wir die Regulierungen angleichen. Europa hat sich dazu entschieden, voranzuschreiten und einen neuen Markt zu schaffen, anstatt den bereits vorhandenen Markt zu sichern.”

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