Die öffentliche Verschuldung in den Griff kriegen

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Von Fanny Gauret
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Die Europäische Kommission hat im April einen Vorschlag zur Neufassung der zwischenzeitlich außer Kraft gesetzten Haushaltsregeln vorgelegt, die nun wieder gelten und ergänzt werden sollen. euronews hat das Thema unter die Lupe genommen.

Die Europäische Kommission hat im April einen Vorschlag zur Neufassung der zwischenzeitlich außer Kraft gesetzten Haushaltsregeln vorgelegt, die nun wieder gelten und ergänzt werden sollen.

Was sind die Gründe für diese Neuregelung? Und wie kann man den öffentlichen Sektor entlasten, ohne die Investitionen zu vernachlässigen, vor allem für den digitalen und grünen Wandel?

Ziel: allmählicher Abbau der öffentlichen Verschuldung

Die öffentliche Verschuldung in der Europäischen Union erreichte 2020 während der Pandemie einen Spitzenwert von 90 % des BIP und ging dann von 88 % im Jahr 2021 auf 84 % im Jahr 2022 zurück, was weit über den von der Kommission festgelegten Grenzen liegt.

Das Ziel ist ein allmählicher Abbau der öffentlichen Verschuldung über vier oder sogar sieben Jahre - das betrifft Länder, die die Grenzwerte überschreiten. Andererseits würden Geldstrafen verhängt.

Gentiloni: „Jeder Mitgliedsstaat wird seinen eigenen finanzpolitischen Weg für die nächsten vier oder sieben Jahre bestimmen"

Warum hat sich die Europäische Kommission für diesen Ansatz entschieden? EU-Kommissar Paolo Gentiloni antwortet.

Gentiloni: Insgesamt haben die unwirklichen Ausmaße und die Vielschichtigkeit dazu geführt, dass die Regeln kaum umgesetzt wurden. Und für die Europäische Union ist es nicht hinnehmbahr, dass die Steuerregeln nur auf dem Papier gelten.

euronews: Warum ist das der beste Ansatz?

Gentiloni: Jeder Mitgliedsstaat wird seinen eigenen finanzpolitischen Weg für die nächsten vier oder sieben Jahre bestimmen. Das ist Ihre Entscheidung. Wenn Sie von Ihrer eigenen Entscheidung erheblich abweichen, kann die Kommission diese Entscheidungen durchsetzen und auch entscheiden, ob die Durchsetzung gerechtfertigt ist.

euronews: Einige größere Länder wie Frankreich oder Italien liegen weit über diesen Grenzwerten. Glauben Sie, dass es möglich ist, diese Zahlen in absehbarer Zeit zu senken?

Gentiloni: Mit einem allmählichen Ansatz können wir erreichen, was mit den bestehenden Vorschriften leider nicht möglich war. Wir werden morgen nicht die 60 % erreichen. Wir sollten in dieser Hinsicht offen sein. Aber wenn es eine Aufwärts- statt einer Abwärtsentwicklung gibt, wird das für die Märkte und für die Union wichtig sein. Aber wir müssen auch Anreize für Wachstum schaffen, um unser System zu stützen, das auf Wohlfahrt basiert, und auch um den erheblichen Geldeinsatz anzugehen, der notwendig ist, wenn wir es mit dem grünen und dem digitalen Wandel ernst meinen. Wir brauchen eine gemeinsame Unterstützung für Geldeinsatz. Und das ist die Lehre des Programms Next Generation EU.

Der Riesenrechner Leonardo

Ein Beispiel für diesen Geldeinsatz findet sich in Italien in der Stadt Bologna. Hier steht der Riesenrechner Leonardo.

Francesco Ubertini von Cineca sagt: „Leonardo führt 250 Millionen Milliarden Berechnungen pro Sekunde aus. Damit ist er derzeit die viertstärkste Maschine der Welt.“

Leonardo wird von Cineca betrieben und wurde dank der Bereitstellung von 240 Millionen Euro gefertigt: Bestritten vom italienischen Hochschul- und Forschungsministerium sowie innerhalb der Zusammenarbeit von EuroHPC. Forschungsvorhaben sollen bald Nutzen daraus ziehen.

