Hat Russland das Coronavirus wirklich unter Kontrolle?

Botkin-Isolationskrankenhaus, St. Petersburg, Russland
Botkin-Isolationskrankenhaus, St. Petersburg, Russland Copyright Dmitri Lovetsky/Copyright 2020 The Associated Press
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Von Julika HerzogRafael Cereceda & Naira Davlashyan & Luke Hurst mit AFP und DPA
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Russlands Präsident Putin behauptet alles sei unter Kontrolle, bisher wurden nur 438 Fälle von Coronavirus Infizierten in Russland gemeldet. Doch es besteht der Verdacht, dass die offiziellen Zahlen falsch sein könnten.

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Obwohl die russische Regierung und allen voran Präsident Wladimir Putin versuchen weiter die russischen Bürger zu beruhigen, was die Coronavirus-Epidemie in ihrem Land angeht, beginnen viele Russen sich Vorräte anzulegen, um einer möglichen Ausgangssperre wie in anderen Ländern vorzubeugen.

Putin: In Russland ist "alles unter Kontrolle"

Russland hat bereits seine Grenzen geschlossen und auch der Schulunterricht ist bis in den April hinein eingestellt, größere Versammlungen sind abgesagt, Flüge wurden eingestellt. Gerüchte gehen um, wonach die Stadt Moskau ganz abgesperrt werden soll. Außerdem baut die russische Regierung ein großes Krankenhaus am Stadtrand von Moskau im Stil der von China in Rekordzeit errichteten Klinik hatte, um eine eventuelle Coronavirus-Krise zu bewältigen.

Trotzdem behauptet Putin, dass im Vergleich zu anderen Ländern "nichts los" sei in Russland. Er hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass rechtzeitige Maßnahmen zu Beginn des Ausbruchs dazu beigetragen hätten, eine "massive Epidemie" im Land zu vermeiden. Putin besteht darauf, dass es im größten Land der Erde kaum Coronavirus-Infektionen gibt und alles "unter Kontrolle" sei.

"Wir haben es geschafft, eine Masseninvasion und die Ausbreitung der Krankheit in Russland zu verhindern. Trotz eines potenziell hohen Risikos kann ich sagen, die Situation ist insgesamt unter Kontrolle."

Bis Montag wurden von den weltweit mehr als 350.000 bestätigten Fällen nur 438 in Russland gemeldet. Und dies trotz der rund 144 Millionen Einwohner Russlands und einer 4.200 Kilometer langen Grenze zu China, wo der Ausbruch begann.

Zweifel an den Zahlen

Doch es besteht der Verdacht, dass die offiziellen Zahlen falsch sein könnten. Denn die aus Russland stammenden Daten scheinen widersprüchlich zu sein.

Der Verdacht, Lungenentzündungen könnten versteckte Covid-19-Fälle sein, kommt auf: Das staatliche statistische Amt "Rosstat" behauptet, die Zahl der Fälle von Lungenentzündung in Moskau sei im Januar 2020 gegenüber 2019 um 37% gestiegen. Doch das Gesundheitsamt der Hauptstadt widerspricht und besteht darauf, die Zahl der Lungenentzündungen sei in den ersten beiden Monaten dieses Jahres um 8% bzw. 7% gesunken. Gesundheitsminister Mikhail Murashko sagt sogar, dass die Todesfälle durch Lungenentzündung in diesem Jahr um 20% zurückgegangen sind.

Mediziner vermuten daher, Coronavirus-Patienten könnten als Patienten "mit Lungenentzündung" geführt werden - und bei Toten würde nicht das Virus, sondern eine Vorerkrankung als Ursache angegeben.

Ein weiterer Faktor sind Russlands Coronavirus-Screening-Tests. Das Gesundheitsamt des Landes "Rospotrebnadzor" sagt, dass mehr als 110.000 Tests durchgeführt wurden. Die Zeitung "Moskovskiï Komsomolets" hat jedoch die Zuverlässigkeit der Tests im Vergleich zu anderen Tests in Frage gestellt, da nur Patienten mit einer schweren Form von COVID-19 als positiv eingestuft wurden.

Dies alles erweckt den Eindruck, die Behörden seien bemüht, die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten und Toten möglichst klein zu halten. Doch laut dem politischen Analysten Ivan Preobrazhensky wird sich dies bald ändern: "Höchstwahrscheinlich wird sich die Situation in naher Zukunft ändern. Ich kann voraussagen, dass die Behörden bald zur Einheit aufrufen werden, dazu die Gürtel enger zu schnallen und sich um den nationalen Führer Wladimir Putin zu sammeln, um die Bedrohung zu bekämpfen. Und zwar dann, wenn es unmöglich wird, die wirklich schwerwiegenden Auswirkungen der Pandemie auf die russische Wirtschaft und Gesellschaft zu verbergen.

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