Wie hilft die EU die Folgen des Ukrainekriegs zu bewältigen?

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Von Bryan CarterSabine Sans
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Der Ukraine-Krieg hat deutlich gemacht, dass die Energieversorgung, der Energieverbrauch und die Energieerzeugung überdacht werden müssen. Strukturelle und nachhaltige Lösungen müssen umgesetzt werden.

Die Energiekrise beeinflusst nach wie vor die europäischen Volkswirtschaften, Unternehmen und Verbraucher. In Rom schauen wir uns in dieser Real-Economy-Folge an, wie auf EU-Ebene ergriffene Maßnahmen dazu beigetragen haben, die Belastung etwas zu verringern.

Hohe Lebenshaltungskosten in Italien

Die hohen Energiepreise in Europa haben zu einer jährlichen Inflationsrate von 8,5 % in der Eurozone geführt. In Italien sind die Lebenshaltungskosten sogar noch stärker gestiegen, nämlich um 10,9 %.

Die Straßen der Ewigen Stadt sind so belebt wie eh und je, doch die steigenden Lebenshaltungskosten betreffen Italiener aus allen Bevölkerungsschichten. Diese drastischen Preiserhöhungen treffen nicht nur Verbraucher. Sie wirken sich auch auf energieintensive Unternehmen aus, wie eine Mozzarella-Fabrik am Stadtrand von Rom. Massimo Panagia ist Geschäftsführer der Gruppo Francia Latticini mit 250 Mitarbeiter in zwei Werken. Das Unternehmen produziert jährlich 20 Millionen Kilo Käse in verschiedenen Formaten und Variationen.

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Massimo Panagia, Geschäftsführer der Gruppo Francia Latticinieuronews

Der Unternehmenschef erzählt, dass die Energierechnungen 2022 dreimal so hoch waren wie im Jahr zuvor. Durch Investitionen in Biogas und Sonnenkollektoren konnten sie zwar gesenkt werden, aber sie belasten Unternehmen wie das seine immer noch stark. 

"Konkret bedeutet das 1,3 bis 1,4 Millionen Euro zusätzliche unvorhersehbare Kosten", so Massimo Panagia. "Das hat den Herstellungsprozess unserer Produkte erheblich beeinflusst."

Begrenzte Beihilfebeträge der EU

Um die EU-Wirtschaft nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine zu unterstützen, verabschiedete die Europäische Kommission im März 2022 den Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen.

Er erlaubt es den Mitgliedstaaten:

-begrenzte Beihilfen für Unternehmen zu gewähren, die von dem Krieg oder den Sanktionen betroffen sind,

-Liquiditätshilfen für Unternehmen anzubieten,

- sowie einen Ausgleich für die hohen Energiepreise der Unternehmen

Brüssel hat Italien staatliche Beihilfen im Wert von mehr als 50 Milliarden Euro genehmigt, darunter auch Steuergutschriften.

"In puncto Energierechnung konnte jedes Unternehmen 30 % dieses Betrags als Kredit verwenden, um damit in den folgenden Monaten die an die Regierung zu zahlende Steuer auszugleichen", sagt Massimo Panagia. "Dieser Mechanismus hat sich leider nicht so gut auf den kurzfristigen Cashflow ausgewirkt."

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Mauro Savoia, Eigentümer und Geschäftsführer von Autopozzi Savoiaeuronews

Auch beim Leiter einer familiengeführten Autowerkstatt in Rom bleiben die Sorgen: Nachdem sich seine Energierechnungen innerhalb eines Jahres verdoppelt hatten, kam er ebenfalls in den Genuss einer Steuergutschrift. Ihm zufolge müssten jedoch kleine Unternehmen stärker unterstützt werden, so Mauro Savoia, Eigentümer und Geschäftsführer von Autopozzi Savoia: _"_Es gab keinerlei finanzielle Entlastung. Wir erwarteten zumindest wirtschaftliche Hilfen oder Zuschüsse, um die Unternehmen am Ende des Jahres zu unterstützen."

Ein Überblick über die Unterstützungs-Maßnahmen

Ein Höchstmaß an Flexibilität bei der Anwendung der Beihilfevorschriften ist nur eine der Antworten der EU auf die Energiekrise. Ein Überblick über weitere Maßnahmen:

Drei Schwerpunkte haben die europäische Antwort auf die Energiekrise bestimmt.

  1. Senkung des Gesamtenergiebedarfs
  2. Beitrag zur Kostensenkung für die Verbraucher
  3. Pläne schmieden, um nicht auf russisches Gas angewiesen zu sein.