„Zu den Bereichen, in denen Leonardo eingesetzt werden kann, gehören die Wettervorhersage, der Klimawandel, aber auch die Beschleunigung der Entwicklung neuer landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Entwicklung neuer digitaler Schöpfungen“, so Ubertini.

Auch wenn die öffentliche Verschuldung Italiens bereits doppelt so hoch ist wie die Haushaltsvorschriften es zulassen, soll dieser Geldeinsatz die Wettbewerbsfähigkeit von Forschung und Industrie stärken. Ubertini erläutert: „Die gemeinsame Finanzierung mit den Mitgliedstaaten trägt nun Früchte, denn unter den vier leistungsstärksten Rechnern der Welt befinden sich derzeit zwei europäische. Das ist weltweit eine Neuheit.“

Wie Arzneimittelunternehmen Leonardo nutzen können

Das Arzneimittelunternehmen Dompé aus Neapel hat als erstes Unternehmen eine Vereinbarung mit Leonardo unterzeichnet. Durch die Auswertungen einer großen Bandbreite von Molekülen soll deren Wirkungskraft bei der Herstellung von Arzneimitteln voll ausgeschöpft werden.

Andrea Beccari von Dompé sagt: „Es geht hier um Billionen von Molekülen, was der Anzahl von Sternen in einer Galaxie in nur wenigen Stunden entspricht. Das ist wichtig, um das Molekül zu finden, das bestmöglich zu unserer Zielstellung passt. Es wird dann mit der Krankheit in Verbindung gebracht.“

Die Verheißung des Riesenrechners besteht darin, die Wirkungsweise eines Mittels anhand eines virtuellen Patienten zu prüfen und durch die Untersuchung von Millionen von Genomen zuverlässige Vorhersagen zu treffen.

Beccari: „Mit dem Einzug neuer Technologien, der künstlichen Intelligenz, ist es unerlässlich, den höchstmöglichen Stand der Forschung aufrechtzuerhalten. Der Einsatz von Riesenrechnern ermöglicht es uns, auch im Ausland wettbewerbsfähig zu sein, obwohl wir ein mittelständisches Unternehmen sind.“

Der Geldeinsatz wie im Rahmen von Leonardo wird als entscheidend für die mittel- und langfristige Wettbewerbsfähigkeit Europas angesehen.

Zettlemeyer: „Der Gedanke hinter dieser Reform ist, die Umstände in jedem Land zu betrachten"

In Brüssel betont der Wirtschaftswissenschaftler Jeromin Zettlemeyer, dass die Notwendigkeit von Offenheit und Gleichbehandlung im Schuldenabbauprozess die Unterstützung des Wachstums der einzelnen Länder nicht behindern sollte.

„Der Gedanke hinter dieser Reform ist, die Umstände in jedem Land zu betrachten. Die Schwierigkeit besteht darin, dass derjenige, der den Ermessensspielraum bei der Betrachtung dieser Umstände ausübt, große Macht hat, die missbraucht werden kann. Und einige Mitgliedstaaten befürchten, dass diese Macht missbraucht werdenkönnte. Laut Vorschlag der Kommission gibt es eine Schutzklausel, die besagt, dass die Verschuldung niedriger sein muss als zu Beginn - unabhängig davon, was am Ende der vier Jahre geschieht. Das schließt einen vorübergehenden Investitionsschub aus. Das sollte neu verhandelt werden. Ansonsten ist der Vorschlag der Kommission in sich schlüssig“, sagt Zettlemeyer.

Die Reform ist Gegenstand der Diskussionen im Europäischen Parlament und in den Mitgliedstaaten, so dass 2024 gesonderte Pläne für jedes Land entwickelt werden können.

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