Makrofinanzhilfe: Geld für Moldawien in höchster Not

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Makrofinanzhilfe: Geld für Moldawien in höchster Not
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Von Naomi Lloyd & Guillaume Desjardins
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Die Europäische Union gewährt dem Land und neun weiteren Hilfsgelder. Was geschieht mit den Finanzmitteln und an welche Bedingungen sind sie geknüpft?

Die EU hat ihren Nachbarländern versprochen, sie während der Pandemie zu unterstützen. Es geht nicht nur um Impfstofflieferungen, sondern auch um Notfallanleihen in Höhe von drei Milliarden Euro, sogenannte Makrofinanzhilfe, für zehn angrenzende Länder, die besonders von der Krise betroffen sind. Guillaume Desjardins ist in eines der Länder gereist, nämlich nach Moldawien, wo Covid 19 alle Bereiche des Lebens durcheinandergewirbelt hat.

Moldawien ist eines der ärmsten Länder Europas und wurde von der Coronavirus-Pandemie mit voller Wucht getroffen. Das gilt auch für die Landwirtschaft. Nicht nur eine Dürre machte den Menschen hier zu schaffen, sondern eben auch die Pandemie. Diese doppelte Zusatzbelastung war für einige zu viel.

Manche haben entschieden, aus wirtschaftlichen Gründen ihre Kühe zu schlachten.
Ana Pancrat
Vertreterin einer moldawischen Landwirtschaftsvereinigung

Ana Pancrat, Vertreterin einer moldawischen Landwirtschaftsvereinigung, erläutert: „Wir konnten keine Lebensmittel aus dem Ausland einführen. Wegen der Ladenschließungen konnten wir auch nicht die Materialien zu unseren Höfen bringen, die dort benötigt werden. In einer solchen Lage können wir nicht für einen Ausgleich sorgen, manche haben entschieden, aus wirtschaftlichen Gründen ihre Kühe zu schlachten.“

Nicht nur die Landwirtschaft ist betroffen, die gesamte moldawische Wirtschaft leidet. Das bedeutet für den Staat, der wegen der hohen Zusatzausgaben während der Pandemie ohnehin schon in die Knie gezwungen wurde, weniger Steuereinnahmen.

In abgelegenen Dörfern hilft man sich gegenseitig, wenn der Staat das nicht leisten kann. Daniela Sevciuc vom Roten Kreuz sagt: „Die Liste der Menschen, die in erheblicher Armut leben, ist länger geworden. Für den Staat ist es schwierig, allen zu helfen."

Mindestlohn bei 350 Euro: Viele Menschen haben das Land verlassen

Schon bevor das Virus zuschlug, war die Lage nicht einfach. Der Mindestlohn liegt bei monatlich rund 350 Euro, etwa ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung hat das Land verlassen. Seit 2010 hat die EU Moldawien zweimal sogenannte Makrofinanzhilfe zukommen lassen.

Das Wirtschaftswachstum lag in Moldawien 2019 bei 3,6 Prozent, die Arbeitslosenquote bei 5,1 Prozent. Die Regierung erwog sogar, ein Programm zum Aufbau der öffentlichen Infrastruktur in die Wege zu leiten. Dann kam das Coronavirus.

„Im vergangenen April hat die Europäische Union der ehemaligen Sowjetrepublik einen 100-Millionen-Euro-Kredit gewährt. Wir haben die neue Präsidentin des Landes, Maia Sandu, gefragt, wie diese Makrofinanzhilfe Moldawien aus dem Gröbsten herausbringen könnte", so euronews-Reporter Guillaume Desjardins.

„Die Wirtschaft braucht dringend Hilfe, den moldawischen Unternehmen wurde im vergangenen Jahr überhaupt nicht unter die Arme gegriffen", so Sandu. „Es wurde kein Geld in den Haushalt gesteckt, um die Wirtschaft zu unterstützen. Das heißt: Viele Arbeitsplätze gehen verloren, Einkommen schwindet. Für viele Menschen bedeutet das zunehmende Armut", sagt Moldawiens Präsidentin.