Das erste Ziel hat durch den relativ milden Winter in diesem Jahr einen unerwarteten Auftrieb erhalten. Das bedeutet, dass die Nachfrage nicht so stark ist, wie sie in einem kalten Jahr hätte sein können.

Preisobergrenzen, Mitnahmeeffekte und Steuererleichterungen haben dazu beigetragen, das zweite Ziel zu erreichen, nämlich die Kosten für die Verbraucher zu senken.

Was das dritte Ziel betrifft, so haben Pläne für neue LNG-Terminals und Gaspipelines, Initiativen zur Beschleunigung von Projekten für erneuerbare Energien und Bemühungen zur Steigerung der Energieeffizienz rapide zugenommen.

Der letzte Punkt ist wichtig, da die EU ihre langfristige Verpflichtung, bis 2050 kohlenstoffneutral zu sein, noch nicht erfüllt hat.

Reformen reichen nicht aus: Strukturelle Lösungen sind erforderlich

Der Ukraine-Krieg hat deutlich gemacht, dass die Energieversorgung, der Energieverbrauch und die Energieerzeugung überdacht werden müssen. Über diese Themen spricht euronews-Reporter Bryan Carter mit dem Energieexperten der Brüsseler Denkfabrik Bruegel Simone Tagliapietra.

Simone Tagliapietra, Energieexperte: In den vergangenen Monaten sind die Energiepreise in ganz Europa stark gesunken. Daher werden Familien in den kommenden Wochen und Monaten mit niedrigeren Energierechnungen rechnen können. Aber diese Energierechnungen werden immer noch zwei- bis dreimal so hoch sein wie in der Vergangenheit.

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Euronews-Reporter Bryan Carter mit dem Energieexperten der Brüsseler Denkfabrik Bruegel Simone Tagliapietraeuronews

Euronews: Europa hat einen vorübergehenden Krisenrahmen geschaffen, um die Energiekrise zu bewältigen. Reicht diese Maßnahme aus, oder wird sie -wie manche befürchten - zu Marktverzerrungen führen?

Simone Tagliapietra: In Krisenzeiten besteht eine der typischen Reaktionen Europas darin, die Regeln für staatliche Beihilfen zu lockern. Das Problem dabei ist, wenn man die Wettbewerbspolitik in Europa lockert und verwässert, zum Beispiel die Regeln für staatliche Beihilfen, in der Regel die beiden größten Länder, Deutschland und Frankreich, am meisten davon profitieren. Denn sie sind, namentlich Deutschland, diejenigen, die den finanziellen Spielraum haben, um ihre Unternehmen mehr als andere zu subventionieren. 2022 gerieten wir in eine Situation, in der 80 % der staatlichen Beihilfen nur von Deutschland und Frankreich vergeben wurden. 

Euronews: Wir haben gerade in Italien zwei Unternehmen besucht, die von Steuergutschriften im Rahmen dieser Beihilferegeln profitiert haben. Aber beide Unternehmer klagten, dass das nicht genug Unterstützung sei. Wie kann man sicherstellen, dass diese Unternehmen tatsächlich die Hilfe bekommen, die sie brauchen?

Simone Tagliapietra: Es gab eine Mischung aus verschiedenen Maßnahmen, die Steuergutschrift war eine davon, aber es gab auch die Senkung der Mehrwertsteuer. Natürlich sind die Energierechnungen der Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt um den Faktor drei oder sogar vier gestiegen. Aber man muss bedenken, dass ohne das Eingreifen der Regierung die Energierechnungen noch viel stärker gestiegen wären. 

Euronews: Während der Krise hat sich gezeigt, dass der Strommarkt sehr anfällig für Preisschocks ist. Die EU hat jetzt eine Konsultation eingeleitet, um den Strommarkt zu reformieren. Was ist Ihre Meinung dazu? 

Simone Tagliapietra: Man sollte nicht glauben, dass das die Lösung für unsere Energiekrise sein wird. Das Problem unserer Energiekrise war ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach Erdgas, insbesondere nach dem russischen Angriff. Die einzige Möglichkeit für Europa, diese Krise in den nächsten Monaten nachhaltig zu überwinden, besteht darin, dieses Ungleichgewicht zu beheben, und zwar durch Senkung der Nachfrage und Maximierung des Angebots, durch Alternativen. Das bedeutet den Bau von schwimmenden LNG-Terminals und Wiedervergasungsanlagen, wie es Deutschland tut. Das bedeutet, neue Gasverträge mit LNG-Lieferanten abzuschließen, Förderung der Solarenergie, um Gas in der Stromerzeugung zu ersetzen, Förderung der Einführung von Wärmepumpen in unseren Häusern, um den Gaskessel loszuwerden. Das sind die einzigen strukturellen Lösungen für die Energiekrise in Europa.

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