Geld ist an Bedingungen geknüpft

Die Hilfsgelder sind aber an Bedingungen geknüpft. Die ersten 50 Millionen wurden im November 2020 ausgezahlt. Der Rest wird erst dann an die moldawische Zentralbank überwiesen, wenn das Land Reformen zur Korruptionsbekämpfung sowie zur Verbesserung von Rechtsstaatlichkeit und Wirtschaft verabschiedet hat.

Sandu: „Ich unterstütze die Bedingungen, die mit den Forderungen der Menschen nach guter Regierungsarbeit einhergehen. Denn die Menschen in der EU wollen Gewissheit, dass ihr Steuergeld, das sie Moldawien zur Verfügung gestellt haben, die Menschen in Moldawien erreicht, ihnen hilft und nicht von einigen korrupten Personen - auch im Parlament oder in anderen staatlichen Institutionen - abgezweigt wird."

Dumitru Pîntea ist Wirtschaftsfachmann und gehört zu den Personen, die die Einhaltung der Bedingungen überwachen. Seiner Ansicht nach braucht es auch politische Veränderungen. „Moldawien hat derzeit keine bevollmächtigte Regierung, die die Reformen umsetzen kann. Gleichzeitig hat die Regierung nicht die Unterstützung im Parlament, die Mehrheit der Abgeordneten ist gegen die Reformen und gegen diese Bedingungen", meint Pîntea.

Auch in den neun übrigen Nachbarländern, die Hilfsgelder von der EU erhalten, ist die Unterstützung an die Umsetzung von Reformen gebunden.

Varhelyi: „Es ist im Interesse der Menschen in Moldawien, diese Reformen umzusetzen"

EU-Kommissar Oliver Varhelyi ist für die Bereiche Nachbarschaft und EU-Erweiterung zuständig. Ich habe ihn gefragt, warum die Finanzhilfe derzeit so wichtig ist."

Olivér Várhelyi, EU-Kommissar: „Europa wird kein sicherer und wohlhabender Ort sein, ehe die Nachbarschaft nicht auch sicher und wohlhabend ist: Sicher im Sinne der Erholung von der Covid-19-Krise und wohlhabend im Sinne der Erholung von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Krise."

euronews: „Was sagen Sie den Menschen, die in der EU zuschauen und sich wundern, weshalb Geld außerhalb der EU ausgegeben wird?"

Stabilität und Sicherheit um uns herum
Olivér Várhelyi
EU-Kommissar

Várhelyi: „Um unsere Interessen zu verfolgen, müssen wir dort vertreten sein. Das bedeutet auch, bei den vorrangigen Bedürfnissen der Länder zu helfen, und auch eine Welt zu schaffen, die so etwas wie ein Europa außerhalb Europas ist. Das bedeutet, dass wir vorhersehbare Geschäftsklima-Investitionsmöglichkeiten für unsere Unternehmen haben, was mehr Austausch mit diesen Ländern durch Handel und Reisen bedeutet, aber natürlich auch Stabilität und Sicherheit um uns herum."

euronews: „Wir haben im Bericht gesehen, dass es im Fall Moldawien unwahrscheinlich ist, dass das Land die nötigen Wirtschaftsreformen umsetzen kann oder will, um den zweiten Teil der Covid-Makrofinanzhilfen zu erhalten. Wie sehr bereitet Ihnen das Sorge?"

Várhelyi: „Ich bin nicht besorgt. Ich habe mich mit der Präsidentin getroffen. Aus meiner Sicht ist ihr Bekenntnis sehr stark. Ich bin guter Dinge, dass Moldawien die Bedingungen in seinem eigenen Interesse erfüllt. Es liegt nicht im Interesse der EU, diese Ziele anzustreben, diese Ziele haben wir uns gemeinsam mit Moldawien gesteckt. Es ist im Interesse der Menschen in Moldawien, diese Reformen umzusetzen, denn dadurch werden das Rechtssystem und die Wirtschaft widerstandsfähiger und sind besser in der Lage, sich von der Covid-Krise zu erholen."

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